Frank Thelen – Die Autobiografie. Frank Thelen

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Das war ganz bei uns in der Nähe – und als Kinder spielten wir dort viel. Mein Opa Wilhelm besaß Hühner, und im Stall nach Eiern zu suchen war eines der großen Abenteuer meiner Kindheit. Mein Großvater hatte auch unzählige Kirschbäume. Zur Erntezeit sind wir immer in die Bäume geklettert, haben körbeweise Kirschen gepflückt und uns regelmäßig so überfressen – anders kann man es wirklich nicht nennen –, dass ich bis heute keine Kirschen mehr sehen kann. Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen: Wir lebten in einer kleinen Etagenwohnung, mein Vater hat im Vertrieb für professionelle Funkgeräte gearbeitet, später im Mobilfunkbereich, und in den Jahren vor seiner Rente hat er schließlich unabhängige Kfz-Werkstätten mit Zubehörteilen beliefert. Meine Mutter ist gelernte Kosmetikerin, hat sich später aber um Kinder und Haushalt gekümmert. Meine Eltern sind das Paradebeispiel für die deutsche Mittelschicht: hart arbeitend, ehrlich und zuverlässig. Rheinländer wie aus dem Bilderbuch.

      Ich habe eine ältere Schwester, die einen sehr geradlinigen Lebenslauf mit Einser-Abi und Festanstellung in einem Großkonzern hat. Aber schon in unserer Jugend wurde klar: Wir beide leben auf verschiedenen Planeten. Ihr Lebensentwurf steht meinem diametral gegenüber und manchmal frage ich mich, wie es möglich ist, dass man die gleichen Eltern hat, gemeinsam aufgewachsen ist – und sich doch so verschieden entwickeln kann. Das ist gar nicht schlimm: Als Kinder haben wir uns natürlich ständig gekabbelt, so wie Geschwister das eben tun, aber heute haben wir ein entspanntes Verhältnis.

      Mein Vater war immer für mich da, hat mir Frühstück gemacht, mich zum Fußball gefahren, wurde sogar Trainer meiner Fußballmannschaft. Einmal in der Woche spielte er selbst noch mit seinen Kumpels Fußball. Manchmal schaute ich dabei zu. Und obwohl ich eigentlich noch viel zu klein war, hat er mich gegen den Protest seiner Freunde mitspielen lassen. Er hat mich auch, trotz unschöner Blicke seiner Kollegen, zur Computermesse Cebit mitgenommen. Natürlich ist so ein kleiner Junge ein Klotz am Bein, wenn man möglichst viele Geschäftstermine schaffen will. Aber ich hoffe, dass mein Vater heute sieht: Der Stress war nicht umsonst. Dafür an dieser Stelle: Danke!

Familienfoto mit Schwimmwesten auf einem Boot

      Urlaub mit meinen Eltern

      Meine Mutter wurde sehr früh mit meiner Schwester schwanger. Das war ihr Weg in die Selbstständigkeit und weg von zu Hause, da mein Opa offenbar ein schwieriger Vater war. Ihre Karriere als Kosmetikerin musste sie leider für uns aufgeben und war dann plötzlich an zwei Kinder und einen Haushalt gebunden. Sie hat immer versucht, meine Schwester und mich ideal zu versorgen und meinen Vater zu unterstützen. Wenn ich Probleme in der Schule hatte, konnte ich mich blind auf ihre Hilfe verlassen. Da sie selber sehr streng erzogen worden war, ließ sie mir im Gegenzug fast alle Freiheiten. Ich habe dadurch viel gelernt und bin früh selbstständig geworden. Einzige Ausnahme: Aufräumen. Denn meine Mutter hat, warum auch immer, jeden Tag mein Zimmer und meine Wäsche wie in einem Fünfsternehotel versorgt. Hierdurch habe ich bis heute die leichte Tendenz, Chaos zu hinterlassen. Aber ich arbeite daran.

      Schule und ich – eine schwierige Kombination

      Bonn, ab Mitte der 1980er Jahre

      Bis zu meinem 14. Lebensjahr hat mich die Schule herzlich wenig interessiert – ich habe außerhalb der Schule auch nur ein einziges Buch gelesen: Hörbe mit dem großen Hut, Otfried Preußlers Geschichte über ein Hutzelmännchen. Aber weil meine Schwester so gut in der Schule war, durfte auch ich aufs Gymnasium, und zwar auf das private »Pädagogium Godesberg Otto-Kühne-Schule« im Godesberger Villenviertel. Bonner kennen es kurz als »Päda«. Das Schulgebäude ist ein beeindruckender Backsteinbau aus der Zeit um 1900, nah am Rhein gelegen, der mich damals sehr beeindruckt hat. Das Päda ist eine der wenigen Privatschulen in Deutschland, die nicht in der Trägerschaft von Kirchen oder Orden sind, und hat eine Reihe prominenter ehemaliger Schüler aufzuweisen, wie den Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips, die Schauspielerinnen Jennifer Nitsch, Sophie von Kessel, Silke Bodenbender, die Schriftstellerin Juli Zeh oder den ehemaligen Politiker Christopher Lauer – aber auch manche mit schlimmem Ruhm, wie den Nazi-Minister und Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß. Machen wir’s kurz: Ich wurde am Päda nicht glücklich. Man quälte mich mit Frontalunterricht und trockenem Lehrstoff. Das mag für andere Schüler lehrreich und produktiv sein – für mich war es das nicht. Mit Grauen denke ich noch heute an das rote Lateinbuch, mit dessen Hilfe ich Substantive deklinieren und Verben konjugieren lernen sollte: Sum, es, est, sumus, estis, sunt… zwecklos.

