Frank Thelen – Die Autobiografie. Frank Thelen

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1990er

      Nach dem sehr erfolgreichen Abschluss meines Fachabiturs – wer hätte das je gedacht? – begann ich – zur großen Freude meiner Eltern – ein Studium der »Angewandten Informatik« an der Hochschule Bonn-Rhein Sieg. Durch meine Tätigkeit bei Chips at Work konnte ich recht gut programmieren und wusste, wie Betriebssysteme und Netzwerke funktionieren. Bei Windows und Linux machte mir so schnell keiner was vor. Jetzt sollte ich also studieren und Diplom-Informatiker mit goldener Zukunft werden. Das Problem: Die Professoren hatten wirklich wenig Ahnung von Programmierung, Betriebssystemen und Netzwerken. Auf dem Gymnasium hätte ich noch gesagt, dass es an mir lag, dass ich einfach nicht gemacht sei für das Schulsystem, das rote Lateinbuch und den Frontalunterricht. An der FH aber war ich bereits kompetent genug, um beurteilen zu können, dass der neue Studiengang »Angewandte Informatik« zwar ganz gut aufgebaut war, dass es den Lehrkräften aber ganz einfach an Wissen und Erfahrung mangelte. Gezaubert wurde außerhalb der Uni, bei Chips at Work. Hier konnten und wussten fast alle mehr als ich. Jeder wollte den anderen immer zeigen, dass er die nächste große Idee hatte. Jeder wollte einen Schritt voraus sein, die neue Technologie vor den anderen beherrschen. Diese Dynamik konnten die FH und vor allem deren Professoren nicht bieten.

      Diese Gefahr besteht übrigens auch heute, und zwar mehr denn je: Wissen wird privatisiert. Wer sich heute auskennt mit künstlicher Intelligenz, Blockchain und Big Data, der geht nicht mehr an eine Uni. Warum den Umweg über Seminare, Promotion und Lehraufträge machen, wenn man für ein Vielfaches des Geldes, ohne akademische Ochsentour und Politik, bei den Großen anfangen kann? In Amerika sind das Facebook, Microsoft, Amazon, Google oder Apple – in China Tencent, Alibaba oder Baidu. Die Geschwindigkeit der Wissenszunahme ist so groß geworden, dass der Antrag für einen Sonderforschungsbereich (»SFB«) an der Uni schon in dem Moment veraltet ist, in dem er eingereicht wird. Und dann dauert es noch ein Jahr, bis er, wenn überhaupt, genehmigt wird – und ein weiteres, bis der SFB seine Arbeit aufnimmt. Was heute ein riesiges Problem ist, das fühlte ich im kleinen Rahmen schon damals: Ich brach mein Studium ab und gründete meine erste offizielle Firma.

      Ich war erwachsen.

Meine ersten Schritte als Unternehmer

      Meine ersten Schritte als Unternehmer

      Büro zu Hause

      Bonn, ab 1993

      Mit verschultem Lernen war ich fertig, ein für alle Mal. Das Gymnasium hatte mich unglücklich gemacht, die Realschule unzufrieden, die Fachhochschule ungeduldig. Ich wollte endlich raus und mein eigenes Ding machen. Mit Hilfe meiner Programmierkenntnisse, der PC-Installationen und meinen eigenen CDs hatte ich gemerkt: Da geht was – und ich hatte auch schon eine Idee, was das sein könnte.

      Ich war 18 Jahre alt, volljährig und voller Motivation, hatte aber kaum einen Pfennig in der Tasche. Meine Eltern hatten mir mittlerweile eine kleine Zweizimmerwohnung zur Verfügung gestellt – und mit 4.000 DM Unterstützung von meinem Opa kaufte ich einen modernen PC und eine Delphi-Lizenz, mit der man programmieren konnte. Und weil dann noch ein wenig Geld übrig war, gönnte ich mir bei IKEA einen Schreibtischstuhl auf Rollen – like a boss!

      Meinen Schreibtisch stellte ich in die Mitte der Wohnung und fühlte mich wie Bill Gates und Steve Jobs zusammen. Meine Firma hatte sogar einen eigenen Namen, sie hieß Softer Solutions. Ich fand das damals mit meinen mangelhaften Englischkenntnissen einfach cool. Heutzutage frage ich mich, was dieser Name eigentlich bedeuten sollte.

      Aber glücklicherweise war die Geschäftsidee besser als der Firmenname: Damals klebte gefühlt auf jeder Zeitschrift eine Multimedia-CD: auf der TV Movie, auf der Computerbild, auf dem Focus, überall. Der De-facto-Standard für die Produktion dieser Multimedia-Inhalte war der Macromedia Director. Er wurde in allen Agenturen eingesetzt, die Software hatte viele Funktionen, und es gab viel Literatur darüber. Die mit Macromedia Director produzierten CDs hatten aber sehr lange Ladezeiten. Vielleicht erinnern sich einige noch: Wenn man so eine CD ins Laufwerk legte, sirrte und surrte es erst einmal ewig, bevor man überhaupt etwas auf dem Bildschirm sah, wenn sich der Computer nicht irgendwann vorher komplett aufhängte. Das war für den Käufer der Zeitschrift oft unbefriedigend und frustrierend. Heute wäre so etwas undenkbar – aber damals nahm man das offensichtlich in Kauf, man kannte es ja auch nicht anders.

