Angelus Mortis. Theodor Hildebrand

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Angelus Mortis - Theodor Hildebrand

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durchaus sein kann. Aber da du sie heute zum ersten Mal gesehen hast, da deine Abneigung ihr gegenüber gar keinen triftigen Grund hat, werde ich mich in meinem Verhalten ganz von den üblichen Gepflogenheiten leiten lassen. Dennoch bin ich fest entschlossen, mein lieber Werner, auf deinen Rat zu hören, falls du irgendetwas über diese Dame weißt, was einem Umgang mit ihr entgegenstehen könnte.«

      Werner schien einen Augenblick lang unsicher zu sein, was er der Oberstin antworten sollte; plötzlich hörte diese Unsicherheit jedoch auf, und er versicherte darauf mit fester Stimme, dass seine Furcht nur auf Vorurteilen beruhe, die fremde Dame ihm völlig unbekannt sei und seine Herrschaft jegliches Recht habe, zu handeln, wie es ihr beliebe.

      Helene kannte die edle Freimütigkeit des alten Soldaten und zweifelte nicht an der Wahrheit dessen, was er sagte. Sie schrieb sein Misstrauen der natürlichen Bedächtigkeit derjenigen zu, die in der Welt viel gesehen und erfahren haben; das Böse hat sich ihnen in allen Gestalten gezeigt, und sie fürchten stets, es da anzutreffen, wo der Anschein es am wenigsten vermuten lässt. Nur in der Zurückgezogenheit lernt das menschliche Herz, sich einem Vertrauen zu überlassen, das noch durch nichts getäuscht wurde; der häufige Umgang mit Menschen lehrt es jedoch, sie zu fürchten.

      Indem Werner der Oberstin versicherte, dass die fremde Dame ihm unbekannt sei, sagte er bewusst die Unwahrheit. So auffallende Gesichtszüge konnten bei ihm unmöglich in Vergessenheit geraten; er wusste, wie sehr diejenige, welche damit geschmückt war, die zärtlichsten Gefühle zu wecken vermochte, und er fürchtete sich schon jetzt vor einem Zusammentreffen, das die schrecklichsten Stürme für die Zukunft erwarten ließ. Aber sollte er unter diesen Umständen die Ruhe seiner ahnungslosen Herrin vergiften? War es nötig, in ihrem Herzen die verzehrenden Flammen der Eifersucht zu entfachen? Unglücklicherweise gibt es Situationen im menschlichen Leben, in denen es notwendig ist, die Wahrheit zu verschweigen und mit der Lüge ins Bündnis zu treten, um größeren Übeln vorzubeugen. Eine von diesen Situationen war nun eingetreten, und obwohl Werner ihr nur ungern seine Liebe zur Wahrheit opferte, sah er doch letztlich keine andere Möglichkeit, als der Oberstin zu verschweigen, was er wusste. Wie sehr wünschte er sich die Nacht herbei, um ruhig über diese schwierige Lage nachdenken zu können. Er war sich bewusst, wie wichtig es war, sich nichts von seiner inneren Unruhe anmerken zu lassen; denn wenn sich erst ein Verdacht im Busen der Oberstin regte, zu welch peinlichen Auftritten konnte das führen! Er riss sich daher zusammen und wachte selbst so streng über sich, dass Helene in seinen Gesichtszügen nichts Ungewöhnliches zu entdecken vermochte.

      Es war schon nach elf Uhr abends, als Werner endlich wieder in sein Zimmer trat. Schnell ging er zu seinem Schreibtisch, um seinem Herrn zu schreiben, was sich zugetragen hatte.

       »Wie groß wird Ihr Erstaunen sein, Herr Oberst, wenn Sie erfahren, dass Lodoiska jetzt hier in R… ist und in direkter Nachbarschaft zum Schloss wohnt. Was will sie hier, jetzt, nachdem so viele Jahre vergangen sind? Was hegt sie für Absichten? Diese Fragen kann ich Ihnen nicht beantworten. Sie hat mich nicht erkannt, zumindest gab ihr Verhalten nichts preis, was etwas anderes vermuten ließe. Lassen Sie mir jetzt Ihre Befehle zukommen und ich werde sie ohne Verzug ausführen. Wollen Sie sie wiedersehen und sich eine Zusammenkunft mit ihr verschaffen, um ihre Absichten zu erfahren? Oder ziehen Sie es vor, dass die Frau Oberstin und Ihre Kinder diese Gegend hier augenblicklich verlassen? Dies wäre vielleicht der beste Weg, den Sie einschlagen könnten. Doch eines steht fest, solange diese Lodoiska lebt, oder wenigstens, solange Sie von dieser Frau und ihren Vorwürfen verfolgt werden, können Sie weder glücklich werden noch Ruhe finden.«

