Glücklich mit mir selbst. Ruediger Dahlke

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Glücklich mit mir selbst - Ruediger Dahlke

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»platonisch«, weil durchaus nicht klar ist, ob die damit verbundene Erzählung der von beiden gelebten Wahrheit oder mehr der Sicht des zölibatären Kirchenpatriarchats entspricht. Mit dem Evangelium der Maria liegt uns im Übrigen ein authentischer Text des Urchristentums vor, der die Rolle der Frau ganz entschieden anders darstellt. Er befreit nicht nur die Maria Magdalena vom Ruch des »leichten Mädchens« und stellt sie im Rang noch über die männlichen Jünger, sondern sogar als Partnerin neben Jesus selbst. Auch das Nonnen-Leben der Hildegard von Bingen und ihrer Mitschwester verlief in großer Freiheit und sogar einiger Freizügigkeit mit Tänzen – auch reichte es ihr, das Ornat der Nonne einmal in der Woche zu tragen.

      Egal welche Richtung man an der großen Gabelung des spirituellen Weges einschlägt: Zuallererst gilt es immer, mit sich selbst glücklich zu werden – in Partnerschaft mit dem Selbst, dem Synonym der Einheit. Der Weg ist das Ziel! Und er ist in keinem Fall einfach und leicht, ob ich mir nun von Partnern aus Fleisch und Blut oder von Christus meinen Schatten zeigen lasse – christliche Nonnen tragen seinen Namen bis heute in ihrem Ehering. In jedem Fall muss ich den Schatten integrieren, und erst wenn er mit meinem Ich vereint ist, lässt sich Selbst-Verwirklichung erlangen.

      »Die Braut, die sich nicht traut«

      Rituale sind wichtig. Heutzutage ist es »hip«, nicht verheiratet zu sein. Mich interessiert es nicht, »hip« zu sein.

      JOHN LENNON

      Auch wer sich auf den Weg der Partnerschaft macht, ist gut beraten, sich zuvor selbst lieben zu lernen, damit sein Weg auch wirklich ins Glück führt. Insbesondere wer heiratet, sollte das beherzigen. Denn wer sich nicht selbst liebt und zu sich selbst nicht Ja sagen kann, kann auch nicht zu einem anderen Menschen wirklich Ja sagen. Das aber ist der entscheidende Punkt bei der Heirat, einer Ehe-Schließung. Wenn wir das Ideal einer bis zum Lebensende geschlossenen Beziehung immer seltener erreichen, hat das wohl auch damit zu tun, dass wir immer seltener unser Glück in uns selbst finden und es stattdessen vom Partner erwarten.

      Ich habe bereits deutlich meine Meinung zum heutigen Medien-Hype gesagt. Das heißt nicht, dass ich alles ablehnen würde, was mit Unterhaltung zu tun hat. Auch gute Unterhaltung gehört zu den notwendigen Mußestunden, die sich die meisten viel zu selten gönnen. Wir Menschen dürfen und sollen auch träumen, besonders von schönen und die Seele nährenden Dingen. Warum soll es in der heutigen Zeit nicht auch eine ganze Traumfabrik geben? Ich selbst habe deren Produkten, zusammen mit meiner ersten Frau, das Film-Deutungsbuch Die Hollywood-Therapie gewidmet. Mehr dazu im Praxisteil des vorliegenden Buches. Hierher passt etwas daraus einfach so gut, dass ich es als erhellendes Beispiel einfügen möchte:

      »Die Braut, die sich nicht traut«, mit Julia Roberts als Maggie Carpenter und Richard Gere als Ike Graham in den Hauptrollen, behandelt genau das Thema, mit dem wir uns hier jetzt befassen – äußerst unterhaltsam und auf den Punkt. Maggie arbeitet als Verkäuferin im Eisenwarenladen ihres schwer alkoholkranken Vaters. Privat ist sie die klassische Verführerin, bandelt mit unwiderstehlichem Charme mit vielen Männern an, sogar mit dem Mann ihrer besten Freundin. Das führt zu verschiedenen Heiratsanträgen, die sie – ebenfalls der typischen US-Mädchen-Sozialisation entsprechend – nicht ablehnen mag, sondern wie selbstverständlich annimmt. Immer erst im letzten Moment, in der vollen Kirche, kommt ihr die ganze Bedeutungsschwere des Rituals zu Bewusstsein, und statt das von allen erwartete Ja-Wort zu sprechen, kann sie nur noch fliehen. Sie spürt intuitiv, dass ihre Zustimmung nicht stimmig wäre, weder für sie noch für ihn.

      Ike Graham, Klatschkolumnist der großen Tageszeitung, erfährt »zufällig« von den Eskapaden Maggies und macht sich in seiner Kolumne – ohne Maggie überhaupt zu kennen – lustig über ›die Braut, die sich nicht traut‹. Das bringt ihm eine Frühform dessen ein, was heute Shitstorm heißt, und schließlich seine Entlassung durch die Chefredakteurin der Zeitung, seine Ex-Frau. Immerhin erwirkt deren neuer Mann, Ikes Freund, für ihn eine letzte Chance und Gnadenfrist. Ike muss die Geschichte von Maggie Carpenter sauber recherchieren und sich gegebenenfalls öffentlich entschuldigen.

