Sperrgebiet!. Susanne Klein

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Sperrgebiet! - Susanne Klein

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Untersuchungen durch und stellte ebenfalls keine Schädigungen an den Knochen fest. Da sie komplett frei von menschlichen Rückständen waren, nahm er an, dass das Skelett seit einigen Jahren dort gelegen haben musste. Unterschiedliche Laubrückstände sprachen ebenfalls dafür. Über die Fleisch- und Fettreste sowie die Muskelfasern hatten sich, seinen Angaben zur Folge, im Laufe der Zeit heimische Tiere – höchstwahrscheinlich Wildschweine, die als Allesfresser und ihrem Überlebenstrieb folgend auch gerne Aas verspeisten – vor deren endgültiger Verwesung hergemacht. Der Rest war in der biologischen Kette einfach nur verwest. Hinweise auf die Todesursache waren naturgemäß wegen der vermutlich langen Liegedauer und ohne vorhandene Gewebeteile nicht mehr zu finden. Die Beckenknochen und die Hände ließen auf das Skelett einer Frau schließen, der Zustand und die Beschaffenheit der verbliebenen Zähne, auf ein Alter jenseits der 55. Etwas konkreter würde man es zwar anhand einer Analyse der Handwurzelknochen feststellen können, aber so genau wollte es ja offensichtlich niemand wissen. Für ihn war schließlich ebenfalls Freitagnachmittag und solange niemand mehr in seinem Einzugsgebiet beabsichtigte zu sterben, stand auch sein Wochenende unmittelbar bevor. Also sah er von weiteren Untersuchungen ab und erhob nur die Fakten. Neben der Schädeldecke und deren Rückseite fehlten ein paar Rippen und die linke Schulter. Abschließend, und weil er es glauben wollte, trug er in sein vor ihm liegendes Formular „natürlicher Tod“ ein und unterstrich damit die Fehleinschätzung der Polizei und die des Notarztes. Eine fatale Kettenreaktion.

      So geschah, was geschehen musste. Der Fund landete am Samstag im Krematorium in Mechernich, wurde verbrannt und anonym auf Kosten der Stadt Köln auf Melaten bestattet. Mangels brauchbarer Daten und ohne Vorlage einer Vermisstenmeldung, würde es für das Ordnungsamt auch im Nachhinein schwierig werden, nach Hinterbliebenen zu suchen, um sich die entstandenen, nicht unerheblichen Kosten zurückzuholen und der Toten einen Namen zu geben. Immerhin waren Gebühren in Höhe von 4.700 Euro inklusive Sarg entstanden, die sich unter Umständen nach Ablauf einer Frist mit ihrem teuren Ehering verrechnen lassen würden. Der Ring, ihre Zahnprothese, sowie die nicht definitiv ihr zugeordneten Kleiderfetzen, landeten in einem kleinen Plastikbeutel in den Asservaten des Beerdigungsinstituts. Der Bestatter würde sie mit der Rechnung seiner Auslagen der Stadt Köln zur Verfügung stellen. Was auch immer sie damit anstellen würden – für ihn war der Fall damit abgeschlossen.

      Als man wenige Tage danach Teile des Schädels und den kläglichen Rest einer struppigen Frisur in der Wahner Heide fand, kam Dynamik in den Fall und die Kripo wurde informiert. Die Meldung landete im Polizeipräsidium Köln und dort auf dem Schreibtisch von Sara Lange. Sie war seit zwei Monaten als Assistentin im Dezernat XI beschäftigt, das unter anderem in Fällen mit ungeklärten Todesumständen ermittelte.

       ZWEI

      „Guten Morgen, Sara. Ich habe hier einen Fall, den Du Dir mal anschauen solltest!“, begrüßte mich Andreas, der unser Dezernat leitete und die Unterlagen provozierend und mit einem verschmitzten Lächeln in die Höhe hielt. Und das natürlich nur, um genau in dem Moment, als ich versuchte danach zu greifen, die Hand, in der er sie hielt noch ein wenig weiter nach oben zu nehmen. Ich gönnte ihm den Spaß und lachte darüber. „Haha, sehr witzig. Gib sie mir biiiiitteeee!“

      Jetzt musste er auch lachen und wir waren beide happy, so in den Tag zu starten. Unbeschwert eben – was kein Widerspruch zur Polizeiarbeit bedeuten musste. Ganz und gar nicht bei all den Gefühlsfacetten, die der Job mit sich bringt.

      „Ich will noch nicht zu viel verraten, aber es handelt sich um einen Leichenfund, der Fragen aufwirft. Viele Fragen!“ Er schilderte mir zunächst in Kurzform das Geschehene und sein Vorwurf über die Ersteinschätzung der Kollegen vor Ort, es handele sich um einen natürlichen Tod, schwang schon hier mit.

