Elektra. Sophokles
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Ai, ai, ich flehe.
CH. Nie jedoch wirst du den Vater[Gegenstr. 1
aus dem allen bestimmten Sumpfland des Hades
wiederauferstehen lassen, mit Klagen nicht noch Gebeten!
Doch vom richtigen Maß abrückend hin zum nicht zu meisternden140
Schmerz, richtest du dich, immer seufzend, gänzlich zugrunde,
worin aber keine Erlösung ist von den Übeln.
Was strebst du mir nach dem schwer zu Ertragenden?
§1.
Ein Narr ist, wer die kläglich145
hingeschwundenen Eltern vergisst!
[13]Doch geht mir nie aus dem Sinn die Wehklagende,
die verängstigte Vogelfrau, die Botin des Zeus,
die um Itys immer, um Itys schluchzt.
Io, allduldende Niobe, als Göttin erachte ich dich,150
die du in dem steinernen Grabmal
ai, ai, noch immer dich ausweinst.
CH. Nicht dir allein,[Str. 2
Kind, ist Leid erschienen unter den Sterblichen,
worin du stärker betroffen wärst als die drinnen,155
mit denen du gleichen Ursprungs und Bluts bist,
wie Chrysothemis und Iphianassa
und er, dessen glückliche Jugend vor Leiden geschützt ist,
den das berühmte160
Land der Mykener einst
empfangen wird als Spross edler Väter, wenn er
unter dem wohlgesinnten Geleit des Zeus in dies Land kommt – Orestes!
EL.
Ja, er, auf den ich unentwegt wartend
ohne Kind, ohne Ehe, ich Arme, immer dahinleb,165
von Tränen benetzt, mit diesem Schicksal,
das kein Ende verheißt meiner Übel; doch der vergisst,
was er erlitten und was er erfuhr. Denn welche
Nachricht kommt nicht zu mir, die sich nicht als Täuschung herausstellt?170
Denn immer zwar sehnt er sich,
doch bei all seinem Sehnen hält er’s für unwert zu kommen.
CH. Fasse Mut mir, fasse Mut,[Gegenstr. 2
Kind! Noch ist groß im Himmel
[14]Zeus, der alles überwacht und beherrscht!175
Ihm stell anheim den allzu bitteren Groll
und hass deine Feinde nicht maßlos, noch auch vergiss sie!
Die Zeit ist ein entlastender Gott!
Denn weder er, der in Krisa180
die rinderbeweidete Küste bewohnt,
der Sohn, der Spross Agamemnons, ist darum unbesorgt,
noch der an Acherons Ufern herrscht, der Gott.
§1.
Doch mir ist dahin schon der beste Teil meines Lebens,185
hoffnungslos, und ich kann nicht mehr!
Kinderlos schwinde ich hin,
und kein liebender Mann beschützt mich,
nein, gleich einer Fremden, die keiner beachtet,
halt ich in Ordnung die Kammern des Vaters190
in einem so schäbigen Kleid
und stehe herum an leeren Tischen!
CH. Erschütternd bei der Heimkehr der Schrei,[Str
erschütternd auf dem festlichen Lager des Vaters,
als auf ihn wuchtig auftreffend herabfuhr
des ganz ehernen Beiles Schneide.195
Arglist war es, die den Weg wies, Geilheit, die mordete,
die beide ein entsetzliches Gebilde entsetzlich
erzeugten – ob’s nun ein Gott war, ob der Sterblichen einer,
der dieses wirkte.200
EL.
O jener Tag, der mir als feindlichster,
feindlicher als alle Tage, kam!
O Nacht, o des unsäglichen Mahls
furchtbare Qualen,
bei welchem mein Vater205
[15]schimpflichen Tod sah von den Händen des Paars,
das mein Leben mir nahm,
mich verriet, mich zerstörte!
Mag der große Gott im Olymp
zur Vergeltung mit Leiden sie schlagen,210
und mögen sie niemals sich ihres Glanzes erfreuen,
die solche Werke verrichtet!
CH. Sei darauf bedacht, nicht weiterzureden![Gegenstr. 3
Erkennst du nicht, woraus
die jetzige Lage erwuchs? In eigenes Unheil215
stürzt du so schmählich?
Einen Großteil der Übel zogst du selbstverschuldet dir zu,
da du in deiner mutlosen Seele
immer Kriege gebierst! Dies Leid – mit den Mächtigen
kann man nicht streiten – ertrag es!220
EL.
Furchtbares zwang mich zu Furchtbarem!
Ich weiß es wohl, nicht ist mir verborgen mein hitziges Wesen.
Indes: