Unabwendbare Zufälligkeiten. Inge Borg

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Unabwendbare Zufälligkeiten - Inge Borg

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den stolzen Preis von 106,75 Euro. „Meine Güte, ein Glück, dass ich es mir leisten kann“, murmelte sie vor sich hin und freute sich auf den Nachmittag. Da musste der Friseur erst einmal zurückstehen. Und die Noppen, – die waren sowieso in Vergessenheit geraten. Sie schob den Einkaufswagen über den Parkplatz zu ihrem Fahrzeug. Das heißt, es war ihre Absicht gewesen, bevor sie Otto Scholz erspähte. Er stand rücklings an einen weißen Opel gelehnt da. Ein Auto mit fremdem Kennzeichen? Herr Scholz war ein Nachbar vom Ende der Bergstraße, der linken Seite. Seltsamerweise bekam sie ihn in letzter Zeit nicht zu Gesicht, eine ganze Weile schon nicht, fiel ihr soeben auf. Welchen Grund konnte das denn haben? Er sah gelangweilt aus, stocherte abwechselnd mit seiner linken, dann mit der rechten Schuhspitze zwischen den Pflastersteinen herum und schien sie noch nicht bemerkt zu haben, jedenfalls stellte es sich ihr so dar. Helene Weber vollführte einen kleinen Schlenker mit ihrem beladenen Einkaufswagen, steuerte ihn ein wenig umständlich in Richtung ‚Schwätzchen halten‘ und blieb neben Herrn Scholz stehen.

      Er sah sie mit mürrischem Gesicht an.

      Das störte sie aber nicht weiter und es konnte sie schon gar nicht davon abbringen, ihn anzusprechen: „Hallo Herr Scholz, wie geht es Ihnen? Ich habe Sie ja schon länger nicht mehr gesehen, gehen Sie nicht mehr Gassi mit ihrem Hund?“

      „Rex ist tot!“ Herr Scholz kratzte sich am Hinterkopf. Muss die jetzt hier aufkreuzen? „Er war schon über dreizehn, bin jetzt alleine. Nur für ein paar Tage besucht mich mein Sohn.“

      „Oh, das tut mir aber leid, das mit ihrem Rex, meine ich.“

      „Mir auch“, sagte er und obwohl ihm so gar nicht der Kopf nach Tratschen stand, redete er weiter: „Mein Sohn will mich ins Altenheim stecken. Das kommt natürlich alles von seiner Frau, die konnte mich noch nie leiden. Angeblich kann ich mich nicht mehr richtig versorgen. So ein Blödsinn!“ Herr Scholz war sichtlich grantig, vielleicht auch enttäuscht und gleichzeitig traurig, aber der Ärger überwog deutlich. „Denen geht es nur ums Erbe! Schenkung zu Lebzeiten nennt sich das, dass ich nicht lache“, nörgelte er sich gerade so richtig in Rage. „Die wollen so schnell wie möglich mein Haus verkaufen, es geht nur um die Flocken, so ist das!“

      Helene Weber fragte erschreckt: „Sie haben doch auch noch Töchter Herr Scholz, was sagen die denn dazu?“

      „Meine zwei Mädchen? Die denken genau so, sagen im Heim hätte ich‘s doch viel besser, bekäme alles gemacht, gekocht, gewaschen und so. Nur Augenwischerei, sonst nix! Ne nee, es geht nur ums Geld!“

      Helene Weber hätte dem aufgebrachten Mann gerne noch etwas Tröstendes zu diesem brisanten Thema gesagt, doch inzwischen war dessen Sohn Hans-Peter im Anmarsch und sie zog es vor, sich zu verabschieden und ihm noch schnell „alles Gute“ zu wünschen.

       5

      „Na, wer war das denn?“ Hans-Peter Scholz begann die Waren vom Einkaufswagen in den Kofferraum seines Autos zu räumen.

      „Sie ist eine Nachbarin. Die Weber von Nummer 5, die lebt auch alleine, hat keine Kinder die sie ins Heim stecken wollen“, antwortete Vater patzig.

      Hans-Peter sah einen Moment verblüfft aus, war das ernst gemeint? „Also Papa, haben wir das nun nicht schon oft genug durchgekaut? Außerdem, die Weber ist ja wohl noch keine zweiundachtzig, oder?“ Hans-Peter reagierte sauer. Jetzt kaufte er Tapete und Farbe, erklärte sich bereit, Vaters Wohnzimmer, die Diele und das Bad zu renovieren und trotzdem wurde er angemeckert. „Na komm schon, lass gut sein Papa“, lenkte er nachsichtig ein. „Möchtest du richtig zu Mittag essen, oder sollen wir was vom Bäcker mitnehmen?“

      „Mir egal.“ Vater blieb verstimmt.

