Gestalttherapie in der klinischen Praxis. Группа авторов

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Gestalttherapie in der klinischen Praxis - Группа авторов EHP - Edition Humanistische Psychologie

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signifikante Veränderungen im Verhalten und in der Art hervorrufen, wie eine PatientIn sich selbst und ihre Umwelt erlebt. Dies ist in ihrer Art, in der therapeutischen Situation zu sein, präsent. So kann z. B. ein Antidepressivum einer PatientIn helfen, Energie zu mobilisieren, was möglicherweise einen signifikanten Einfluss auf den Verlauf der psychotherapeutischen Sitzungen hat. Wir können uns vorstellen, dass in diesem Fall die Medikamente einen ähnlichen Effekt auf die PatientIn haben, als sei sie verliebt. Auch das Verliebt-Sein verleiht der PatientIn Energie und umgeht ihre Achtsamkeit und ihre Kontrolle. Das Verliebt-Sein als Einfluss ohne direkte Verbindung zur Psychotherapie hätte einen signifikanten Einfluss auf den Verlauf der Psychotherapie. Plötzlich stehen der PatientIn Möglichkeiten offen, die in der Psychotherapie zuvor nicht zugänglich waren. Sie spürt das Einströmen von Energie, glaubt an ihre Fähigkeiten und plant Veränderungen in ihrem Leben. Diese Möglichkeiten haben sich ohne eine direkte Verbindung zum Prozess der Psychotherapie aufgetan. Verliebt zu sein öffnet Wege zu persönlichem Potenzial, das man sich nie erträumt hat, doch wenn das Gefühl wieder verschwindet, kann der Effekt verblassen. Die Auswirkungen mancher Medikamente können ähnlich sein, auch wenn sie keine so dramatische Form annehmen. Andere Medikamente können unterschiedliche Auswirkungen zeigen, so können sie z. B. dabei helfen, Emotionen zu regulieren und Erfahrungen zu integrieren. Es ist wichtig für die TherapeutIn, ihre Einstellung zu solchen von unabhängigen externen Faktoren stammenden Einflüssen auf die therapeutische Situation, genau zu untersuchen und sich ihrer bewusst zu werden.

      Doch als GestalttherapeutInnen betrachten wir keinen Faktor als unabhängig, wir sehen die Situation auf ganzheitliche Weise. Wir können die Medikamente als besten Weg begreifen, der der PatientIn im Moment hilft, mit einer schwierigen Situation umzugehen. Die Medikamente einzunehmen steht in Verbindung mit dem aktuellen Bedürfnis der PatientIn, das innerhalb des gesamten Feldes nicht nur von gegenwärtigen und vergangenen Beziehungen zur Außenwelt, sondern auch von der Beziehung zu sich selbst entsteht. Die Medikamente interagieren auf verschiedene Weise mit anderen Elementen des Feldes: Oft übernehmen sie eine unterstützende Funktion, doch sie können auch stigmatisieren und Einschränkungen hervorheben, sie können verwendet werden, um die Außenwelt zu manipulieren, und sie können andere Aufgaben erfüllen, von denen wir manche im folgenden Text beschreiben werden. Es ist wichtig, auf phänomenologische Weise bewusst zu machen, wie die Medikamente die therapeutische Situation beeinflussen.

      3. Die Kombination von Psychotherapie und Pharmakotherapie

      Die Ansichten über die Kombination2 von Psychotherapie und Pharmakotherapie haben sich mit der Zeit verändert, seit in den 1950ern die ersten Psychopharmaka auf den Markt kamen. Manche PsychotherapeutInnen lehnten die Kombination erst ab, aus Angst, dass die Medikamente wichtige Gefühle und Konflikte überdecken, die Gegenstand der psychotherapeutischen Arbeit sind (Holub 2010). Dies veränderte sich, als immer mehr Menschen mit schweren psychischen Störungen psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch nahmen, z. B. PatientInnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen oder mit Psychosen. In diesen Fällen war die Pharmakotherapie kein Nachteil, sondern ermöglichte den PatientInnen vielmehr vom psychotherapeutischen Prozess zu profitieren.

      In den letzten zwei Jahrzehnten sind die Entwicklungen im Bereich der Psychopharmaka schnell vorangeschritten. Inzwischen sind Psychopharmaka mit nur geringen Nebenwirkungen auf dem Markt. Diese Medikamente können nicht nur von PsychiaterInnen verschrieben werden, sondern auch von ÄrztInnen für Allgemeinmedizin und anderen SpezialistInnen. Die Medikamente werden für ein breiteres Spektrum von psychischen Zuständen und eine niedrigere Intensität von Problemen verordnet.

      Infolgedessen nimmt der Einsatz von psychiatrischen Medikamenten immer mehr und mehr zu und ersetzt oft die Psychotherapie, sogar in Fällen, bei denen sie üblicherweise Methode der ersten Wahl war. Da die Medikamente für ein rasches Nachlassen der Symptome und somit schnell für schnelle Erleichterung sorgen, kann es passieren, dass PatientInnen die Psychotherapie als zu wenig effektiv, zu langsam oder zu teuer wahrnehmen.