      „Yes!“ Ich jubelte innerlich. Das schien mir ein sehr geeigneter Vorgang für einen Anfänger wie mich.

      Andreas übergab mir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die blaue Mappe mit der Aufschrift „Heidi – Knochenfund//Wahner Heide“. Zum ersten Mal hielt ich tatsächlich das Grauen in der Hand und vergaß darüber beinahe das Atmen. Eine Mischung aus freudiger Erwartung und großer Nervosität vor der neuen Aufgabe, verströmte eine hohe Dosis Adrenalin durch meinen Körper und nahm mir für einen Moment den Atem. Erst in dem Augenblick, als Andreas mir seine Hand auf die Schulter legte, setzte mein Organismus wieder ein und ich schnappte nach Luft.

      „Bleib locker, Sara. Du machst das schon.“ Er traute mir einen solchen Fall demnach bereits zu und bestärkte mich durch den flüchtigen körperlichen Kontakt. Atmung und Verstand beruhigten sich und ich blätterte stolz in den überschaubaren drei Seiten Akteninhalt. Bislang hospitierte ich meistens bei der Lösung von Fällen und unterstützte das Team mit Recherchearbeiten. Ich brannte längst für einen eigenen kleinen Fall. Auch, wenn ich nur eine Art Sachbearbeitung betrieb und im Hintergrund agierte. Für Heidi war ich ab jetzt verantwortlich.

      „Die Sache ist deshalb brisant und bei uns gelandet, weil die gefundenen Knochen längst verbrannt waren, als durch einen Zufall vor ein paar Tagen ein Skalp mit einem Stück Schädeldecke in der Nähe der Fundstelle entdeckt wurde, der gut und gerne zu dem Rest gehören könnte. Damit hätte man das Puzzle zusammensetzen und sehen können, ob es eine Einheit bildet und zu einer Person gehört. Aber so …!“

      Er ließ das Gesagte durch den Raum schweben, damit er seine Fassungslosigkeit möglichst nicht durch Worte untermauern musste. „Gesichert wissen wir bis jetzt nur, dass die Knochen zu einer Frau gehören, die vermutlich so um die 60 war. Nur ein paar Zähne und ein Ehering sind von ihr übrig geblieben. Alles andere ist futsch.“ Andreas rollte mit seinen Augen, um das Fehlverhalten der Kollegen auf seine Art zu missbilligen. Er schaute mich auffordernd an, als erwarte er eine Antwort oder zumindest eine Bestätigung seiner grenzenlosen Empörung. Ich blieb aber stumm und ließ ihn weiter berichten.

      „Ein Journalist, der für einen Artikel über Bombentrichter und andere Relikte des Militärs in der Wahner Heide recherchierte, hat das Haarbüschel dort gefunden und die Polizei verständigt. Der hat es sich allerdings auch nicht nehmen lassen, die Geschichte exklusiv dem EXPRESS zur Verfügung zu stellen.“ Er zeigte auf die reißerische Titelseite, die den Journalisten mit dem verfilzten Mopp in der Hand zeigte. „Konzentrier‘ Dich am besten nur auf das wenige Wesentliche.“ Er blätterte einfach weiter und hielt mir nun den Bericht der involvierten Polizisten inklusive der Zeugenaussage eines Herrn Gruber unter die Nase. „Vielleicht lässt sich ja mit dem, was wir haben zumindest die Identität klären. Der Rest ist wie gesagt leider schon durch den Kamin in Mechernich“, erklärte er mir und verdrehte jetzt seine kompletten Gesichtszüge. „Gibt’s Fragen?“, wollte mein Chef noch wissen.

      „Gab es keine Handtasche?“, fragte ich.

      „Wie bitte?“

      „Ist dort oder in der Nähe keine Handtasche gefunden worden? Eine Frau geht doch nicht ohne Handtasche!“

      Er verharrte vor meinem Schreibtisch und nestelte an seinen Bartstoppeln.

      „In die Natur offenbar schon – sie hatte jedenfalls keine dabei oder sie war längst weg. Du kannst ja mal im Fundbüro nachfragen. Willst Du sonst noch was wissen?“

      „Nein, alles klar.“ Mist, da wollte er gerade gehen und mir fiel ausgerechnet jetzt noch etwas ein: „Das heißt, eine Frage habe ich noch: Vermutest Du ein Verbrechen?“

      „Schwer zu sagen. Durch das schnelle Vorgehen …“, er brach den Satz ab, weil er selber merkte, dass seine Anklage den Kollegen gegenüber allmählich zu weit ging. Etwas sachlicher fuhr er fort: „Es wurden leider keine tiefergehenden Untersuchungen durchgeführt oder Spuren an den Knochen, geschweige denn am Fundort gesichert. Aber vielleicht lässt sich noch auf anderem Wege etwas rausfinden. Wir haben

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