Unabwendbare Zufälligkeiten. Inge Borg

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Unabwendbare Zufälligkeiten - Inge Borg

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hörte schon nicht mehr so richtig hin und überlegte laut: „Dann werde ich wahrscheinlich nicht drum herum kommen ein neues Verbotsschild zu kaufen, gehe morgen mal in Bergers-Markt.“ Sie sah ihren Sohn an und schlug vor: „Wir sollten aber vielleicht trotzdem erst mal nachsehen, ob die Schilder am Parkplatz noch einwandfrei zu lesen sind oder inzwischen durch Sträucher verdeckt werden. Zu blöd, dass es immer wieder Leute gibt die mein und dein nicht unterscheiden können. Wie sieht es denn überhaupt aus, müssten wir nicht längst wieder die wilden Gewächse schlagen und zum Verbrennen sammeln?“

      „Dazu ist es jetzt zu spät, oder zu früh, Mama. Erst müssen die Enten und Vögel flügge sein, die letzten ihre Nester verlassen haben. In fünf oder sechs Wochen geht das frühestens. Bis zum Steg ist alles sauber und der Pfad ist frei, jedenfalls bis hinterm Parkplatz, weiter hab ich mich natürlich nicht umgesehen, konnte ja nicht ahnen was da auf uns zukommt. Es eilt also nicht.“

      „Was? Wer hat denn das Stück Pfad sauber gemacht, und sogar hinter Schmitz? Die doch ganz bestimmt nicht“, sagte Susanne erstaunt.

      Michael hob die Schultern. „Wenn wir das wüssten Mama, dann wüssten wir wahrscheinlich auch, wer das Schild geklaut hat!“ Auch wenn er vorläufig noch nicht so recht den Sinn dafür erkennen konnte, außer vielleicht: Wegen unerlaubtem Angeln? Wofür sonst? Eines war ihm vollkommen klar: „Unser Schild ist geklaut! Glaub‘s mir, Mama.“

      Susanne hielt das von ihrem verstorbenen Mann so geliebte Endgrundstück am Fluss hoch in Ehren, auch wenn sie sich seit Jahren eher selten dort aufhielt. Da waren so viele Erinnerungen, die sie immer noch traurig stimmten. Ich muss mich endlich wieder kümmern, nicht alles Micha überlassen, entschloss sie sich und schüttelte den Kopf, welch ein verrückter Tag.

      Damals, als die Gemeinde das breite Flussufer den wenigen anliegenden Grundstückbesitzern zum Kauf anbot, griff Mark Schnells sofort zu, das kam ihm vor wie gesucht und gefunden. Ein Stück eigener Fluss, die Füße hinein baumeln lassen und angeln. Sogar das Stück hinter dem Weber-Besitz kaufte er mit, denn die allein stehende Frau Weber sah keine Verwendung dafür. Im Gemeindebüro begrüßte man es, dass in der abseits gelegenen Kleinsiedlung Bergstraße Interesse für die Uferstücke bestand. Es wurde sogar an der etwa 900 Meter langen, sich windenden Wiesen- und Ackerstrecke unmittelbar am Fluss entlang, ein Fußweg eingerichtet. Allerdings entwickelte der sich inzwischen mehr und mehr zu einem Trampelpfad. Und damit dieser Weg nicht nur von den Anliegern genutzt werden konnte, wurde an der Straße ein kleiner Parkplatz geebnet, direkt angrenzend an das Anwesen der Familie Schmitz. Es gab damit nicht nur für Anlieger die Möglichkeit, entlang dem Fluss die Haupt-Ortschaft fußläufig zu erreichen, sondern auch für Jedermann, Ausflügler oder Spaziergänger. Der Parkplatz wurde zwar nur grob mit Schotter aufgefüllt, er war auch schon längst mit Gras und Moos überwuchert, aber das störte die seltenen Besucher, ebenso Angler und Schwimmer, die ab und an von außerhalb gerne diese Möglichkeiten nutzten, nicht. Hinweisschilder am Parkplatz zeigten mit Pfeilen den nach rechts führenden Fuß- oder Spazierweg in den Ort. An dieser gesamten Strecke war Angeln erlaubt. Ebenso auch an einer besonders seichten Stelle das Baden. Der nach links zeigende Pfeil kennzeichnete die Privatgrundstücke, mit zusätzlichem Vermerk: Kein Durchgang! Obwohl dies sehr deutlich angezeigt und erkennbar war, kam es in den ersten Jahren oft vor, dass Fremde neugierig auf den privaten Uferstreifen herumliefen, sogar mehrmals bis in die Gärten vordrangen. Herr Schmitz Senior war darüber mehr als verärgert, er grenzte kurzerhand sein Doppelgrundstück bis an den Pfad mit einem Wildzaun ab. Das Schmitz-Grundstück war besonders betroffen gewesen, denn einige Male muteten Plünderer seinem Garten Besuche zu, hinterließen nicht nur ihre Spuren, sondern ließen wie selbstverständlich einiges mitgehen. Zusätzlich befestigte er noch ein kleines Schild an diesem Drahtzaun, nur mit dem einzigen Wort „privat“ dick und fett gedruckt. Danach wurde es etwas besser. Es gab zwar leider noch vereinzelt unverschämte Menschen, die es auch weiterhin nicht schafften anderer Leute Eigentum zu achten, doch weiter wie zum Grundstück der Schnells führte der Pfad ohnehin nicht und so glaubte man, irgendwann werde es hoffentlich uninteressant, die Privatgegend zu erkunden.

