Angelus Mortis. Theodor Hildebrand

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Angelus Mortis - Theodor Hildebrand

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zum Tor hinausfuhr!«

      »Wie kann es nur möglich sein, lieber Alfred«, erwiderte seine Frau, »dass du plötzlich so schlecht von deiner Vaterstadt sprichst? Hat Berlin denn auf einmal allen Reiz für dich verloren; du warst doch sonst immer so begeistert von ihr? Hat sich die Stadt wirklich so zum Schlechten verändert oder missfällt sie dir nur, weil sich unsere Lage geändert hat?«

      »Ich muss gestehen«, antwortete der Oberst, »dass ich alles, was mich sonst so sehr für diese Stadt eingenommen hat, jetzt kaum mehr sehen mag. Ich fühle, dass es mir unerträglich wäre, auch nur noch einen Tag länger in Berlin zu bleiben.«

      »Dann kannst du doch jetzt froh sein, dass wir die verhasste Stadt schon im Rücken haben. Ich wünsche dir jedenfalls von Herzen, dass du in einer anderen deine Ruhe wiederfinden wirst und alle unangenehmen Erinnerungen vergessen kannst!«

      »Von welcher Stadt sprichst du denn, mein Herz?«

      »Nun, von derjenigen, in der wir zukünftig wohnen werden. Wir befinden uns auf der Straße nach Potsdam, daher frage ich mich, ob du wohl nach Dresden oder nach Leipzig fahren möchtest. Oder hast du vielleicht eine noch weiter entfernte Stadt im Sinn?«

      »Ach, liebe Helene«, sagte der Oberst verlegen, »es fällt mir schwer, dich ganz mit dem Opfer bekannt zu machen, das du mir bringen sollst. Denkst du, ich verlasse Berlin, um in einer anderen Stadt zu wohnen? Gewiss nicht, denn in meiner Lage sehne ich mich nur nach Einsamkeit! Liebe Helene, ich hoffe, du wirst dich nicht über meinen grausamen Entschluss beklagen. Ich will nämlich eine abgelegene, ländliche Unterkunft suchen, wo nichts …«

      Eine plötzliche Röte überzog bei diesen Worten die schönen männlichen Züge des Obersts; er hielt mitten im Satz inne und sah Helene mit einem unbeschreiblichen Blick an, in dem die schmerzhaftesten Empfindungen nicht zu verkennen waren.

      Helene wäre hierüber vielleicht beunruhigt gewesen, wenn sie nicht geglaubt hätte, die Ursache für den Schmerz ihres Gatten zu kennen. Denn sie wusste ja, wie sehr ihm der Verlust des Geldes, vor allem ihret- und der Kinder wegen, zu Herzen ging; und sie wusste, wie sehr er sie liebte. Deshalb fürchtete sie, dass es ihm Kummer bereiten musste, sie mitten aus den Vergnügungen der großen Welt herauszureißen und ihr die Einsamkeit des Landlebens zuzumuten. Ohne daher weiter über Alfreds Verhalten nachzudenken, hielt sie sich bloß an den äußeren Schein und sagte, ihrem Gatten die Hand drückend:

      »Beruhige dich, lieber Alfred; es ist mir egal, welchen Winkel der Erde ich bewohne, wenn ich nur bei dir und meinen Kindern bin. Meine Pinsel und Farben sind hier in diesem Kästchen und meine Harfe wird mir nachgesandt: Was könnte mir da noch zu meinem Glück fehlen?«

      »Wirklich, teure Helene, du fürchtest dich nicht vor dem einsamen Landleben?«

      »Das wäre nur dann der Fall, wenn ich von den drei mir teuren Wesen getrennt wäre; doch sind wir zusammen, ist mein Glück stets vollkommen.«

      »Du weißt gar nicht, von welcher Sorge du mich damit befreist; denn ich glaube dir, dass du es ernst meinst! Um es frei herauszusagen, ich ertrage in meinem jetzigen Zustand wirklich nur die Einsamkeit und Zurückgezogenheit und sehne mich weg von allem Trubel des Lebens. Daher will ich versuchen, einen Zufluchtsort zu finden, der nicht so nahe bei der Stadt liegt, dass man uns belästigen wird, der aber auch nicht so weit entfernt ist, dass wir auf alle Annehmlichkeiten der Städte verzichten müssen; wobei ich insbesondere an die Hilfe der Arzneikunst denke, falls Wilhelm und Julie (die Namen ihrer beiden Kinder) einmal krank sein sollten.«

      »Und wo, Alfred, denkst du, diesen Zufluchtsort zu finden?«

      »In Böhmen, nicht weit von Prag.«

      »Es scheint mir aber, dass du bei allen deinen früheren Reisen noch nie in dieser Gegend gewesen bist. Kennst du denn jemanden in Böhmen und weißt du bereits, wo wir dort leben werden?«

