Geschichten, die Mut machen. Leo F. Aichhorn

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Geschichten, die Mut machen - Leo F. Aichhorn

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eine willkommene soziale Bereicherung. Mit 16 Jahren baute er eine Bandsäge, um lange Bretter durchschneiden zu können, die nach 85 Jahren im familiären Betrieb noch immer funktionsfähig ist. Seine größte Herausforderung als Teenager hatte Ludwig als Maschinist einer Wanderdreschmaschine. Diese Maschine begleitete er als Verantwortlicher von Bauernhof zu Bauernhof, wo das in einer Scheune gelagerte Getreide nicht mehr mit Dreschflegeln auf der Tenne, sondern nunmehr maschinell aus dem Stroh gedroschen wurde. Angetrieben wurde das hölzerne Monster durch einen Dampfkessel, der über eine Riemenscheibe für die erforderlichen Drehbewegungen sorgte. Als Maschinist hatte er dafür zu sorgen, dass das Gerät sachgerecht aufgestellt war, einwandfrei funktionierte und der Input von Getreidegarben und der Output als Stroh und Körner friktionsfrei abliefen. Zu beachten galt es auch, dass die zahlreichen Personen im Arbeitsprozess entsprechend der Leistungsfähigkeit der Dreschmaschine und ihren körperlichen Fähigkeiten eingeteilt wurden. Es war in der Landwirtschaft der Beginn eines halbmaschinellen Arbeitsprozesses, indem sich der Mensch der Leistungsstärke der Maschine anpassen musste. Wenn etwa ein Sack bei der Abfüllanlage mit Getreidekörnern gefüllt war, musste er sofort durch einen leeren ersetzt, geschultert und in einen Getreidekasten im ersten Stock zur Lufttrocknung gebracht werden.

      Diese Säcke hatten ein Gewicht zwischen 80 und 100 Kilogramm und konnten nur von sehr starken Männern über die steilen Holzstiegen getragen werden. Andererseits musste das Stroh von der Maschine entfernt werden, damit es keinen Stau gab. Der Einsatz einer Dreschmaschine erforderte mehr Personal, als üblicherweise auf einem Bauernhof beschäftigt war. Daher war Nachbarschaftshilfe angesagt. Am Ende eines langen und schweren Arbeitstages stand ein kräftiges Abendessen mit Most, das nicht selten einen musikalischen Ausklang hatte.

      Die Dreschmaschine war sehr schwer, ohne Luftpneus bereift und konnte auf schmalen und unbefestigten Hohlwegen im bergigen Gelände oft nur mühsam transportiert werden, vor allem dann, wenn der Weg durch Regen aufgeweicht war. In Fällen, in denen die Pferde versagten, mussten Ochsen vorgespannt werden, die die Sache langsamer, aber dafür mit mehr Kraft angingen.

      Anfang der 30er Jahre heiratete die Mutter von Ludwig ihren Bauernknecht, wodurch dieser zum Bauern aufstieg. In dieser Rolle veränderte er sich stark: Er arbeitete immer weniger und gab das Geld, das er beim Verkauf eines Stieres vom Fleischhauer bekam, in den von ihm häufig besuchten Gasthäusern aus, von wo er dann betrunken nach Hause kam. Er wirtschaftete den Hof in den Ruin. In der ehelichen Beziehung wurde er vermehrt gewalttätig, und als er eines Tages wieder seine Frau schlug und Ludwig mitansehen musste, wie er seiner Mutter körperliche Gewalt antat, warf Ludwig im Alter von 16 Jahren seinen Stiefvater mit den Worten aus dem Haus: „Verschwinde und komm ja nie wieder zurück!“

      Wie alle wehrfähigen Männer musste auch Ludwig als 19-Jähriger 1939 zur Deutschen Wehrmacht. Der von Adolf Hitler zunächst als Vergeltung gegenüber den Siegermächten des Ersten Weltkriegs und als Eroberung gestartete Krieg wurde in der Folge zum weltweiten Vernichtungskrieg mit noch nie da gewesenen Gräueltaten, Verletzten, Toten und am Ende traumatisierten Menschen. Von den Zerstörungen ganz zu schweigen. Ludwig, als ein 182 cm großer und durch sein Anpacken in der Landwirtschaft kräftiger und selbstbewusster Mann, brachte es bis zum Unteroffizier (nach dem Oberfeldwebel der dritthöchste Rang bei den Unteroffizieren). Seine Führungsqualitäten waren seinen Vorgesetzten nicht verborgen geblieben. So forderten sie ihn auf, die Offiziersschule zu besuchen und die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Seine Ablehnung brachte ihn fast vor das Kriegsgericht wegen Wehrdienstverweigerung. Erst als er argumentierte, dass er nach dem hoffentlich bald zu Ende gehenden, siegreichen Krieg wieder als Bauer arbeiten möchte, wurde von einem folgenschweren Gerichtsverfahren abgesehen. Seine Einsätze als Infanterist führten ihn in die Ukraine und nach Russland mit den kältesten Wintern. Bei Temperaturen bis -40° C wären ihm beinahe die Hände eingefroren. Nur einem gefangenen russischen Soldaten verdankte er, dass er keine bleibenden Schäden davontrug, indem er ihm die Hände mit Schnee einrieb und so über die angeregte Durchblutung wieder Leben in die Hände brachte.