      Wenn wir uns jedoch von dem dichotomen Denken lösen (Medikamente versus Psychotherapie), können wir sehen, dass sich diese beiden Ansätze für das Wohl unserer PatientInnen kombinieren lassen, sie können einander gut ergänzen. Die Kombination von Psychotherapie und Pharmakotherapie stellt eine weit verbreitet klinische Praxis dar. Viele Studien beweisen, dass diese Kombination einen größeren therapeutischen Effekt hat als jede Methode einzeln anzuwenden (Wright / Hollifield 2006). Allerdings ist nicht geklärt, in welchem Ausmaß diese Ergebnisse generalisiert werden können. Außerdem treffen sie nur auf PatientInnen mit einer psychiatrischen Diagnose in psychotherapeutischer Behandlung zu.3

      Psychopharmaka können den psychotherapeutischen Prozess erheblich unterstützen, indem sie exzessive, lähmende Angst und depressives Erleben reduzieren. Sie können auch hilfreich dabei sein, Unterbrechungen in der Psychotherapie zu überbrücken. Andererseits kann auch die Psychotherapie die Pharmakotherapie unterstützen, da es der PatientIn ihre Einstellung zu Medikamenten und zu der Erfahrung, diese einzunehmen, bewusst macht. Ein einschränkender Faktor (wenngleich nicht immer unerwünscht) in der kombinierten Therapie ist, dass die Medikamente PatientInnen in einer passiveren Haltung verharren lassen und ihnen erlauben können, keine Verantwortung für ihren Zustand und den psychotherapeutischen Prozess zu übernehmen (Holub 2010). Medikamente sind für manche PatientInnen notwendig, doch ihre Verwendung ist eingeschränkt durch das Risiko einer Abhängigkeit und einer möglichen Verringerung der Motivation der PatientInnen, psychotherapeutische Arbeit zu leisten und ihre Fähigkeit auszubilden, eigene Fertigkeiten für die Bewältigung von Problemen zu erlernen (Williams / Levitt 2007).

      Es ist wichtig für GestalttherapeutInnen, sich nicht nur der oben erwähnten Vorteile und Einschränkungen dieser Kombination bewusst zu sein, sondern auch einen Weg zu finden, diese im Dialog mit der PatientIn zu untersuchen und sie im Kontext der gesamten psychotherapeutischen Situation zu betrachten.

      4. Beziehungen zu den Medikamenten

      Neben anderen externen Einflüssen auf die PatientIn, wie z. B. ihr Beruf oder ihre psychische Krankheit, sind die Medikamente Teil des größeren Feldes der therapeutischen Situation. Das Medikament ist eine Komponente des Feldes, die wie jede andere Komponente im Therapieprozess potenziell von Bedeutung ist. Wenn die PatientIn zum Beispiel aufgrund der Medikamente weniger angespannt oder müde ist, verändert das die ganze therapeutische Situation, die Medikamente beeinflussen den Therapieprozess und auch die Erfahrung, die die TherapeutIn mit der KlientIn hat. Die Medikamente sind also Teil der aktuellen Organisation des Beziehungsfeldes. Ihr Einfluss besteht in dem unmittelbaren pharmakologischen Effekt, den sie auf die PatientIn haben, sowie in ihrer psychologischen Wirkung auf die PatientIn und die TherapeutIn. In dem folgenden Text werden wir zahlreiche mögliche Beziehungen in der Triade aus TherapeutIn, PatientIn und Medikamenten untersuchen.

      4.1 Wie die Medikamente die PatientIn und den Psychotherapieprozess beeinflussen können

      Psychopharmaka verändern die Funktionsweise des Organismus auf biologischer Ebene und bewirken dadurch eine Veränderung der psychischen Funktionen. Abgesehen davon wirken Medikamente (genauso wie Psychotherapie) durch den Placeboeffekt.4 Weiter unten im Text werden wir genauer auf die biologische Wirkung von Psychopharmaka eingehen. GestalttherapeutInnen können ihre Fertigkeit zur phänomenologischen Beobachtung nutzen, um den Einfluss der Medikation auf die PatientIn und ihre Art, in Kontakt zu treten, sowie auf die gesamte psychotherapeutische Situation zu beschreiben. Zu diesem Zweck können TherapeutInnen Modelle von Kontaktstilen (Retroflexion, Projektion, etc.) oder die Kontaktsequenz nutzen (Rückzug > Erkennen > Mobilisierung > Handlung > Kontakt > Integration > Rückzug >). So kann man beobachten, wie die Medikamente die verschiedenen Phasen des psychotherapeutischen Prozesses beeinflussen.

      Gemessen am Effekt auf das Erleben der PatientIn können wir die häufigsten Medikamente5 in zwei Gruppen einteilen:

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