      Mark Schnells Versuch, den Teil hinter dem Weber-Grundstück als Liegewiese urbar zu machen, schlug fehl. Die Schilf- und Binsengewächse, die hohen, harten Stauden waren stärker. Der Wildwuchs würde nie vollständig zu bremsen sein, aber das beabsichtigten sie auch nicht wirklich. Mark pflasterte mit Naturplatten einen Fußweg durch das gesamte Grundstück vom Haus bis zum Fluss, über den man bequem und trockenen Fußes direkt zum Ufer gelangte, oder umgekehrt. Am Ufer verankerte Mark den breiten Holzsteg, den er mit Michaels Hilfe selbst zimmerte und imprägnierte, der auf Stahlstelzen stehend bis in den Fluss hinein reichte. Als Mark noch lebte, beschäftigten sie sich fast jeden Abend und an den Wochenenden der wärmeren Jahreszeit hier oder ruhten sich einfach nur aus. Susanne fand zu ihrem Hobby zurück, nach langer Zeit. Sie malte wieder. Mark gefielen ihre Bilder, ihre Heidelandschaften. Irgendwann einmal fragte er sie: ‚Warum malst du nicht mal diese Landschaft hier?‘ Damals sagte sie lachend: ‚Vielleicht später, erst muss ich meine uralten Erinnerungen festhalten‘. Wie hätte sie ahnen sollen, dass Mark dieses in Aussicht gestellte Gemälde niemals solange er lebte würde sehen können. Mark liebte Susanne, aber: ‚Uralte Erinnerungen? Du bist gerade was über dreißig‘, war seine verständnislose Reaktion gewesen. Und Susanne konnte heute noch über ihren Realisten lächeln. Sie saß stundenlang an einem Bild und vergaß die Wirklichkeit. Der Realist Mark fand indessen die hohen Erlen, die Trauerweide mit tief herab hängenden Zweigen und die alte Birke mit dem inzwischen recht knorrigen Stamm, romantisch. In all dem entdeckte er mit der Zeit den Ausgleich zu seinem stressigen Architekten-Beruf. Das war sowieso ziemlich erstaunlich gewesen, wie unkompliziert sich dieser Stadtmensch der ländlichen Gegend so schnell anpassen konnte. Und doch, auch Mark empfand diese Neugierde verschiedener unhöflicher Leute nicht gerade lustig. Und eines Tages kam ihm der Gedanke, den unerwünschten Besuchen endgültig ein Ende zu bereiten. Umgehend ließ er in der Stadt ein Schild anfertigen, dessen Text jedem normalen Leser verständlich sein dürfte. So jedenfalls glaubte Mark.

      PRIVATBESITZ

      BADEN – ANGELN & FISCHEN

      NICHT GESTATTET

       Der Eigentümer

      Verboten, dieses Wort war für ihn nicht in Frage gekommen, wie es auf den fertig zu kaufenden Schildern stand. Außerdem hätte er dann zwei Schilder aufstellen müssen, denn gleichzeitig Bade- und Angelverbot auf einem Schild gab es nicht fertig zu kaufen. Seine Erklärung dafür: ‚Verboten, das passt nicht zu diesem idyllischen Ort! Erst recht nicht, weil meine geliebte Frau hier stundenlang ihre Bilder malt‘, und dazu zwinkerte er unverschämt mit seinem rechten Auge.

      Susanne schmunzelte, es war nicht oft vorgekommen, dass Mark romantisch wurde, doch sie konnte sich noch sehr gut an die versteckten Liebesbezeugungen ihres Mannes erinnern. Aber seitdem war so manches Jahr dahin gegangen.

      Jetzt kam Susanne plötzlich zu Bewusstsein, Michael lief am Ufer entlang, wieso? „Micha, sag mal, wollte Frau Pieper Markus und dich nicht von der Schule abholen?“

      „Hat sie auch.“

      „Aber warum brachte sie dich nicht nach Hause, wie es abgemacht war?“

      „Ach Mama, Frau Pieper hatte es supereilig, es war ihr schon viel zu spät für – irgendwas, keine Ahnung – da bin ich bei Markus ausgestiegen und gelaufen.“

      „Das erklärt aber immer noch nicht, wieso du den Umweg am Fluss entlang genommen hast.“

      „Nein, ich bin nicht den Pfad gelaufen, bin erst beim Parkplatz abgebogen, na ja, den Rest kennst du ja.“ Michael tat genervt.

      „Ja und wenn die Sportstunde nicht ausgefallen wäre, es Markus Mutter nicht so eilig gehabt hätte, und du nicht gedankenverloren in den Pfad abgebogen wärst,

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