DSA 109: Hjaldinger-Saga 3 - Eis. Daniel Jödemann

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DSA 109: Hjaldinger-Saga 3 - Eis - Daniel Jödemann Das Schwarze Auge

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hatte den ganzen Morgen kaum drei Worte über die Lippen bekommen. Das war nicht ungewöhnlich, aber er hatte gehofft, dass es half, wenn sie endlich allein waren und Hagnisdala und damit ihr Vater Tjalf und ihre Stiefmutter Hjalda nur noch fingerkuppengroße Punkte am Horizont waren.

      »Nur drei Sommer Geduld und sie stechen dir auch die Sippenrune.« Er wies auf ihren Arm. »Dann musst du nicht mehr jeden Morgen bei Hjalda vorsprechen.«

      »Ich hab nichts gegen sie«, presste Jurga hervor, ohne dem Blick ihres älteren Bruders zu begegnen. »Ganz egal, was Vater behauptet.«

      Hasgar räusperte sich. Hätte sie all das doch am Ufer zurückgelassen. »Halt dich etwas weiter südlich. Letztens habe ich bei Alfarz’ Insel zwei volle Netze aus dem Wasser gezogen, wir sollten dort unser Glück versuchen.« Er sah zurück. »Wenn uns die Möwen nicht bestehlen.«

      Noch waren die ebenso frechen wie flinken Räuber nicht auf die Kinder des Hersirs aufmerksam geworden. Die Gletschermöwen blieben an den Klippen. Dabei waren die pfeilschnellen Vögel doch eigentlich gerissen genug, um zu wissen, dass leichte Beute heraussprang, wenn eines der kleinen Boote von Hagnisdala auf das Meer hinausfuhr. Niemand konnte es ihnen verdenken – so hoch im Norden war jeder darauf angewiesen, dem kargen Land so viel wie nur möglich an Essbarem abzutrotzen.

      Er seufzte laut. »Wünschst du dir nicht manchmal auch, Vater hätte die Sippe nicht hierhin zurückgeführt, als wir Eyjattur verlassen mussten?«

      »Wir waren zu klein – selbst du. Behaupte nicht, du erinnerst dich noch daran.«

      »Ein wenig«, beharrte er.

      »Das hier ist unser Land«, presste Jurga hervor. »Es war nur richtig, dass wir hierher zurückkehren. Hier sind unsere Wurzeln, hier liegen unsere Ahnen begraben. Keine Sippe sollte sich zu weit von den Gebeinen ihrer Vorfahren entfernen – ist es nicht das, was Vater immer sagt?«

      Hagnisdala war nach Hagni benannt, auf den sich auch ihre Sippe als Stammvater berief; ihr legendärer Ahn, der für seine Beharrlichkeit bekannt war und sich standfest geweigert hatte, seine Heimat zu verlassen.

      »Zumindest müssen wir uns keiner Riesen erwehren.« Hasgar beendete die Prüfung des Netzes. »Sicher erinnern sie sich noch an die Abreibungen, die Hagni ihnen verpasst hat, und sie ziehen es vor, in ihren Höhlen zu bleiben. Trotzdem wünschte ich mir manchmal, im Sommer ein paar mehr Blumen blühen zu sehen und nicht Stunden damit zu verbringen, einige abgemagerte Fische zur Bereicherung unseres Speiseplans zusammenzutreiben. Schon etwas weiter südlich sind die Winter milder, die Wiesen grüner und das Wild zahlreicher.«

      »So solltest du nicht reden, wenn du jemals in Vaters Fußstapfen treten willst.«

      Er grinste flüchtig. »Ich denke nicht, dass das Hersirsamt in meiner Zukunft liegt.« Er musterte seine jüngere Schwester aufmerksam. »Jemand, der für seine Dickköpfigkeit und Sturheit bekannt ist, so wie Hagni und Vater, den wählen sie in unserer Sippe immer.«

      »Das sind gute Nachrichten für Tola«, murmelte Jurga.

      Schmunzelnd ließ er den Blick über die Wasseroberfläche wandern, den weiten grauen Spiegel. Sie kamen gut voran. Das Meer fiel kurz hinter der Bucht stark ab und das graublaue Wasser wurde von tiefdunklem abgelöst. Ein Stück entfernt ragte ein zerklüfteter Holm hervor. »Wir sind da, leg die Riemen beiseite. Kommen wir der Insel nicht zu nahe. Eine Nikwis lebt da, vergiss das nicht. Sie wird zornig und die Fische vertreiben, wenn wir sie stören.«

      Jurga verharrte. Ihre dunkelgrünen Augen wanderten, wie so oft, zum Horizont – wie immer, wenn sie auf dem Meer waren, so als sähe sie dort etwas, was ihm verborgen blieb. In ihrem Gesicht regte sich kein Muskel.

