DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina Kramer

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DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband - Ina Kramer Das Schwarze Auge

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Ankunft in Brelak erst dreimal gesehen hatte – das erste Mal, als man ihn, blaß und leidend zwar, doch wunderschön und elegant, vor zwei Tagen in der offenen Kutsche zum Gutshaus gebracht hatte, das zweite Mal gestern, als sie seine Kammer ausfegen mußte, und das dritte Mal am heutigen Morgen, als es ihr vergönnt war, ihm das Frühstück aufs Zimmer zu bringen.

      »Halt dich fern von dem jungen Herrn«, ermahnte Hilgert sie, als sie ihm mit geröteten Wangen von dem seelenvollen Ausdruck des einen sichtbaren Auges, von der vornehmen Bildung der männlich-schlanken Hände, dem warmen Klang der Stimme und der über alle Maßen zierlichen Ausdrucksweise des neuen Gastes berichtete.

      »Warum?« fragte das Mädchen überrascht. Der düstere Blick des Stallmeisters bohrte sich so tief in die braunen Augen der Magd, daß es ihr nach einer kurzen Weile schien, als schaue er sie nicht an, sondern durch sie hindurch, und ein Gefühl von Beklommenheit bemächtigte sich ihrer und vertrieb ihre Freude und gute Laune. »Warum?« wiederholte sie, trotzig diesmal.

      »Er wird Kummer und Unglück über dich bringen, wenn du ihm zu nahe kommst.«

      »Immer redet Ihr so, alter Mann.« Damilla senkte den Blick und wand gedankenverloren das Ende ihres dicken braunen Zopfes um den Finger. »So daß man ernst wird, wenn man vorher lustig war, und traurig, wenn man vorher froh war. Gönnt Ihr denn keinem eine Freude, oder könnt Ihr in die Zukunft schauen und seht dort nur Schlimmes und Böses?« Der letzte Satz war wohl nicht als Frage gemeint, denn schon plapperte sie weiter, das Zopfende immer verbissener zwirbelnd. »Als das junge Fräulein zur Welt gekommen ist, da habt Ihr auch von schlechten Vorzeichen geredet, aber das Kind ist ganz gesund und schön und hat alle Finger und Zehen, und die Frau hat sich schon nach drei Tagen vom Wochenbett erhoben, und die Saat ist gut aufgegangen, und der Herr und die Herrin leben in traviagefälliger Eintracht. Und jetzt … und nun, da ich Euch nur erzählt habe, welch vornehmer und freundlicher Mann der Halbbruder unserer Herrin ist und wie wohlgesetzt er zu reden versteht, da sagt Ihr, daß er mich ins Unglück stürzen wird. Warum? Wollt Ihr mich ärgern? Ich habe doch nichts Schlechtes gesagt oder getan.«

      »Ich will dich nicht ärgern, Kind«, erwiderte Hilgert sanft, schaute das Mädchen jedoch so ernst, ja fast grimmig an, daß sie unwillkürlich einen Schritt zurückwich, »und ich kann auch nicht in die Zukunft blicken, aber oft fühle ich es, wenn ein Unglück sich naht – das muß nicht morgen oder übermorgen sein oder in einem Mond …«

      »In einem Mond ist der Herr Fuxfell längst abgereist; ich hab’s mit eigenen Ohren gehört, wie er gesagt hat, daß ihn dringende Geschäfte nach Kabash rufen.« Damilla nestelte weiter an ihrem Zopf und schob trotzig die Unterlippe vor.

      »Und warum ist er nicht von Methumis gleich dorthin gereist? Es liegt ja fast am Wege.«

      »Ich weiß nicht, wo Methumis und Kabash liegen, aber wahrscheinlich wollte er zuerst sein neues Nichtchen besuchen. Seht Ihr, das ist es, was ich meine: Immer seid Ihr mißtrauisch und macht ein Firunsgesicht, so lang und finster, daß man selbst eins kriegt …« Damilla hielt verlegen inne, aber der Alte schien ihre Worte nicht gehört zu haben.

      »Ich bin nicht froh über diese Gabe, die eher eine Strafe ist«, sagte er, »da ich weder weiß, was die Zukunft bringen wird, noch, wie ich das Unglück verhüten soll, das ich erahne. Auch du wirst meinen Rat nicht befolgen, dich fernzuhalten von dem jungen Herrn …«

      »Er beachtet mich ja gar nicht«, fiel Damilla ihm ins Wort. »Er kennt bestimmt die feinsten Damen von Methumis und Kabash, wie soll ihm da eine wie ich gefallen? Ich bin ihm sicher zu dick und zu dumm …«

      »Du bist frisch und jung, du gefällst ihm«, sagte Hilgert bestimmt, »doch nun muß ich mich wieder meiner Arbeit zuwenden, und auch du wirst gewiß schon im Haus oder in der Küche vermißt.« Brüsk wandte der Alte sich um und stapfte mit großen Schritten zum Stall.