      »Nein, durchaus nicht; ich habe mir Böhmen ja deshalb ausgesucht, weil ich dort völlig unbekannt bin; alles Weitere überlasse ich erst mal dem Zufall. Ich hoffe, dass meine Spur auf diese Weise völlig verloren gehen wird und ich somit keinen Belästigungen ausgesetzt sein werde … denn der Anblick von Menschen ist mir verhasst geworden. Ach, könnte ich doch nur die Vergangenheit aus meinem Gedächtnis streichen! Teure Helene, wie sehr wünschte ich, nur für dich gelebt zu haben!«

      Diese zärtlichen Worte, die Helene ihrer Natur nach nur angenehm sein konnten, brachten in ihrem Herzen jedoch eine genau entgegengesetzte Empfindung hervor. Der Ton, mit dem ihr Gemahl sie ausgesprochen hatte, schien einen bitteren Vorwurf gegen ihn selbst anzudeuten, und seine Physiognomie sagte dabei mehr aus als seine Worte. Helene liebte ihren Mann noch wie in den ersten Tagen ihrer Ehe; bis jetzt hatte sich in ihrem Herzen noch nie eine eifersüchtige Empfindung geregt, weil Alfreds Verhalten sie überzeugte, dass sie allein in seinen Gedanken herrschte; aber diese Ruhe konnte von einem Augenblick zum anderen getrübt werden. Helene hatte bis jetzt noch nie ernstlich darüber nachgedacht, welches Leben ihr Mann wohl vor der Bekanntschaft mit ihr geführt haben könnte; sie ging zwar davon aus, dass ein junger, hübscher Offizier sicherlich eine Menge verliebter Abenteuer gehabt haben musste; aber sie glaubte, dass Alfred nicht genügend Zeit gehabt hatte, sich Gefühlen hinzugeben, die erst dann gefährlich werden, wenn sie lange dauern.

      Was das anging, machte sich Helene also keine Sorgen; allerdings stieg jetzt der unglückliche Gedanke in ihr auf, dass vielleicht eine ältere Liebesintrige etwas mit der plötzlichen Abreise, die einer übereilten Flucht glich, zu tun haben könnte.

      Was immer auch Helene in dieser Hinsicht gedacht haben mochte, so hütete sie sich doch, diese Gedanken auszusprechen; sie versuchte vielmehr, sie zu unterdrücken, indem sie ein gleichgültiges Gespräch anfing. Hierbei kamen ihr die Fragen ihrer Kinder zu Hilfe, und Alfred, der sich über deren unschuldiges Geschwätz freute, versuchte, ihre Neugierde zu befriedigen. Der Oberst bemerkte indessen, dass die Miene seiner Gemahlin ernster und nachdenklicher geworden war; doch da er diesen Anschein von Kummer nur ihrer Abreise von Berlin zuschrieb, gab er sich alle Mühe, sie durch seine Zärtlichkeit wieder aufzuheitern, was ihm auch so gut gelang, dass Helene, von seiner Liebe zu ihr gerührt, all ihre leeren Mutmaßungen beiseite warf und sich ganz dem Glück überließ, mit ihrem Gatten und ihren Kindern leben zu können.

      Kaum war die Familie in Prag angekommen, verlor der Oberst keine Zeit, die einsame Bleibe zu suchen, nach der er sich von ganzem Herzen sehnte. Er wandte sich hierzu an einen Kommissionär, um zu erfahren, ob es abseits aller großen Straßen, aber doch nicht zu weit von der Stadt entfernt, eine ländliche Immobilie gab, die zur Vermietung oder zum Verkauf stand; und er hatte Glück, denn der Zufall entsprach hierbei völlig seinen Wünschen. Der Eigentümer des Schlosses R…, das in einer romantisch schönen und fruchtbaren Gegend, ungefähr zwei Stunden von Prag entfernt, lag, hatte schon seit längerer Zeit vergebens Liebhaber des Landlebens gesucht, aber bis jetzt noch keinen Mieter für das uralte Gebäude, welches er selber nicht bewohnte, finden können. Daher ging er auch gleich auf die Bedingungen des Obersts ein, nachdem dieser das Schloss, gleich nach Kenntnis dessen Vermietung, einer gründlichen Besichtigung unterzogen hatte. Entzückt von dessen Lage, die genau seinen Wünschen entsprach, setzte Alfred sogleich einen Mietvertrag in gehöriger Form auf und begab sich mit seiner Familie zu seinem neuen Zuhause. Die nötigen Möbel, einfach, aber bequem, nicht prächtig, aber geschmackvoll, hatte er in der Stadt gekauft und ließ sie unter Aufsicht eines alten Unteroffiziers von seinem Regiment nachkommen. Dieser Mann namens Werner, ebenfalls ein Deutscher, ein tapferer Soldat, war in Russland schon vor längerer Zeit mit einer kleinen Pension verabschiedet worden. Da Lobenthal ihm einst in einer Schlacht das Leben gerettet hatte, empfand Werner eine starke Verbundenheit zu seinem Oberst, die letztlich dazu führte, dass er in dessen Dienste trat, wobei er jedoch weniger die Rolle eines Bedienten als

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