      In deren kleinem Heimatort empfängt Ike eine Wand aus Ablehnung. Aber aus dem anfänglichen Krieg mit Worten, Gesten und kleinen Gemeinheiten entsteht mit der Zeit gegenseitiges Verständnis. Ike wird klar, dass Maggie eigentlich nicht vor dem jeweiligen Mann, sondern vor sich selbst flüchtet, da sie sich selbst überhaupt nicht kennt und gar nicht weiß, wer da eigentlich Ja sagen würde. Aus Verständnis entwickelt sich nach und nach Liebe. Ike versteht jetzt, wie hoffnungslos gefangen Maggie im Netz ihrer Muster ist. Sie kann nicht Ja sagen – weder zu sich selbst und ihrem Leben noch – daraus folgend – zum jeweiligen Verlobten. Sie bleibt auch nur ihrem Vater zuliebe in dessen Eisenwaren-Laden, würde doch aber viel lieber aus den Dingen, die sie tagtäglich verkauft, Kunstobjekte erschaffen. Tatsächlich weiß sie nicht einmal, wie sie Eier am liebsten mag, weil sie sich sofort dem jeweiligen Geschmack des jeweiligen Verlobten anpasst.

      Bei den Übungen zur Vorbereitung einer weiteren Hochzeit verliebt sich auch Maggie in Ike, der sie als Einziger zu verstehen scheint. Insofern sagt sie die Hochzeit diesmal rechtzeitig, noch lange vor Betreten der Kirche, ab. Aber Maggie und Ike sind nun so verliebt, dass sie, kurz entschlossen, den schon feststehenden Termin für ihre Hochzeit übernehmen.

      Und wieder kann Maggie nicht Ja sagen, zwar kennt sie sich nun selbst etwas besser, aber es reicht nicht, und sie flieht wiederum spektakulär und Ike rennt ihr vergeblich hinterher.

      So offenbart der Film nebenbei noch die Falle des Verliebtseins, denn in dieser hormonellen Bewusstseins-Vergiftung sind kaum klare, nachhaltige Entscheidungen möglich. Durch die rosa Brille ihrer Verliebtheit übersahen beide völlig, dass Maggie noch längst nicht wirklich Ja zu sich selbst sagen kann und Ike ebenso wenig zu sich selbst. Er steht gar nicht zum zynischen Klatschkolumnisten, den er gibt, und zu dem, was er sein Leben nennt. Durch Maggies erneute Flucht ernüchtert, und bei jedem für sich allein, wirkt und arbeitet diese Erfahrung in beiden weiter, und sie gehen auf die Suche nach sich selbst.

      Eines Tages sieht Ike in (seinem) New York ein Schaufenster mit der Kunst von Maggie Carpenter. Und auch er hat im Prozess des Allein-Seins sich in der Tiefe seiner Seele durchgerungen, seinen Traum vom Schriftsteller zu verwirklichen, statt lebenslänglich zynische Zeitungskolumnen zu verfassen. So verhalf erst die Phase des selbstbestimmten, kreativen Allein-Seins beiden dazu, sich selbst klarer, deutlicher und ehrlicher zu sehen und so überhaupt erst beziehungsfähig zu werden.

      Nach langer Vorbereitung der Selbstfindung im Allein-Sein – möglicherweise war früher Verlobungszeit so gemeint – besucht Maggie Ike in New York und macht ihm einen bezaubernden Heiratsantrag, der aber auch eine Warnung vor ihr selbst beinhaltet und das Schattenprinzip durchaus einschließt. Natürlich kann Ike da nur Ja sagen. Nun gelingt ihre Heirat, und die längere und intensive innere Vorbereitung gibt zu den schönsten Hoffnungen für ihr gemeinsames Leben Anlass.

      Die Geschichte von Ike und Maggie plädiert dafür, sich Zeit zu lassen, so lange allein zu bleiben, bis man auch für sich selbst glücklich werden kann. Wer aber glücklich mit sich selbst ist, für den ist es fast egal, wen er oder sie heiratet, und es besteht obendrein die Chance, in der Beziehung weiter zu lernen und zu vollenden, was jede/r schon für sich allein begonnen hatte: Selbstverwirklichung. Als Hollywood-Blockbuster mit gleich zwei Weltstars zielte der Film natürlich auf möglichst großen Kassenerfolg. Die Geschichte ist fiktional, ihre Botschaft aber ein Stück echter, ungemein wichtiger Lebensweisheit. Und ein berührendes Beispiel dafür, dass dank einer bewussten Phase selbstbestimmten, kreativen Allein-Seins eine Bindung fürs Leben überhaupt erst Sinn ergeben und gelingen kann.

      Während die meisten versuchen, ihren Partner in Richtung des Ideals, das sie selbst glücklich machen würde, zu drängeln, zu nötigen, gar zwingen oder erpressen zu wollen, geht es in Wirklichkeit immer »nur« um die eigene (Selbst-)Verwirklichung. Entwicklung

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