      »Und wann darf ich endlich das kleine Prinzeßchen sehen?« fragte Fuxfell und hob erwartungsvoll Braue und Lid des unverhüllten Auges. Er hatte sich soeben mit Durenald und Kusmine zur Mittagstafel begeben, der ersten gemeinsamen Mahlzeit.

      »Sehen dürfen?« lachte Kusmine und schnitt sich ein großes Stück des saftigen Wildschweinbratens ab – ein Meisterwerk Titinas mit einer Sauce aus frischen Frühlingskräutern, tulamidischen Spezereien und getrockneten Waldpilzen. »Keiner hat sie dir bisher vorenthalten, und es ist das erste Mal, daß du nach ihr fragst. Aber ich freue mich ja, daß du es tust, und auch daß es dir ganz offensichtlich besser zu gehen scheint.« Sie legte eine Pause ein, um den Bissen in den Mund zu stecken, ihn mit Behagen zu kauen und zu schlucken. »Nun«, sagte sie mit einem kurzen Blick unter leicht gerunzelten Brauen zu dem fahlen Blauton, den die Arivorer Butzenscheiben vom Himmel übrigließen, »es dürfte jetzt etwa eine Stunde nach Mittag sein. Wenn es sich mit deinen Plänen deckt, dann werden die beiden Kriegerinnen dich um die dritte Stunde in der Kinderstube erwarten.«

      Zordan Fuxfell deutete eine Verbeugung in Richtung seiner Halbschwester an. »Es wird mir ein Vergnügen und eine Ehre sein, den schönen Damen des Hauses meine Aufwartung zu machen.« Dann wandte er sich an Durenald, dem er, den suchenden Blick des Gastgebers bemerkend, mit verbindlichem Lächeln eine Schüssel voll duftender Hirseklöße reichte. »Aber wollt Ihr den Damen nicht auch die Ehre geben, teurer Schwager? Ein Familienidyll in der Kinderstube.« Das Lächeln wurde breiter. »Und wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, dann habe ich nicht nur für die liebreizenden Kriegerinnen Präsente in meinen Satteltaschen, sondern auch eine Kleinigkeit für Euch.«

      Als Zordan Fuxfell zwei Stunden später die Kinderstube betrat, bot sich ihm ein Bild, wie es traviagefälliger nicht sein konnte: Kusmine thronte auf einem rotgepolsterten Sessel, das gutgelaunte Wickelkind auf dem Schoß. Ihr zur Seite saß ihr Gatte auf einem niedrigen Schemel und versuchte erfolgreich, durch das Ausstoßen seltsamer Laute, bei deren Erzeugung sich seine Züge aufs absonderlichste verzerrten, das Kind zum Lachen zu bringen. Kusmine beobachtete Durenalds Treiben mit lächelndem Kopfschütteln, konnte sich aber der allgemeinen Heiterkeit nicht entziehen; sie warf den Kopf in den Nacken und lachte hell auf, als es an der Tür klopfte.

      Susa öffnete und ließ mit einem flüchtigen Knicks den Neuankömmling ins Zimmer treten. »Braucht Ihr mich noch, Euer Edelgeboren?« fragte sie.

      »Nein, geh nur, Susa«, erwiderte die Angesprochene, »und laß dir von Titina eine Erfrischung bereiten. Und sag Damilla, sie soll Tee und Gebäck bringen.«

      Fuxfell verharrte beim Anblick der Familie kurz in gespielter Anbetung und preßte die Linke an die Brust. »Welch ergreifendes Bild, man sollte es malen«, hauchte er. Dann näherte er sich mit federnden Schritten seiner Nichte und verneigte sich tief. »Schönstes Fräulein, nehmt mein Herz, das ich Euch zu Füßen lege.«

      Das Kind hatte, als Fuxfell das Zimmer betrat, ihrem Vater, der, als es klopfte, rasch seine Züge geordnet und ihnen einen verbindlichen Ausdruck verliehen hatte, keinerlei Aufmerksamkeit mehr geschenkt, sondern beobachtete vielmehr jede Bewegung des Gastes mit großen wachsamen Augen. Nun richtete Fuxfell sich auf und lächelte seine Nichte an.

      Thalionmel erwiderte den Blick des einen schwarzen Auges ernst und unerschrocken. »Fürwahr, ein schönes Kind, liebe Schwester«, wandte sich Fuxfell an Kusmine. »Wie heißt sie noch gleich?«

      »Thalionmel.«

      »Ein ungewöhnlicher Name, aber man wird sich daran gewöhnen – man wird sich daran gewöhnen müssen, nicht wahr, kleine Thalionmel? Denn in ein paar Jahren wirst du nicht nur sämtliche Männerherzen brechen, du wirst auch deine Widersacher das Fürchten lehren, so grimmig, wie du schaust. Ja, eine glänzende Karriere liegt vor dir, meine Teure, um die ich dich

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