Meister Floh. Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen, Literaturhinweisen und Nachwort. E. T. A. Hoffmann

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Meister Floh. Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen, Literaturhinweisen und Nachwort - E. T. A. Hoffmann Reclams Universal-Bibliothek

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die Erfindung des Nachtmikroskops sowie überhaupt seine Geschicklichkeit im Verfertigen mikroskopischer Gläser ihn längstens festgestellt. Der Flohbändiger versicherte aber dagegen, dass ganz andre Dinge in jenen Künsteleien lägen und dass er sie nicht aufgeben könne, ohne sich selbst, seine ganze Existenz aufzugeben.

      »Wo ist aber Dörtje Elverdink?« – So fragte Pepusch, den Flohbändiger unterbrechend. »Wo sie ist«, kreischte der Flohbändiger, indem er die Hände rang, »wo Dörtje Elverdink ist? – Fort ist sie, fort in alle Welt – verschwunden. – Schlagt mich nur gleich tot, Pepusch, denn ich sehe schon, wie Euch immer mehr der Zorn kommt und die Wut. – Macht es kurz mit mir!« –

      »Da seht«, sprach Pepusch mit finsterm Blick, »da seht Ihr nun, was aus Eurer Torheit, aus Euerm albernen Treiben herauskommt. – Wer gab Euch das Recht, die arme Dörtje einzusperren wie eine Sklavin und dann wieder, um nur Leute anzulocken, sie im Prunk auszustellen wie ein naturhistorisches Wunder? – Warum tatet Ihr Gewalt an ihrer Neigung und ließet es nicht zu, dass sie mir die Hand gab, da Ihr doch bemerken musstet, wie innig wir uns liebten? – Entflohen ist sie? – Nun gut, so ist sie wenigstens nicht mehr in Eurer Gewalt, und weiß ich auch in diesem Augenblick nicht, wo ich sie suchen soll, so bin ich doch überzeugt, dass ich sie finden werde. Da, Leuwenhöck, setzt die [44]Perücke auf und ergebt Euch in Euer Geschick; das ist das Beste und Geratenste, was Ihr jetzt tun könnet.«

      Der Flohbändiger stutzte mit der linken Hand die Perücke auf das kahle Haupt, während er mit der rechten Pepusch beim Arm ergriff. »Pepusch«, sprach er, »Pepusch, Ihr seid mein wahrer Freund; denn Ihr seid der einzige Mensch in der ganzen Stadt Frankfurt, welcher weiß, dass ich begraben liege in der alten Kirche zu Delft seit dem Jahre eintausendsiebenhundertundfünfundzwanzig, und habt es doch noch niemanden verraten, selbst wenn Ihr auf mich zürntet wegen der Dörtje Elverdink. – Will es mir auch zuweilen nicht recht in den Kopf, dass ich wirklich jener Anton van Leuwenhöck bin, den man in Delft begraben, so muss ich es denn doch, betrachte ich meine Arbeiten und bedenke ich mein Leben, wiederum glauben, und es ist mir deshalb sehr angenehm, dass man davon überhaupt gar nicht spricht. – Ich sehe jetzt ein, liebster Pepusch, dass ich, was die Dörtje Elverdink betrifft, nicht recht gehandelt habe, wiewohl auf ganz andere Weise, als Ihr wohl meinen möget. Recht tat ich nämlich daran, dass ich Eure Bewerbungen für ein törichtes zweckloses Streben erklärte, Unrecht aber, dass ich nicht ganz offenherzig gegen Euch war, dass ich Euch nicht sagte, was es mit der Dörtje Elverdink eigentlich für eine Bewandtnis hat. Eingesehen hättet Ihr dann, wie löblich es war, Euch Wünsche aus dem Sinn zu reden, deren Erfüllung nicht anders als verderblich sein konnte. – Pepusch! setzt Euch zu mir und vernehmt eine wunderbare Historie!«

      »Das kann ich wohl tun«, erwiderte Pepusch mit giftigem Blick, indem er Platz nahm auf einem gepolsterten Lehnstuhl, dem Flohbändiger gegenüber. »Da«, begann der [45]Flohbändiger, »da Ihr, mein lieber Freund Pepusch, in der Geschichte wohl bewandert seid, so wisst Ihr ohne Zweifel, dass der König Sekakis viele Jahre hindurch mit der Blumenkönigin im vertraulichen Verhältnis lebte und dass die schöne anmutige Prinzessin Gamaheh die Frucht dieser Liebe war. Weniger bekannt dürft’ es sein, und auch ich kann es Euch nicht sagen, auf welche Weise Prinzessin Gamaheh nach Famagusta kam. Manche behaupten und nicht ohne Grund, dass die Prinzessin in Famagusta sich verbergen sollte vor dem widerlichen Egelprinzen, dem geschwornen Feinde der Blumenkönigin.