      Dabei lag – zumindest für mich – die Lösung für dieses Problem auf der Hand: Diese CDs bestanden unter anderem aus Hunderten kleiner Bilddateien, die der Macromedia Director einzeln von der CD lud. Daher das Sirren und Surren. Der Rechner fuhr für jede Datei einzeln an die Stelle der CD, wo sie gespeichert war, lud sie, fuhr dann an die nächste Stelle, um die nächste Datei zu laden, und so weiter. Es funktionierte wirklich noch wie ein Schallplatten-Arm, nur in kleiner und schneller. Meine Idee war einfach, die 100 Bilder in einer einzigen Datei zu speichern. Der Rechner lädt nur diese eine Datei von der CD, und erst in seinem Speicher wird die eine Datei dann in die 100 einzelnen Bilddateien zerschnitten. Klingt jetzt nicht besonders revolutionär – aber oft sind die einfachsten Ideen ja die besten: Meine CDs luden zehnmal, ach was, fünfzigmal schneller. Zusätzlich entwickelte ich Buttons, die optisch pulsierten, schnelle Foto-Animationen, einen besonders hochwertigen Video-Player und viele weitere Funktionen, die der Wettbewerb nicht beherrschte.

      Das blieb nicht unbemerkt, und mehrere Agenturen beauftragten mich, für ihre großen Kunden Multimedia-CDs umzusetzen. Meine Technologie erlaubte ihnen, gegen andere Agenturen im Pitch um die großen Budgets zu gewinnen. Meine CDs begeisterten mit schnelleren Ladezeiten, schöneren Animationen und neuen Funktionen, die andere nicht anbieten konnten. So durfte ich recht schnell für Auftraggeber wie Agfa, 1&1, den Deutschen Bundestag und sogar für den Anbieter einer Potenz-Spritze arbeiten – ja, ja, lacht jetzt ruhig, aber ich war jung und brauchte das Geld. Der kritische Punkt war immer die Lieferung des »Gold Masters«, den ich von meiner kleinen Wohnung in Bonn in die große weite Welt liefern musste.

      Das Brennen von CDs war in der Zwischenzeit recht einfach und stabil geworden. Aber der Gold Master wurde millionenfach auf CDs gepresst. Jetzt lag die Herausforderung in der fehlerfreien Software. Wenn die Software auf dem von mir gelieferten Master einen kritischen Fehler gehabt hätte, wäre ein katastrophaler finanzieller Schaden entstanden. Du kannst dir vorstellen, wie ich in meinem Zimmerchen saß, mit spitzen Fingern den Gold Master aus dem Brenner nahm und ihn sorgfältig in ein Jewel Case packte, während ich zum Software-Gott betete, dass beim Kunden alles einwandfrei funktionieren würde. Heute kann man alles online updaten, die Entwicklungswerkzeuge warnen den Programmierer vor möglichen Problemen, und es muss nicht alles in vier Megabyte RAM passen. Aber damals war es rückblickend wirklich verrückt: Ein kritisches Problem – und Millionen von CDs, die ja auf den Zeitschriften klebten, wären unbrauchbar gewesen. Es hätte keine Chance gegeben, dies nachträglich zu beheben. Ich habe damals unfassbar viel falsch gemacht, aber auch verdammt viel richtig und vor allem viel gelernt. Die neuen Möglichkeiten waren faszinierend, und ich hatte jeden Tag neue Ideen. Der Arbeitstag begann um elf Uhr morgens und endete zwischen ein Uhr und drei Uhr nachts. Vor einer Deadline wurde es auch oftmals sechs Uhr. Dann holte ich ab und zu frische Brötchen und frühstückte mit meinem Vater, der immer sehr früh ins Büro fuhr.

      Multimedia-CDs waren ein großer Hit, und das Geschäft lief. Es gab bloß ein Problem: Ich war ein sehr schlechter Verkäufer meiner eigenen Leistung. Oft bot ich mein Produkt weit unter Wert an – ich war so euphorisch, wenn ein Kunde Interesse zeigte, dass ich den Auftrag keinesfalls am Preis scheitern lassen wollte. Oder ich unterschätzte den Arbeitsaufwand durch meine Euphorie so sehr, dass ich auf einen lächerlichen Stundenlohn kam. Als Putzkraft in einem der zahlreichen Bonner Ministerien hätte ich deutlich mehr verdient. Oft reichte es gerade so fürs Essen, den MSN-Zugang und die Telefonrechnung. Wenn es mal richtig gut lief, blieb Geld für Software-Updates, Hardware-Updates oder neue Software-Bücher übrig. Zum Glück zahlten meine Eltern die Miete für meine Wohnung, und meine

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