Angelus Mortis. Theodor Hildebrand

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Angelus Mortis - Theodor Hildebrand

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mit ihm sprach, zog er den Brief aus der Tasche und warf noch zufällig einen Blick darauf, ehe er ihn übergab. Doch was er nun sah, machte ihn schier fassungslos … denn das Papier war mit großen Blutstropfen befleckt, sodass nicht einmal mehr die Aufschrift zu entziffern war! —

      Unwillkürlich presste sich ein Schrei aus der Kehle des zutiefst erschrockenen Soldaten. Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen; unbeweglich stand er da, den Brief zwischen den Fingern hin- und herdrehend, ohne noch immer zu begreifen, was er in den Händen hielt. Dann kehrte er schnell seine Tasche um, aber sie war völlig rein, ohne auch nur die geringste Spur von Blut aufzuweisen. Hastig eilte er ins Schloss zurück auf sein Zimmer, um den Kasten zu untersuchen, in dem der Brief gelegen hatte; aber auch hier fand sich nichts, was das Papier beschmutzt haben könnte. Wie erstarrt stand Werner nun in seinem Zimmer, ohne noch einen klaren Gedanken fassen zu können; doch schon bald erholte er sich wieder und ohne Zeitverlust schrieb er den Brief nun zum dritten Mal. Zwar kürzte er ihn ab, aber sein Inhalt war desto dringender, und sobald er fertig war, übergab er ihn dem Boten, den er zur größeren Sicherheit noch ein gutes Stück weit begleitete.

      Werner besaß Mut, aber dennoch konnte er sich jetzt einer gewissen abergläubischen Furcht nicht erwehren. Mit der größten Unruhe erinnerte er sich an die Erzählungen, die er in Russland und vor allem in der Moldau und Walachei gehört hatte, als er sich mit seinem Regiment dort aufhielt; an die Sagen von Menschen, die ihre Seele dem Teufel verkauft hatten und dadurch eine übernatürliche Macht zum Schaden ihrer Mitmenschen erlangten. All jene Märchen fielen ihm jetzt wieder ein, und das, was er soeben erlebt hatte, verleitete ihn sogar zu dem Glauben, dass Lodoiska sich durch ein solches Bündnis eine ähnliche Macht verschafft haben könnte. Doch schon bald verwarf er diese Gedanken wieder. »Was für ein Tor ich doch bin«, sagte er zu sich selbst, »an solchen Unsinn zu glauben. In der Moldau und Walachei mag so etwas angehen, da dort ohnehin nur Barbaren wohnen; aber in Deutschland hat der Teufel schon lange sein Recht verloren oder es bloß den Taschenspielern überlassen; das sind die Einzigen, die bei uns noch für ihn arbeiten, und vielleicht ist Mamsell Lodoiska eine solch geschickte Taschenspielerin. Aber sie mag sich in Acht nehmen; denn es würde ihr übel ergehen, wenn ich sie einmal auf frischer Tat ertappen sollte.«

      Nachdem er hierauf einer Flasche mit gutem alten Rum, die auf seinem Tisch stand, einen Besuch abgestattet hatte, vergrößerte sich sein Mut noch und er nahm sich vor, seine Wachsamkeit künftig zu verdoppeln, um herauszufinden, wodurch sich Lodoiskas Einfluss bis ins Schloss erstreckte. In der Hoffnung, recht bald vom Oberst Antwort zu erhalten, ging er dann wieder seinen gewöhnlichen Geschäften nach.

      Die Einsamkeit, in der die Familie Lobenthal im Schloss R… lebte, ging indessen nicht so weit, dass sie nicht von Zeit zu Zeit durch einige Besuche unterbrochen worden wäre, welche die auf den umliegenden Gütern wohnenden Herrschaften im Schloss abstatteten. Sie wurden stets mit großer Höflichkeit und Gastfreundschaft empfangen und Helene sah sie sogar mit Vergnügen, besonders seitdem ihr Gatte abwesend war; denn sie bedurfte der Zerstreuung jetzt mehr als früher und fand sie im Umgang mit den Nachbarn. Daher war es auch nicht ungewöhnlich, als noch am selben Tag, nachmittags um zwei Uhr, ein alter Edelmann aus der Nachbarschaft im Schloss eintraf, der früher Oberjägermeister gewesen war, jetzt aber ruhig sein Feld bestellen ließ.

      Herr von Krauthof war ein großer Esser und ein erprobter Trinker, der seine freie Zeit fast ausschließlich mit Besuchen zubrachte und dabei weder die Schlösser der Herrschaften noch die Häuser der Pächter verschmähte. Seine vorzüglichste Eigenschaft bestand darin, stundenlang nichts als Komplimente herzusagen; und nachdem er diesem wichtigen Ritual auch heute wieder beim Eintritt in Helenes Zimmer Genüge getan hatte, kam er endlich auf einen Gegenstand zu sprechen, der uns hier näher angeht.