      Genug! – in Famagusta begab es sich, dass die Prinzessin einst in der erfrischenden Kühle des Abends lustwandelte und in ein dunkles anmutiges Zypressen-Wäldchen geriet. Verlockt von dem lieblichen Säuseln des Abendwindes, dem Murmeln des Bachs, dem melodischen Gezwitscher der Vögel, streckte die Prinzessin sich hin in das weiche duftige Moos und fiel bald in tiefen Schlaf. Gerade der Feind, dem sie hatte entgehen wollen, der hässliche Egelprinz streckte aber sein Haupt empor aus dem Schlammwasser, erblickte die Prinzessin und verliebte sich in die schöne Schläferin dermaßen, dass er dem Verlangen, sie zu küssen, nicht widerstehen konnte. Leise kroch er heran und küsste sie hinter das linke Ohr. Nun wisst Ihr aber wohl, Freund Pepusch, dass die Dame, die der Egelprinz zu küssen sich unterfängt, verloren, denn er ist der ärgste Blutsauger von der Welt. So geschah es denn auch, dass der Egelprinz die arme Prinzessin so lange küsste, bis alles Leben aus ihr geflohen war. Da fiel er ganz übersättigt und trunken ins Moos und musste von seinen Dienern, die sich schnell aus dem Schlamm hinanwälzten, nach Hause gebracht [46]werden. – Vergebens arbeitete sich die Wurzel Mandragora aus der Erde hervor, legte sich auf die Wunde, die der heimtückische Egelprinz der Prinzessin geküsst, vergebens erhoben sich auf das Wehgeschrei der Wurzel alle Blumen und stimmten ein in die trostlose Klage! Da geschah es, dass der Genius Thetel gerade des Weges kam; auch er wurde tief gerührt von Gamahehs Schönheit und ihrem unglücklichen Tode. Er nahm die Prinzessin in die Arme, drückte sie an seine Brust, mühte sich, ihr Leben einzuhauchen mit seinem Atem, aber sie erwachte nicht aus dem Todesschlaf. Da erblickte der Genius Thetel den abscheulichen Egelprinzen, den (so schwerfällig und trunken war er) die Diener nicht hatten hinunterschaffen können in den Palast, entbrannte in Zorn und warf eine ganze Faust voll Kristallsalz dem hässlichen Feinde auf den Leib, so dass er sogleich allen purpurnen Ichor, den er der Prinzessin Gamaheh ausgesogen, ausströmte und dann seinen Geist aufgab unter vielen Zuckungen und Grimassen, auf elendigliche Weise. Alle Blumen, die ringsum standen, tauchten aber ihre Kleider in diesen Ichor und färbten sie zum ewigen Andenken der ermordeten Prinzessin in ein solches herrliches Rot, wie es kein Maler auf Erden herauszubringen vermag. – Ihr wisst, Pepusch! dass die schönsten dunkelroten Nelken, Amaryllen und Cheiranthen eben aus jenem Zypressenwäldchen, wo der Egelprinz die schöne Gamaheh totküsste, herstammen. Der Genius Thetel wollte forteilen, da er noch vor Einbruch der Nacht in Samarkand viel zu tun hatte, noch einen Blick warf er aber auf die Prinzessin, blieb festgezaubert stehen und betrachtete sie mit der innigsten Wehmut. Da kam ihm plötzlich ein Gedanke. Statt weiterzugehen, nahm er die Prinzessin in die Arme und schwang [47]sich mit ihr hoch auf in die Lüfte. – Zu derselben Zeit beobachteten zwei weise Männer, von denen einer, nicht verschwiegen sei es, ich selbst war, auf der Galerie eines hohen Turmes den Lauf der Gestirne. Diese gewahrten hoch über sich den Genius Thetel mit der Prinzessin Gamaheh und in demselben Augenblick fiel auch dem einen – doch! das gehört für jetzt nicht zur Sache! – Beide Magier hatten zwar den Genius Thetel erkannt, nicht aber die Prinzessin, und erschöpften sich in allerlei Vermutungen, was die Erscheinung wohl zu bedeuten, ohne irgendetwas Gewisses oder auch nur Wahrscheinliches ergrübeln zu können. Bald darauf wurde aber das unglückliche Schicksal der Prinzessin Gamaheh in Famagusta allgemein bekannt, und nun wussten auch die Magier sich die Erscheinung des Genius Thetel mit dem Mädchen im Arm zu erklären.

      Beide vermuteten, dass der Genius Thetel gewiss noch ein Mittel gefunden haben müsse, die Prinzessin ins Leben zurückzurufen, und beschlossen in Samarkand Nachfrage zu halten, wohin er, ihrer Beobachtung nach, offenbar seinen Flug gerichtet hatte. In Samarkand war aber von der Prinzessin alles stille, niemand wusste ein Wort.

      Viele Jahre waren vergangen, die beiden Magier hatten sich entzweit, wie es wohl unter gelehrten Männern desto öfter zu geschehen pflegt, je gelehrter sie sind, und nur noch die wichtigsten Entdeckungen teilten sie sich aus alter eiserner Gewohnheit einander mit. – Ihr habt nicht vergessen, Pepusch, dass ich selbst einer dieser Magier bin. – Also, nicht wenig erstaunte ich über eine Mitteilung meines Kollegen, die über die Prinzessin Gamaheh das Wunderbarste und zugleich Glückseligste enthielt, was man nur hätte ahnen können. Die Sache verhielt sich folgendergestalt: Mein [48]Kollege hatte durch einen wissenschaftlichen Freund aus Samarkand die schönsten und seltensten Tulpen und so vollkommen frisch erhalten, als seien sie eben vom Stängel geschnitten. Es war ihm vorzüglich um die mikroskopische Untersuchung der innern Teile, und zwar des Blumenstaubes, zu tun. Er zergliederte deshalb eine schöne lila und gelb gefärbte Tulpe und entdeckte mitten in dem Kelch ein kleines fremdartiges Körnlein, welches ihm auffiel in ganz besonderer Weise. Wie groß war aber seine Verwunderung, als er mittelst Anwendung des Suchglases deutlich gewahrte, dass das kleine Körnlein nichts anders als die Prinzessin Gamaheh, die, in den Blumenstaub des Tulpenkelchs gebettet, ruhig und süß zu schlummern schien.

      Solch eine weite Strecke mich auch von meinem

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