Völkerrecht. Bernhard Kempen
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2. Die einzelnen Menschenrechte
Die AMRK enthält in den 23 Artikeln des II. Teils ihres ersten Kapitels bürgerliche und politische Rechte, wie sie sowohl in der → EMRK und ihren Zusatzprotokollen als auch im → IPbpR enthalten sind. Im Einzelnen sind dies zunächst das Recht auf Anerkennung als Person (Art. 3), das Recht auf Leben, einschließlich einer Einschränkung der Zulässigkeit der Todesstrafe (Art. 4), das Recht auf Achtung der körperlichen, geistigen und moralischen Unversehrtheit (Art. 5) und das Verbot von Sklaverei, Menschenhandel und Zwangsarbeit (Art. 6). Zu den justiziellen Rechten zählen das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit (Art. 7), das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 8), das Rückwirkungsverbot
Art. 26 AMRK betrifft die Menschenrechte der zweiten Generation. Die Staaten sind verpflichtet, schrittweise darauf hinzuarbeiten, die von den „wirtschaftlichen, sozialen, auf das Bildungswesen bezogenen, wissenschaftlichen und kulturellen Normen“ der OAS-Charta umfassten Rechte vollständig zu verwirklichen. Entsprechend der Regelungstechnik im → IPwskR wird hier keine durchsetzbare Verpflichtung begründet, sondern lediglich eine Zielvorgabe gesetzt.
Kollektive Rechte oder sonstige → Menschenrechte der dritten Generation enthält die AMRK nicht. Insbesondere findet sich keine Vorschrift zum → Schutz der Minderheiten. Die Konventionsorgane haben jedoch im Zuge einer evolutiven Auslegung mittlerweile auch kollektive Menschenrechte indigener Völker jedenfalls hinsichtlich des Rechts auf Beteiligung und Anhörung anerkannt und durchgesetzt (IAGMR, Kichwa Indigenous People of Sarayaku v. Ecuador, Urteil vom 27.6.2012 [Ser. C No. 245]).
Neben Rechten normiert die AMRK auch Pflichten des Einzelnen gegenüber der Familie, der Gemeinschaft und der Menschheit (Art. 32).
3. Schranken und Außerkraftsetzung
Schranken sind in den einzelnen Vorschriften enthalten, sie dürfen nur aufgrund von Gesetzen im Interesse der Allgemeinheit und nur für den Zweck angewendet werden, für den sie vorgesehen wurden (Art. 30). Allgemeine Schranken sind die Rechte anderer, die Sicherheit aller und die berechtigten Erfordernisse des Allgemeinwohls in einer demokratischen Gesellschaft (Art. 32 Abs. 2). Die Garantien der AMRK können unter besonderen Voraussetzungen auch im Kriegsfalle, bei öffentlicher Gefahr oder bei einem sonstigen Notstand, der die Unabhängigkeit oder Sicherheit des Staates bedroht, außer Kraft gesetzt werden (Art. 27). Dies gilt jedoch nicht für die in Art. 27 Abs. 2 gelisteten sog. notstandsfesten Rechte und die „zum Schutz dieser Rechte wesentlichen Garantien“.
4. Sonstige Rechte
Ergänzt werden die in der AMRK garantierten Rechte durch diejenigen der Amerikanischen Erklärung der Rechte und Pflichten des Menschen von 1948 sowie durch die in den Protokollen zur AMRK und sonstigen Verträgen der OAS enthaltenen Garantien (Art. 31 AMRK).
Das Zusatzprotokoll von San Salvador vom 17.11.1988, in Kraft seit dem 16.11.1999, enthält wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Entsprechend Art. 26 AMRK verpflichtet es die Vertragsparteien, Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Einhaltung der im Einzelnen aufgelisteten Rechte zu erreichen (Art. 1). Diese Verpflichtung steht unter einem vierfachen Vorbehalt: der verfügbaren Ressourcen, des Entwicklungsstandes des Staates, der schrittweise erfolgenden Umsetzung und der Maßgabe des innerstaatlichen Rechts; sie ist also nur relativ. Trotz des Charakters als Zielvorgabe besteht insoweit ein Diskriminierungsverbot (Art. 3).
Das zweite Protokoll zur AMRK vom 8.6.1990 betrifft die Abschaffung der Todesstrafe; es ist seit dem 28.8.1991 in Kraft. Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Todesstrafe nicht mehr anzuwenden, können sich jedoch vorbehalten, diese im Kriegsfall für besonders schwere Straftaten militärischen Charakters verhängen zu dürfen. Weitere menschenrechtliche Verträge im Rahmen der OAS betreffen die Verhütung und Bestrafung von Folter, das gewaltsame Verschwindenlassen, Gewalt gegen Frauen und die Diskriminierung von Behinderten.
III. Durchsetzungsmechanismen
Mit der Gewährleistung des Schutzes der in der AMRK enthaltenen Menschenrechte sind im Wesentlichen zwei Organe betraut: die Interamerikanische Menschenrechtskommission, ein Expertengremium bestehend aus sieben unabhängigen, von der Generalversammlung der OAS gewählten Persönlichkeiten (Art. 34 ff. AMRK; Art. 106 OAS-Charta), und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (Art. 52 ff. AMRK) mit Sitz in San José, Costa Rica. Unterstützt wird die IAMRK vom zentralen Sekretariat der OAS in Washington, D.C.; der Gerichtshof hat sein eigenes Sekretariat.
Die Konvention sieht ein Individualbeschwerdeverfahren, Staatenbeschwerden sowie ein Gutachtenverfahren vor. Das Mandat der Menschenrechtskommission umfasst überdies die Förderung der Achtung und Verteidigung von Menschenrechten, einschließlich der Beratung und Unterrichtung der Organe der OAS und ihrer Mitgliedstaaten. Dementsprechend ist sie mit Durchsetzungs- und Überwachungsaufgaben politisch-diplomatischer Prägung betraut, zu denen die Prüfung von Staatenberichten, die Untersuchung von bestimmten Situationen oder Staaten, Vor-Ort-Besuche und die Beauftragung von Sonderberichterstattern zu bestimmten Themen zählen.
1. Verfahren vor der IAMRK
Individualbeschwerden über die Verletzung von Rechten durch eine Vertragspartei der AMRK können von jedermann – Einzelpersonen, Gruppen und juristischen Personen – bei der IAMRK eingelegt werden. Eine besondere Unterwerfungserklärung des betroffenen Vertragsstaates ist hierfür nicht erforderlich.
Zunächst erfolgt eine Vorabprüfung und die Zuleitung der Beschwerde an den betroffenen Staat, der Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Daran schließt sich die Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde entsprechend den in Art. 46 und 47 AMRK niedergelegten Voraussetzungen an. Hierzu zählen u. a. die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs, eine sechsmonatige Beschwerdefrist und das Verbot einer anderweitigen Anhängigkeit des Verfahrensgegenstands. Die Beschwerdebefugnis ist nicht auf die Betroffenen beschränkt, Beschwerdeführer und Opfer der behaupteten Menschenrechtsverletzung müssen also nicht identisch