      Er kannte diesen Ausdruck nur zu gut. Ihre Gedanken waren woanders und sie vergaß alles um sich herum – so als lauschte sie einem fernen Lied, das über das Meer heran wehte. Früher hatte er sie bisweilen damit aufgezogen. Inzwischen wusste er, dass es mehr war als nur eine wunderliche Eigenart oder eine kindliche Marotte.

      Doch es war besser, sie nicht darauf anzusprechen, selbst wenn ihr Vater sie hier draußen nicht hörte. Das Thema war zu brenzlig und führte nicht selten zu Geschrei und fliegenden Fäusten. Eine Ablenkung musste her.

      »Auf mit dir!« Er gab ihr einen ungeduldigen Wink. »Hilf mir mit dem Netz, ehe die Fische zu dem Schluss kommen, dass sie heute nicht mehr gefangen werden und sich ein anderes Boot suchen.«

      Sie reagierte nicht, runzelte lediglich die Stirn. Sie strich sich über die Arme, so als fröstelte sie.

      »Jurga?«, hakte er nach.

      Ihre Augen huschten unruhig umher.

      Hasgar folgte ihrem Blick, hinaus auf die weite dunkelgraue Wasserfläche, in der sich die Wolkenmassen widerspiegelten. Es war düster geworden, und das ungewöhnlich rasch. Doch selbst wenn nun Regen einsetzte oder ein Sturm aufkam, war die rettende Bucht von Hagnisdala nicht fern.

      Allerdings lag auch der feine grauweiße Schleier immer noch über dem spiegelnden Meer – einer, der sich sonst nur im Frühjahr oder Herbst zeigte. Die Nebelschwaden regten sich kaum, kein Lüftchen versetzte sie in Wallung.

      »Kehren wir besser um«, murmelte Jurga.

      »Warum das?«

      »Nur so ein Gefühl«, raunte sie, kaum noch zu hören.

      Jeder andere würde sie ermahnen, ihre Warnung als unsinnig abtun – das Geschwätz eines verängstigten Kindes. Er wusste es nach all den Jahren besser. »Ist es … Ist er es? Spricht er mit dir?«

      »So funktioniert es nicht, und das weißt du.« Jurga kniff die Augen zusammen und spähte hinaus aufs Gletschermeer.

      Hasgar blickte sich um. »Das Meer ist doch ruhig. Denk daran, was Vater gesagt hat. Kehren wir besser nicht mit leeren Händen zurück.«

      Seine Schwester riss sich von dem Anblick los und schüttelte den Kopf, so als vertriebe sie eine unangenehme Erinnerung oder einen störenden Gedanken. »Verzeih mir.«

      Sie erhoben sich. Das Boot schwankte kaum unter ihren Füßen, als sie behutsam und hundertmal eingespielt das Netz entfalteten. Dabei achteten sie sorgsam darauf, dass sich die Senker nicht verwickelten.

      »Willst du es werfen?«, bot Hasgar an.

      Sie sah auf. »Du fragst doch sonst nicht. Warum heute?«

      Er grinste schief. »Vielleicht habe ich ja …«

      Ihre Augen weiteten sich. Sie hob abrupt die Hand. »Vorsicht, da …«

      Ein heftiger Stoß erschütterte das Fischerboot. Hasgar wurde von den Beinen gerissen und landete kopfüber im Netz. »Was, bei Rondris …«

      Jurga rappelte sich wieder auf. Alarmiert hob sie den Kopf, spähte über den Rand des Bootes hinweg. Was auch immer sie sah, Entsetzen lag in ihren Augen. »Hasgar …«

      Er sah rundum nur Bordwände und über sich den stumpfgrauen Wolkenhimmel. Die Panik im Gesicht seiner Schwester ließ ihm einen kalten Schauder über den Rücken laufen. Verzweifelt kämpfte er gegen das Netz an. »Jurga! Hilf mir, verdammt!«

      Ein weiterer Stoß ging durch das Boot und warf Jurga zu Boden. Dieses Mal neigte es sich bedenklich zur Seite und ein Schwall frostig-kalten Wassers

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