Angelus Mortis. Theodor Hildebrand

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Angelus Mortis - Theodor Hildebrand

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verlassen werden. Kann es nicht vielmehr sein, dass diese Dame Schicksalsschläge erlitten hat? Oder schämt sie sich vielleicht, in der Welt auf einem niedrigeren Fuße zu leben, als ihr früher ihrem Rang nach zukam? Und wird wohl eine heutige Sirene mitten im Wald, fern von jeder Straße ihren Aufenthalt wählen? Wird sie sich nicht vielmehr den Orten nähern, die häufig von Reisenden besucht werden? Nein, mein lieber Werner, dein Verdacht ist ungerecht; man sollte von seinem Nächsten nichts Übles denken, solange keine triftigen Gründe dazu vorhanden sind.«

      Werner erwiderte nichts, aber er schien keineswegs überzeugt zu sein. Ihm diente seine Erfahrung als Richtschnur, wonach er alles beurteilen zu können glaubte, was ihm begegnete.

      Der folgende Tag war außerordentlich schön. Gegen Abend gingen die Kinder unter Werners Aufsicht spazieren, und der Zufall führte sie zum nahe gelegenen Wald, während Helene selbst sich nicht so weit vom Schloss entfernte, sondern nur bis zum Dorf hinunterging, wo sie mit den Landbewohnern, denen sie begegnete, von der nahe bevorstehenden Ernte plauderte. Alle erzählten ihr aber von der fremden Dame; ihre Ankunft hatte die allgemeine Neugier gereizt und man beobachtete daher jeden ihrer Schritte. Man wusste, dass sie gegen Abend ihre Wohnung verließ, um in der Umgegend spazieren zu gehen; solange aber die Sonne noch am Himmel stand, zeigte sie sich nur höchst selten. Den ganzen Tag brachte sie in einem Zimmer ihres oberen Stockwerks zu, wo niemand sie zu sehen bekam. Ihr alter Bedienter verrichtete sämtliche Geschäfte des Hauswesens, aber er sah stets so mürrisch aus, dass man keine Lust verspürte, eine Unterhaltung mit ihm anzuknüpfen, wenn er dann und wann ins Dorf kam, um etwas einzukaufen.

      Je mehr Helene über die Unbekannte hörte, desto fester nahm sie sich vor, sie kennenzulernen; denn trotz all ihrer vortrefflichen Eigenschaften war die Frau Oberstin doch immer noch eine Tochter unserer gemeinsamen Stammmutter Eva. Allerdings wusste sie ihren geheimen Wunsch unter einer scheinbar großen Gleichgültigkeit zu verbergen, und als es finster zu werden begann, kehrte sie zum Schloss zurück.

      Sobald ihre Kinder sie erblickten, liefen sie ihr voller Freude entgegen. »Ach, Mutter, liebe Mutter!«, riefen beide zugleich. »Wir haben die schöne unbekannte Dame gesehen und mit ihr gesprochen. Sie hat uns diese schönen Blumenkränze geschenkt. Ach, wie gut und wie hübsch sie ist!«

      Dieses unverhoffte Zusammentreffen und die Worte ihrer Kinder reizten Helenes Neugierde noch mehr. »Still, liebe Kinder«, sagte sie, »sprecht nicht beide zugleich; eines von euch soll mir erzählen, was vorgefallen ist, und das andere kann dann nachholen, was das erste vielleicht vergessen hat.«

      Dieser Vorschlag war zwar ganz angemessen, aber nicht frei von Schwierigkeiten, was seine Ausführung anging. Julie, ein höchst lebhaftes, niedliches Mädchen, schien nicht geneigt, ihrem Bruder das Wort zu überlassen, der seinerseits wieder das Recht des Älteren in Anspruch nahm, um der Erzähler des kleinen Abenteuers zu sein. Hieraus entstand ein ernsthafter Streit. Helene versuchte anfangs vergebens den Weg der Güte: Sie drang nicht durch, weil Julie sprechen und Wilhelm nicht schweigen wollte. Die Mutter sah sich endlich genötigt, ihre ganze Autorität zu gebrauchen, und ein bestimmter Befehl legte dem kleinen Mädchen Stillschweigen auf. Julie nahm nun eine schmollende Miene an und setzte sich in einen Winkel des Zimmers, wo sie ihr niedliches Gesichtchen in den Händen verbarg und dabei versicherte, dass ihr Bruder falsch erzähle, dass sie aber gewiss den Mund nicht öffnen werde, um ihn zu berichtigen.

