Reise um die Erde in 80 Tagen. Jules Verne
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»Es gibt nichts Unvoraussehbares«, erwiderte Phileas Fogg ganz einfach.
»Aber, Herr Fogg, dieser Zeitraum von achtzig Tagen ist nur als ein Mindestmaß gemeint!«
»Wenn man ein Mindestmaß gut verwendet, reicht es immer aus.«
»Aber um es nicht zu überschreiten, muss man mathematisch genau aus den Eisenbahnen in die Paketboote und aus den Paketbooten in die Eisenbahnen springen!«
»Ich will den Sprung mathematisch genau vornehmen.«
»Es ist nur Spaß!«
»Ein guter Engländer macht nie Spaß, wenn es sich um eine so ernste Sache wie eine Wette handelt«, erwiderte Phileas Fogg. »Ich wette mit jedem, der Lust dazu hat, um 20.000 Pfund, dass ich die Reise um den Erdball in längstens achtzig Tagen machen werde, d.h. in 1.920 Stunden oder 115.200 Minuten. Sind Sie damit zufrieden?«
»Wir nehmen die Wette an«, erwiderten, nachdem sie sich untereinander verständigt hatten, die Herren Stuart, Fallentin, Sullivan, Flanagan und Ralph.
»Gut«, sagte Herr Fogg. »Der Zug nach Dover geht um acht Uhr fünfundvierzig Minuten ab. Mit dem reise ich.«
»Heute Abend?«, fragte Stuart.
»Heute Abend«, versetzte Phileas Fogg. »Also«, fuhr er fort, indem er einen Kalender aus der Tasche zog und nachsah. »Weil heute Mittwoch, der 2. Oktober ist, muss ich Samstag, den 21. Dezember um acht Uhr fünfundvierzig Minuten abends wieder in London sein, hier in diesem Salon des Reformclubs, sonst sollen die 20.000 Pfund, welche zurzeit für mich bei den Gebr. Baring hinterlegt sind, mit Fug und Recht Ihnen, meine Herren, gehören. – Hier ist eine Anweisung über den gleichen Betrag.«
Es wurde ein Protokoll über die Wette aufgesetzt und auf der Stelle von den sechs Beteiligten unterzeichnet. Phileas Fogg war kalt geblieben. Er hatte die Wette sicherlich nicht gemacht, um zu gewinnen, und hatte diese 20.000 Pfund – die Hälfte seines Vermögens – nur deshalb gesetzt, weil er voraussah, er könne die andere Hälfte brauchen, um das schwierige, um nicht zu sagen unausführbare Projekt positiv auszuführen. Dagegen schienen seine Gegner in Aufregung, nicht wegen des hohen Einsatzes, sondern weil sie sich einigermaßen ein Gewissen daraus machten, unter solchen Bedingungen eine Wette einzugehen.
Damals war es Schlag sieben. Man forderte Herrn Fogg auf, sein Spiel zu unterbrechen, um seine Reisevorbereitungen zu treffen.
»Ich bin stets reisefertig!«, erwiderte dieser leidenschaftslose Gentleman, gab seine Karten und sprach:
»Ich schlage Eckstein um, Sie spielen aus, Herr Stuart.«
VIERTES KAPITEL
Phileas Fogg setzt seinen Diener Passepartout in Bestürzung.
U
m sieben Uhr fünfundzwanzig Minuten nahm Phileas Fogg, nachdem er beim Whist zwanzig Guineen gewonnen hatte, von seinen ehrenwerten Kollegen Abschied und verließ den Reformclub. Um sieben Uhr fünfzig öffnete er seine Haustür und trat ein.
»Passepartout!«
Passepartout gab keine Antwort. Dieses Rufen konnte nicht ihm gelten. Es war ja nicht die Stunde.
»Passepartout«, rief Herr Fogg wiederholt, doch ohne lauter zu werden. Passepartout erschien.
»Ich habe Sie zweimal rufen müssen«, sagte Herr Fogg.
»Aber es ist noch nicht Mitternacht«, erwiderte Passepartout, die Uhr in der Hand.
»Ich weiß«, versetzte Phileas Fogg, »und mache Ihnen keinen Vorwurf. In zehn Minuten reisen wir nach Dover und Calais.«
Das runde Gesicht des Franzosen verzog sich unwillkürlich. Offenbar hatte er nicht recht verstanden.
»Der Herr will eine Reise machen?«, fragte er.
»Ja«, erwiderte Phileas Fogg. »Wir wollen eine Reise um die Erde machen.«
Da staunte Passepartout über die Maßen. Er riss die Augen weit auf, spannte die Wimpern und Brauen, streckte die Hände aus – Symptome förmlicher Bestürzung.
»Reise um die Erde!«, brummte er.
»In achtzig Tagen«, erwiderte Herr Fogg. »Also, wir haben keinen Augenblick Zeit zu verlieren.«
»Aber die Koffer?«, sagte Passepartout mit unwillkürlichem Kopfschütteln.
»Keine Koffer. Wir brauchen nur einen Reisesack mit zwei wollenen Hemden darin und drei Paar Strümpfen; ebenso viel für Sie. Das Weitere kaufen wir unterwegs. Holen Sie meinen Regenmantel und meine Reisedecke, und nehmen Sie gutes Schuhwerk mit. Übrigens gehen wir wenig oder gar nicht zu Fuß. Jetzt, rasch!«
Passepartout hätte gern geantwortet, konnte aber nicht. Er verließ Herrn Foggs Zimmer, begab sich auf das seinige, sank auf einen Stuhl nieder und sagte mit einem in seiner Heimat üblichen Ausdruck:
»Ei! Das ist stark! Und ich wollte ruhig leben!«
Um acht Uhr hatte Passepartout den bescheidenen Sack mit seiner und seines Herrn Garderobe gepackt; darauf verließ er, noch ganz verstörten Geistes, sein Zimmer, verschloss sorgfältig die Türe desselben und begab sich wieder zu Herrn Fogg. Herr Fogg war reisefertig. Unter dem Arm trug er ›Bradshaws Continents-Eisenbahn- und Dampfboot-Reiseführer‹, woraus er alle für seine Reise erforderlichen Notizen schöpfen konnte. Er nahm Passepartout den Reisesack aus der Hand, öffnete ihn und schob ein großes Bündel von den schönen Banknoten hinein, mit welchen man in aller Welt bezahlen kann.
»Haben Sie auch nichts vergessen?«, fragte er.
»Nichts, mein Herr.«
»Meinen Regenmantel und meine Decke?«
»Hier.«
»Gut, nehmen Sie den Sack.«
Herr Fogg gab Passepartout den Sack wieder zurück.
»Und passen Sie gut darauf auf«, fügte er hinzu. »Da sind 20.000 Pfund drin.«
Beinahe wäre Passepartout der Sack aus den Händen gefallen, als bestünden die 20.000 Pfund aus schwerem Gold. Daraufhin gingen Herr und Diener hinunter und die Haustüre wurde doppelt verschlossen.
Am Ende der Straße Saville-Row fand sich eine Fuhrwerkstation. Phileas Fogg und sein Diener stiegen in ein Cab, welches rasch nach dem Bahnhof Charing-Cross fuhr, wo ein Zweig der Süd-Ostbahn mündet. Um acht Uhr zwanzig Minuten hielt das Cab vor dem Gittertor des Bahnhofes. Passepartout sprang ab, sein Herr folgte nach und bezahlte den Kutscher.
In diesem Augenblicke trat eine arme Bettlerin mit einem Kinde an der Hand, barfuß