Green New Deal als Zukunftspakt. Katja Kipping
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JOHANNA BUSSEMER, KATJA KIPPING
GREEN NEW DEAL ALS ZUKUNFTSPAKT
Die Karten neu mischen
Kleine Edition 37
Diese Publikation wurde unterstützt durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung und gefördert mit Mitteln des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland.
INHALT
Anstelle eines Vorworts: Die Karten neu mischen
1. Ein Deal für gemeinsame Handlungsfähigkeit
2. Corona und Klima: Was hat das miteinander zu tun?
3. Mut zum Konflikt: Der historische New Deal
5. Green New Deal als Zukunftspakt: Konkreter Plan für eine Utopie
6. Eine neue Zeit und Zeit für Neues
7. Am Ende des Tages eine Frage der Umsetzung
Statt eines Schlussworts eine Not-to-do-Liste
Vers l’avenir – für unsere Kinder N. und J.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Heartland-Leute den Klimawandel eilfertig als linksgerichtetes Komplott hinstellen, während die meisten Linken noch nicht einmal begriffen haben, dass ihnen die Klimawissenschaftler das stärkste Argument gegen den Kapitalismus an die Hand geben seit den „dunklen teuflischen Mühlen“ in William Blakes berühmtem Gedicht (natürlich nahm mit diesen Fabriken der Klimawandel seinen Anfang).
Naomi Klein1
1Naomi Klein, Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann, Hamburg: Hoffmann und Campe 2019, S. 115.
ANSTELLE EINES VORWORTS: DIE KARTEN NEU MISCHEN
Halt mal kurz – unsere Kinder N. und J. lieben dieses Spiel, das die tiefsinnigen Späße aus den Känguru-Chroniken vom Marc-Uwe Kling in Spielkarten übersetzt. Im Grunde funktioniert das Spiel wie das altbekannte Mau-Mau, nur etwas witziger und abwechslungsreicher. Die Karten können nach bestimmten Regeln gezogen und abgeworfen werden. Wer die Karte „Ach – mein, dein“ zieht, kann mit einer Spieler:in seiner Wahl einfach das Blatt tauschen. In diesem Kartenspiel gibt es auch die Kapitalismuskarte. Wenn die erscheint, muss die Spieler:in mit den meisten Karten zwei zusätzliche Karten ziehen. Schließlich gilt im Kapitalismus, wer schon viel hat, der bekommt noch mehr obendrauf. So spielerisch kann Kapitalismuskritik sein. Dieser Mechanismus liegt nicht am bösen Willen einzelner Personen. Vielmehr ist er so fest in die Verhältnisse eingeschrieben, dass er vielen als selbstverständlich erscheint.
Man könnte diesen Umstand auch mit unzähligen Untersuchungen zur Reichtumsverteilung und aus der Elitenforschung,1 in Statistiken und Zahlen belegen, [9] das Känguru bringt ihn auf eine einfache Spielkarte: Wer die meisten Karten hat, bekommt noch mehr Karten dazu. Doch der Clou ist: Bei diesem Spiel gewinnt – anders als im Kapitalismus – nicht, wer die meisten Karten hat, sondern wer zuerst alle Karten abwerfen konnte. Das muss man dem Känguru erst mal nachmachen. Schon für Neunjährige verständlich das Dilemma unserer Wirtschaftsweise auf den Punkt bringen und dann spielerisch die Regeln umschreiben. Wie schön wäre es, wenn das auch im wirklichen Leben ginge: die Selbstverständlichkeiten, die ungerecht sind und uns schaden, erkennen und die Mechanismen, die sie erzeugen, ändern. Nicht nur die Karten neu verteilen, sondern dabei auch die Spielregeln umschreiben – geht das wirklich nur bei einem Kartenspiel? Sollte das in einer Demokratie und angesichts von Krisen, die unsere Gegenwart erschüttern und unsere Zukunft gefährden, nicht auch in der Realität möglich sein? Im Englischen gibt es für den Vorgang, die Karten neu zu mischen, einen bemerkenswerten Ausdruck, der sich tief ins politische Vokabular eingeschrieben hat: New Deal.2
1„Zwei Drittel der befragten Hochvermögenden geben an, dass Schenkungen und Erbschaften für sie relevant waren, um vermögend zu werden[.]“ – und eben nicht die eigene Leistung. Lebenslagen in Deutschland – Fünfter Armut- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2017, S. 131; Vgl. Michael Hartmann, Der Mythos von den Leistungseliten. Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft, Frankfurt a.M.: Campus 2002.
2Katja Kipping, „Das Roosevelt-Moment“, https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/das-roosevelt-moment-in-der-corona-krise [Letzter Zugriff: 23.5.2021].
[10] 1. EIN DEAL FÜR GEMEINSAME HANDLUNGSFÄHIGKEIT
Das englische Wort „Deal“ hat für den vorliegenden Text gleich drei zentrale Bedeutungen. Denn es steht sowohl für „die Karten neu mischen“ als auch für einen Handel und kann zudem für das deutsche Wort „Abkommen“, ja „Pakt“ stehen. Bei den Debatten um den Green New Deal geht es also nicht um einen „Deal“ im Sinne eines Drogengeschäfts oder eine Vereinbarung im Hinterzimmer, sondern um die angemessene Reaktion auf die Krisen unserer Zeit.
Der historische New Deal unter Franklin D. Roosevelt sowie die aktuellen Green-New-Deal-Debatten liefern in der Summe eine entscheidende Orientierung für ebenjene notwendige Reaktion auf die Krisen unserer Zeit. Es handelt sich um eine Orientierung, die zu einem Plan verdichtet werden kann. Denn der Green New Deal eröffnet eine Veränderungsperspektive, die in der Welt, in der wir leben, bereits funktioniert und zugleich darüber hinausweist. Dieser Plan bietet zudem ein Dach, unter dem sich schon jetzt verschiedene Akteur:innen sammeln. Insofern birgt er das Potenzial für gemeinsame Handlungsfähigkeit über Grenzen hinweg – territoriale, politische und soziokulturelle. Letztlich geht es um die Frage, wie ausgehend von den Debatten um den Green New Deal ein Zukunftspakt geschlossen werden kann, der dem Ziel verpflichtet ist, die sozialen wie die ökologischen Krisen [11] nachhaltig zu entschärfen, und der zudem die richtigen Konsequenzen aus dem Coronaschock zieht.
In diesen Essay sind die