      „Setz dich schon mal ins Auto, ich bringe nur schnell den Wagen zurück.“ Und als er dabei Helene Weber begegnete, die ihrerseits ebenfalls den Einkaufswagen zurück stellte, grüßte er höflich lächelnd mit: „Hallo“, welches sie vorsichtig mit leichtem Kopfnicken beantwortete. Schließlich weiß man nie, zu was Kinder, die den Vater ins Heim abschieben wollen, sonst noch so fähig sind. Vornehme Zurückhaltung erschien ihr diesmal der sicherste Weg. Einen Augenblick später dachte sie daran, dass sie sich von Kind an kannten, und sich dennoch soeben wie Fremde gegenüber standen.

      „So Vater, dann fahren wir jetzt zur Agnes, mal sehen was es da Leckeres zu Mittag gibt.“ Hans-Peter schlug gewollt einen ungezwungenen Ton an und hoffte, seinen Vater auf andere Gedanken zu bringen. Seit Vaters Hund Rex gestorben war, bemerkte man eine starke Veränderung bei ihm, er war kaum wiederzuerkennen. Seine Freundlichkeit und die stets gute Laune, sein immerwährendes Interesse an allen Dingen, seine Geduld und Ausgeglichenheit, welche ihm selbst nach Mutters Tod nicht verloren gegangen waren, schien Rex mit in sein Grab genommen zu haben. Der Verlust des Tieres schmerzte ihn offensichtlich sehr. Bisher war Tag und Nacht immer jemand um ihn herum geschwänzelt. Ein Tier, welches nicht nur versorgt werden musste, dem alten Mann eine Aufgabe gab, sondern auch als treuer Freund und Kamerad seinen Platz einnahm, tagein, tagaus. Und nun war ihm nur ein stilles einsames Haus geblieben, keiner brauchte ihn mehr. So saß er nun oft für Stunden apathisch vor sich hinbrütend da und kam sich ziemlich überflüssig vor.

      Otto Scholz Entschluss: Rex bleibt am Grundstück, musste in die Tat umgesetzt werden und so baute das alte Herrchen für seinen verstorbenen Gefährten eine Holzkiste, die täuschend einem der Särge ähnelte, wie man sie oft in alten Wildwestfilmen sehen kann. Unter dem Kastanienbaum hinterm Haus, hob er mühselig mit viel Kraftaufwand und stundenlang ein tiefes Loch aus, versenkte darin den seltsamen Sarg mit Rex und formte langsam mit Erde das Grab. Einen jungen Zwergbuchsbaum pflanzte er darauf, bearbeitete außerdem einen starken Birkenast zu einem Kreuz, welches er tief in die Erde rammte.

      Als Hans-Peter vor zwei Tagen hier angekommen war, fand er seinen Vater, auf einem abgesägten Baumstamm sitzend, an genau diesem Grab. Der Sohn war erschüttert, traf auf einen völlig veränderten alten Mann, teilnahmslos, als habe der sich selbst aufgegeben und er erkannte mit Schrecken Vaters Trauer um seinen vierbeinigen Freund, seine plötzliche Einsamkeit.

      „Lass uns ins Tierheim fahren, Vater, einen neuen Hund für dich holen“, war sein spontaner Vorschlag. Doch sein Vater beschimpfte die Idee als „Kokolores“ und jedes weitere Gespräch in diese Richtung blockte er ab.

      Hans-Peter, schockiert und auch verwirrt über diese strikte Ablehnung, über die traurige unbekannte Sturheit seines Vaters, griff augenblicklich zum Handy um Margarete, seine Frau, zu informieren: „Hör mal, Marga, Papa geht’s überhaupt nicht gut, er lässt sich hängen! Er vermisst den Hund! Hier sieht es schrecklich aus, ich bleibe für ein paar Tage bei ihm. Sag Marlis und Georg Bescheid und ruf auch Anneliese und Siegfried an. Vielleicht könnt ihr es möglich machen, Sonntag herzukommen, ihn besuchen? Überlegt mal und ruft mich zurück.“ Seine Antwort auf Margas skeptische Frage: „Übertreibst du nicht ein wenig?“, war eindeutig: „Nein, wirklich nicht! Also beratet euch und versucht herzukommen. So wie es jetzt aussieht, können wir Vater nicht mehr alleine lassen, du weißt was ich meine – unser Thema von neulich im Fall der Fälle, was wir durchdacht haben!“ Im nächsten Moment drückte Hans-Peter die Austaste. Er glaubte ein Geräusch hinter sich wahrgenommen zu haben und es war ihm ganz und gar nicht recht, sollte Vater dieses Gespräch mitgehört haben.

      Hatte der aber! Dummerweise gab ihm Hans-Peter dann sofort Antwort auf seine misstrauische Frage: „Was habt ihr neulich durchdacht?“ Denn ohne sich richtig Zeit zum Nachdenken zu nehmen, versuchte er eiligst die Überlegung: Seniorenheim, zu erklären. Dies schien für Vater jedoch mehr ein herber Schlag, als ein gutgemeinter Rat zu sein, was auch durchaus verständlich war. Jedenfalls ab da steigerte Vater sich vehement in die miese Laune hinein, die er offensichtlich nicht gedachte abzulegen.

      Aber

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