      Wilhelm, stolz auf die Auszeichnung, die ihm seine Mutter zuteilwerden ließ, stellte sich lächelnd vor sie hin und fing nun seine Erzählung an: »Ich hatte Lust, liebe Mutter, in das Tal hinabzugehen, um einige von den schönen Blumen, die dort so reichlich auf der Wiese wachsen, zu pflücken. Ich bat daher unseren Werner, uns dorthin zu führen, und er willigte ein; wir waren aber kaum einige Augenblicke da, so lief auch schon Julie, die niemals ruhig bleiben kann, mit allen Kräften auf den Wald zu.«

      »Das ist nicht wahr!«, rief Julie, voll Ärger über die Beschuldigung ihres Bruders. »Ich verfolgte einen schönen, bunten Schmetterling und du tatest dasselbe. — Siehst du wohl, liebe Mutter, dass du von Wilhelm nichts Ordentliches erfahren wirst? Daher will ich dir lieber erzählen, was geschehen ist, denn mit mir hat ja die Dame zuerst gesprochen.«

      »Ich habe dir befohlen zu schweigen«, antwortete die Mutter sanft, aber ernsthaft; »und ich will, dass du mir gehorchst. Dass ich also meinen Befehl nicht zum dritten Mal wiederholen muss!«

      Die Strenge dieser Worte, die doch so wenig der Liebe Helenes zu ihrem niedlichen Töchterchen entsprach, verursachte der Kleinen so viel Schmerz, dass Julie in einen Strom von Tränen ausbrach und ihrer Mutter ihre kleinen Arme um den Hals warf. Helene sah nun ein, dass sie sich zu streng gezeigt hatte, und ohne ein Wort zu sagen, streichelte sie mit ihrer Hand die schönen blonden Locken ihrer Tochter und drückte dann einen Kuss auf ihre Stirn, worauf sich die Heiterkeit bei derselben sogleich wieder einstellte. Indessen fuhr Wilhelm in seiner Erzählung fort. Er berichtete, wie die fremde Dame plötzlich vor seinen erstaunten Blicken erschienen sei, während er gerade seiner Schwester habe nacheilen wollen, die mitten ins dickste Gebüsch gelaufen sei; wie Julie die Hand der fremden Dame gehalten habe und diese sich dann zu ihren Spielen gesellte, »obgleich sie«, bemerkte der Knabe, »die Fröhlichkeit nicht gerade zu lieben scheint. Sie war immer ernsthaft, und das laute Gelächter Julies, womit sie immer sehr freigebig ist, schien ihr sogar ein gewisses Unbehagen zu verursachen. Aber sie behandelte uns mit einer außerordentlichen Güte. Werner, der eigentlich schon längst mit uns nach Hause zurückkehren wollte, musste sich noch sehr gedulden, denn die Fremde wollte gar nicht damit aufhören, immer noch einige Blumen zu den Kränzen hinzuzufügen, die sie für uns wand. Sie ist wirklich erstaunlich geschickt; nur weiß ich nicht, warum sie beständig einen Handschuh an der linken Hand trägt; das muss ihr doch sehr beschwerlich sein. Julie wollte ihn ihr abziehen, aber sie hinderte sie mit einer sehr heftigen Bewegung daran und warf ihr zugleich einen Blick zu, der mich und meine Schwester in Schrecken versetzte; so böse schien er uns zu sein.«

      Diese Erzählung wurde in allen Punkten von dem kleinen Mädchen bestätigt, das sich nun beeilte, das Wort zu ergreifen. Julie fügte noch eine Menge Einzelheiten hinzu und erzählte ihrer Mutter, dass die hübsche Dame ihr mitten im Gebüsch so plötzlich erschienen sei, als wenn sie aus der Erde hervorgekommen wäre.

      »Ich erschrak anfangs sehr«, fuhr Julie fort, »und als die Dame es bemerkte, schien sie darüber sehr bekümmert zu sein. Sie kam dann lächelnd auf mich zu und ihre freundlichen Worte machten mich bald mutiger. Übrigens hat sie mir nicht einmal die kleinste Frage gestellt, was doch sonst eigentlich alle tun, die mich zum ersten Mal sehen; sie sprach nur von unseren Spielen und Vergnügungen und wie sehr sie meine Freundin zu werden wünschte. Dich und Papa hat sie mit keinem Wort erwähnt.«

      Werner, der nun ebenfalls befragt wurde, bestätigte alles, was die Kinder gesagt hatten. Aber über seinem ganzen Wesen schien eine große Verwirrtheit zu liegen, die er vergebens zu verbergen versuchte; sie wurde gegen seinen Willen so sichtbar, dass Helene aufmerksam werden musste.

      »Nun, Werner«, sagte sie, »wie es scheint, bist du nicht so sehr für die fremde Dame eingenommen wie Wilhelm und Julie. Hegst du noch immer dein früheres Misstrauen gegen sie oder hast du sie vielleicht gar wiedererkannt?«

      »Ich, sie wiedererkannt haben?«, rief der alte Soldat, dessen Gesicht in diesem Augenblick alle Farbe verlor. »Ich wüsste nicht, Frau Oberstin, wie mein Betragen sie zu solch einer Vermutung veranlassen könnte. Ich kenne diese Person nicht; aber dennoch bleibe ich bei meiner Meinung, dass ihr Erscheinen an diesem Ort und zu dieser Jahreszeit zu ungewöhnlich ist, um sich etwas Gutes davon zu versprechen. Wenn Sie meinem Rat folgen wollten, würden sie ihren Kindern nicht erlauben, bekannter und vertrauter mit ihr zu werden. Was die Erlaubnis betrifft, dass diese Unbekannte ihren Fuß über die Schwelle des Schlosses setzt, wissen Sie selbst, was sie zu tun haben. Doch wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich nicht einmal zulassen, dass sie auch nur den Hof überschreitet.«

      »Um so streng mit

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