      »Nun, Frau Oberstin«, fuhr er im Fluss seiner Rede fort, »sie haben ja eine liebenswürdige Nachbarin bekommen. Ich sage: liebenswürdig, obgleich ich nicht recht weiß, warum; denn mich hat sie mit einer verzweifelten Strenge behandelt. Erst am vergangenen Dienstag erfuhr ich, dass sich hier in der Gegend eine fremde Dame niedergelassen hat, deren Schönheit allgemein gelobt wird; ich hielt es daher für meine Pflicht, ihr sogleich einen Besuch abzustatten, nicht zuletzt, um ihr einen guten Eindruck von unseren hiesigen Herren zu vermitteln. Gestern also begab ich mich zu dem Häuschen im Wald, meinen Regenschirm unter dem Arm, weil man dem Wetter derzeit ebenso wenig trauen kann wie den Menschen. Als ich ankam, war die Haustür verschlossen. Ich fand dies nicht ungewöhnlich, weil ja ein jeder in seinem Hause Herr sein will; ich klopfte daher an und man öffnete. Schon war ich im Begriff einzutreten, als ich plötzlich ein wahres Gespenst vor mir sah, das mir den Weg versperrte. Stellen sie sich den größten und zugleich den magersten aller Menschen vor: ein Gesicht wie ein Jesuit, Augen wie eine Eule und eine Miene, als wenn er eher ein Bewohner jener als dieser Welt wäre; eine raue und hohle Stimme, eine Manier wie ein Holzblock und einen völlig verpesteten Atem.

      ›Was wollen sie hier?‹, fragte er mich, ohne weiter irgendeine Höflichkeitsformel hinzuzusetzen.

      Diese unartige Frage überraschte mich zwar ein wenig, da sich aber ein Edelmann aus altem Geschlecht so leicht nicht in Verlegenheit bringen lässt, so antwortete ich ihm:

      ›Ich bin ein Edelmann aus der Nachbarschaft, der deiner Herrschaft seine Hochachtung erweisen will und daher bei ihr vorgelassen werden möchte.‹ — Nach dieser artigen Rede hatte ich einiges Recht zu glauben, dass ich sogleich Zutritt bei der Dame erhalten würde; aber ich irrte mich gewaltig, wie sie gleich hören werden. Denn dieser neue Zerberus nahm auf meine Höflichkeit gar keine Rücksicht.

      ›Ich kann sie nicht einlassen‹, antwortete er mir, ›denn meine Herrschaft ist stets mit Geschäften überhäuft und hat keine Zeit, Besuche zu empfangen. Sie ist nicht hierhergekommen, um Gesellschaft zu suchen, und sie würden auch beim nächsten Mal vergebens hierherkommen.‹

      So sprach der grobe Mensch, und ohne meine Antwort abzuwarten, trat er einen Schritt zurück und schlug mir mit heftigem Geräusch die Tür vor der Nase zu. Ich würde nicht imstande sein, ihnen meinen Ärger hierüber der Wahrheit gemäß zu schildern. Natürlich entfernte ich mich sogleich voller Verachtung von diesem ungastfreundlichen Haus und fasste den festen Vorsatz, alle meine Nachbarn vor einem gleichen Schicksal zu warnen, falls es ihnen etwa einfallen sollte, den hergebrachten Formen der Höflichkeit nachzukommen.«

      Diese Erzählung belustigte Helene sehr; sie nahm sich jedoch vor, sich keinesfalls einer ähnlichen Ablehnung auszusetzen, so groß auch ihr Wunsch war, die geheimnisvolle Fremde kennenzulernen. Sie hoffte, ihr auf einem Spaziergang mit ihren Kindern zu begegnen; für jetzt tadelte sie aber hart die Unhöflichkeit des Bedienten, indem sie die Bemerkung machte, dass Herr von Krauthof ihm ohne Zweifel völlig unbekannt gewesen sein müsse; denn, setzte sie hinzu, hätte er gewusst, mit wem er die Ehre gehabt hatte, zu sprechen, würde er sich einer solchen Grobheit gewiss nicht schuldig gemacht haben.

      Der ehemalige Oberjägermeister wurde durch dieses, aus einem so schönen Mund hervorgegangene Kompliment beinahe völlig für sein Missgeschick getröstet, und um es desto besser zu vergessen, beeilte er sich, eine andere Unterhaltung aufs Tapet zu bringen. Er fing an, von Politik zu sprechen. Helene wusste, dass man dem Strom seiner Rede bei diesem Thema freien Lauf lassen musste und er ganz entzückt diejenigen Häuser verließ, wo man ihn, ohne ihn zu unterbrechen, anhörte. Auch sprach er heute so ganz nach Herzenslust, der gute Mann! Ihm war nichts unbekannt, alle Geheimnisse der Höfe lagen offen vor ihm; er setzte Minister ab und schuf neue; er sagte den Gang der politischen Ereignisse voraus, kurz, er spielte eine ganze Stunde lang den Gesetzgeber von ganz Europa. Helene hörte ihm mit einem Anschein von Teilnahme zu, die ihn ganz bezauberte, und voller Zufriedenheit verließ er das Schloss, um einen benachbarten Grafen zu besuchen, wo er im Lob der Oberstin unerschöpflich war.

      »Alles gut und schön«, entgegnete man ihm dort; »aber von welcher Familie stammt sie ab? — Sie und ihr Mann, mein Bester, sind Emporkömmlinge, und als solche werden sie immer nur ehrliche Bürgersleute bleiben, was doch wahrhaftig nicht viel ist!«

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