      Sein jüngerer und als Hoferbe vorgesehener Bruder Franz verlor wie so viele seiner Kameraden als Soldat in Russland sein Leben, und niemand in seiner Familie erfuhr jemals etwas über seine letzte Ruhestätte, wenn von einer solchen überhaupt geredet werden kann. Die Mutter von Ludwig starb in den Kriegsjahren, wodurch er den Bauernhof am Pfenningberg erbte. Während seiner Militärzeit führte seine ältere Schwester mit zwei Frauen aus Polen den Hof, die von der deutschen Regierung zur Zwangsarbeit abgestellt wurden. Bei seinen wenigen Heimaturlauben überzeugte sich Ludwig, dass der Betrieb zufriedenstellend geführt wurde und es den Zwangsarbeiterinnen an nichts fehlte. Schon in der Zwischenkriegszeit war der Hunger in der städtischen Bevölkerung groß, und die Lebensmittelmarken reichten kaum zum Überleben. Daher scheuten die Stadtmenschen den weiten Fußmarsch zu den Bauern am Pfenningberg nicht, um sich dort mit Milch, Eiern, Butter und Brot einzudecken. Die Lebensmittelknappheit machte die Bauern damals zu Direktvermarktern, wie wir sie heute von Biobauern kennen.

      Gegen Ende des Krieges bombardierten die alliierten Streitkräfte die Infrastrukturanlagen in Deutschland und in der Ostmark (Österreich). Da Hermann Göring auch in Linz ein Stahlwerk für die Rüstungsindustrie bauen ließ, wurde dieses ein Ziel der englischen Bomber. Viele Bomben verfehlten ihr Ziel und flogen in und über den Pfenningberg und richteten großen Schaden an. Als Ludwig nach Kriegsende und wochenlangen Märschen über Polen und Tschechien schwer erschöpft endlich nach Hause kam, traf ihn fast der Schlag. Der gesamte Bauernhof war zerbombt, und er fand nicht einmal seine Zivilkleider vor, um endlich die Soldatenuniform ablegen zu können. Der riesige Bauernhof war ein Trümmerhaufen. Mehr als fünf Jahre seines Lebens hatte er als junger Soldat dem wahnsinnigen Hitler und seinem Regime geopfert, permanent in Lebensgefahr geschwebt und war mehrmals verwundet worden, und nun dieses Desaster. Abgemagert und psychisch gebrochen ging er zu seinem Nachbarn und bat um Hilfe. Doch als er in Soldatenuniform den Hof betrat, wurde er von befreiten Insassen aus dem Konzentrationslager Mauthausen umstellt. Sie hielten Gewehre im Anschlag, die sie auf Grund ihres körperlichen Zustandes kaum halten konnten, und drohten ihm sofort mit dem Erschießen. Nur dem beherzten Einschreiten seiner beiden Zwangsarbeiterinnen aus Polen mit den Worten: „Nix schießen, das gute Bauer!“ verdankte er sein Leben. Er wurde aufgefordert, sofort zu verschwinden. Aber wohin? Sein menschenwürdiges Verhalten, das auf der Grundlage seines christlich-sozialen Weltbildes beruhte, rettete ihm das Leben.

      Mit der Familie auf Wanderschaft

      Nach Jahren in der Fremde und vor dem Nichts zu Hause war für Ludwig ein Neubeginn alternativlos – beruflich und familiär. Bekanntlich gab es nach dem Krieg keine Online-Partnerbörsen, wo man sich zwischen hunderten von Frauen oder Männern entscheiden kann. Die spärlichen Veranstaltungen und Personen mit häufigen Hauskontakten waren wesentliche Vermittler bei der Suche nach einem geeigneten Partner oder einer geeigneten Partnerin. Nicht selten hatten beispielsweise Schweinehändler nicht nur Kenntnis über den Schweinebestand an einem Bauernhof, sondern auch über die eine oder andere Heiratspartie. Vor allem deshalb, weil zu diesen Zeiten nicht die Charaktereigenschaften einer Frau oder eines Mannes im Vordergrund standen, sondern die Größe des bäuerlichen Betriebes und die damit verbundene Mitgift. Die persönlichen Wünsche und Eigenschaften der Partnerwahl wurden als vernachlässigbar angesehen, da sie von der künftigen, schweren Arbeit überlagert wurden. Ludwig ging den traditionellen Weg und lernte über eine Tanzveranstaltung in der näheren Umgebung Johanna kennen.

      Johanna war um ein Jahr älter als Ludwig und entstammte einer Großfamilie mit elf lebenden Kindern. Ihr pfeiferauchender Vater war von mittlerer Größe mit einer etwas rundlichen „Bauchmuskulatur“ und dem obligatorischen Oberlippenbart. Auf seinem Pfeifenständer am Fensterbrett stellte er sein Rauchequipment, sortiert nach Wochen- und Feiertagspfeifen, ab. Als Glasermeister in Heimarbeit war er viel zu Hause und beschäftigte sich wohlwollend mit den Kleinkindern. Für ihn war nichts ein Problem, da er sich an der Kindererziehung und Haushaltsführung nach dem Prinzip „Es wird sich schon alles irgendwie von selbst richten“ nicht beteiligte.

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