      Bis heute sehe ich nicht ein, was an einem stumpfen Lernen ohne Verstehen, am reinen Pauken ohne die Frage nach dem »Wozu« produktiv sein soll. Meine damaligen Lehrer handelten sicher ehrenwert und in bester Absicht, sie hatten selber so gelernt. Aber sie waren nicht in der Lage, mir einen Funken Inspiration zu geben. Wenn ich heute spüre, wie viel Energie es mir gibt, Neues zu lernen, weil ich weiß, was ich damit erschaffen kann, macht es mich traurig zu sehen, dass wir unser Schulsystem nicht ändern. Statt begeistert zu sein, was es alles zu entdecken gab, war ich nach kürzester Zeit desillusioniert, verzweifelt und traurig. In meinem Inneren spürte ich, dass der Weltgeist einen anderen Lebenslauf für mich vorgesehen hatte. Ich verlor alle Energie, verkümmerte zusehends, wurde zum Außenseiter und Verlierer. Ich erinnere mich noch gut an eine Klassenfahrt nach Spiekeroog. In so einer Klasse ist ja recht schnell klar, wer der Checker ist und wer nicht. In der Jugendherberge auf der Insel Spiekeroog gab es für die Jungs drei Zimmer – und ich landete im letzten, zusammen mit den anderen Losern: mit Manuel, der seine Brille immer mit Tesafilm am Bügel geflickt hatte, und dem dicken Olli. Das war eine schmerzhafte Niederlage, mit der ich einige Zeit schwer zu kämpfen hatte.

      Irgendwann folgten die Fünfen. Ich war Schlusslicht der Klasse, und in der Siebten hatte meine Mutter ein Einsehen. Sie begriff, dass ihr Sohn unglücklich war, und nahm mich von der Schule. Ich musste, sollte, konnte, durfte das Gymnasium verlassen. Nun besuchte ich die Realschule in einem der wenigen sozialen Brennpunkte Bonns. Die war etwas näher am echten Leben dran, in den Pausen durfte ich Skateboard fahren, ich fühlte mich wohler und nicht mehr abgeschlagen. Glücklicherweise konnte ich mich schnell mit der »East Mehlem Posse« anfreunden. Es war aber gleichzeitig auch eine harte Schule, im wahrsten Sinne des Wortes: Hier durften nur Sportlehrer die Aufsicht übernehmen, da es in den Pausen regelmäßig zu Prügeleien kam. Es wurde zuweilen mit Drogen und sogar Waffen gedealt, ein Teil der Schüler sprach kein Deutsch. Aber was richtig gut war: Das rote Lateinbuch war für mich Geschichte. Mit den Drogen, Waffen und Prügeleien hatte ich zum Glück sehr wenig zu tun. Ich kam menschlich gut klar, aber um ehrlich zu sein: Ich habe auch hier nicht besonders viel gelernt. Mein Englisch musste ich mir Jahre später the hard way selber aneignen: Ich stellte meinen Computer auf Englisch ein, sah nur noch englische Filme, hörte englische Hörbücher und zwang mich dazu, meine persönlichen Notizen und Texte in englischer Sprache zu schreiben. Es war hart, ich wollte oft aufgeben, aber ich habe es durchgezogen. Bis heute habe ich leider wenig Allgemeinbildung, mir fehlen oftmals mathematische Grundlagen, und auch in der Physik musste ich mir das Nötigste selber aneignen. Darauf bin ich nicht stolz, im Gegenteil. Ich glaube sogar, dass ich mich durch meine Jugend auch in der Zukunft immer ein bisschen als Verlierer oder Underdog fühlen werde. Und daher stammt meine Motivation, immer etwas härter zu arbeiten als andere. Ich habe immer noch das Gefühl, einen Rückstand aufholen zu müssen.

      Mein erstes Erfolgserlebnis wurde aus einem riesigen Schock heraus geboren. Mein Opa hatte unserer Familie einen Computer geschenkt. PCs gab es damals bei Vobis oder Escom, und sie kosteten zwischen 4.000 und 5.000 DM, eine richtige Menge Geld. Mein Opa hatte ein Modell mit einem Intel-386SX-Prozessor, vier Megabyte (MB) RAM und einer 52 MB Festplatte für uns gekauft. In seinem schicken Audi brachte er den riesigen Tower und den unfassbar schweren Röhrenmonitor zu uns. Mein Vater und ich trugen beides in unsere Wohnung. Mein Vater wollte die High-End-Maschine installieren, bekam es aber nicht hin, denn das war damals noch eine hohe Wissenschaft. Er rief einen Kollegen an, der uns den Rechner für kleines Geld in Gang brachte. Nun erschien nach dem minutenlangen Start (kennst du noch das Geräusch der Festplatten-Zugriffe?) ein Menü,

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