      Als Werner diese letzten Worte niedergeschrieben hatte, erschauderte er unwillkürlich; denn es schien ihm, als höre er hinter sich das Geräusch raschelnder Kleidung und spüre den Atem einer Person, die sich über ihn beugt, um zu lesen, was er gerade geschrieben hatte. Die Täuschung war so vollkommen, dass er nicht daran zweifelte, die Oberstin befinde sich dicht hinter ihm, und voller Schrecken hierüber, wagte er anfangs weder die Augen zu öffnen noch den Kopf zu drehen. Als sich nach Ablauf von einer Minute aber noch immer kein neues Geräusch vernehmen ließ, blickte er sich um und musste feststellen, dass er sich geirrt hatte. Kein lebendiges Wesen war in seinem Zimmer zu sehen und die tiefste Stille herrschte überall, nur dann und wann von dem Geschrei einer einsamen Eule unterbrochen, die in dem alten Turm des Schlosses nistete. Die Gewissheit, dass die Oberstin seinen Brief nicht gelesen hatte, ließ ihn eine große Erleichterung verspüren. Er verschloss sein Zimmer gewissenhaft und versuchte nun, sich einem erquickenden Schlaf zu überlassen; doch es gelang ihm nicht. Die geheimnisvolle Lodoiska ging ihm nicht aus dem Sinn, und in seinem Zorn auf sie fluchte er so laut, als ob er eine Abteilung Rekruten zu exerzieren hätte. Erst spät in der Nacht schlossen sich seine Augen und der Mensch in ihm lebte nur noch durch seine nächtlichen Beziehungen mit den himmlischen Geistern fort.

      Für gewöhnlich war Werner schon auf den Beinen, noch bevor sich der erste Schimmer der Morgenröte am Firmament zeigte; diesmal aber stand die Sonne schon über den umliegenden Hügeln, als der alte Unteroffizier plötzlich aus dem Schlaf aufschreckte und über die Art von Bewusstlosigkeit, in der er gewesen zu sein schien, erstaunte. Zweifellos hatte man schon ohne ihn mit der Arbeit auf dem Feld begonnen. Voller Scham über diesen Fehler zog er sich schnell an und eilte hinunter in den Hof; dort angekommen fiel ihm jedoch ein, dass er den wichtigen Brief an seinen Herrn auf dem Schreibtisch vergessen hatte, und da seine Klugheit ihm riet, denselben nicht vor jedermanns Augen herumliegen zu lassen, kehrte er schnell in sein Zimmer zurück, um das Schreiben an sich zu nehmen und es später dem Boten, der täglich zur Stadt ging, zur Aufgabe bei der Post mitzugeben.

      Doch der Brief befand sich nicht mehr an dem Ort, wo Werner ihn hatte liegen lassen. Er lag, in tausend Stücke zerrissen, auf dem Fußboden verstreut. Dieser ebenso sehr überraschende wie erschütternde Anblick entriss Werner einen lauten Aufschrei und versetzte ihn dann in ein peinliches Nachdenken. Wer konnte das Schreiben zerrissen haben? Wer war innerhalb so weniger Augenblicke in seinem Zimmer gewesen, um dort eine solche Unverschämtheit zu begehen? Sollte es die Oberstin, Lisette oder gar das Hausmädchen gewesen sein? Nur diese drei Personen konnten schon um diese Zeit aufgestanden sein. Er erinnerte sich, dass er das Hausmädchen auf dem Hof gesehen hatte; auch erblickte er Lisette durch das Fenster in der Küche, die gerade mit ihren Arbeiten beschäftigt war, und die Oberstin schien noch gar nicht aufgestanden zu sein, wie die geschlossenen Fensterläden ihres Zimmers zeigten. Kurz, er wusste nicht, was er von diesem außerordentlichen Vorfall halten sollte. Da er es nicht über sich brachte, den Brief sogleich von Neuem zu schreiben, sammelte er zunächst nur die Papierschnipsel vom Boden auf und übergab sie dem Feuer.

      Den ganzen Tag über befand sich Werner in einer äußerst peinlichen Stimmung. Obwohl er überzeugt war, dass die Oberstin sein Zimmer nicht betreten hatte, fühlte er doch eine große Verlegenheit, als er heute zum ersten Mal in ihre Nähe kam. Doch trotz dieser Schwäche, die er zu unterdrücken versuchte, fasste er sogar den Mut, in den Gesichtszügen Helenes nach außergewöhnlichen Regungen zu forschen; aber diese waren so ruhig, dass unmöglich davon auszugehen war, dass sie Kenntnis von dem für sie verstörenden Inhalt des Briefes erlangt hatte. Werners Erstaunen wurde nun immer größer und er verlor sich vergebens in allerhand Vermutungen; höchst unangenehm aber war es ihm, als die Kinder ihn baten, sie wieder wie gestern zum Wald hinunterzuführen, weil sie hofften, ihre neue Freundin, wie sie die Fremde nannten, wiederzusehen.

      Gerne hätte Werner es ihnen abgeschlagen; aber die Oberstin war zugegen, und ehe er noch ein Wort dazu sagen konnte, hatte sie schon ihre Einwilligung gegeben. Die Klugheit gebot ihm, sich nichts von seinen wahren Gedanken anmerken zu lassen, um bei der Gemahlin seines Obersts weder Argwohn noch Furcht zu erregen. Daher stieg er mit zurückgehaltenem Unwillen langsam den Hügel hinab, dem Ort entgegen, an dem sie die Fremde schon einmal getroffen hatten.

      Kaum befanden sie sich am Saum des Waldes, als Lodoiska plötzlich aus dem Gebüsch hervortrat, in ihren Händen ein paar Federbälle und eine schöne Puppe haltend, die sie für die Kinder mitgebracht hatte. Sobald die beiden ihre neue Freundin

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