Geschichten, die Mut machen. Leo F. Aichhorn
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Auch das geliebte Motorrad, Ludwigs einziges Fortbewegungsmittel, stand bis über den Lenker im Wasser und war instandsetzungsbedürftig. Vorsorglich hatte er zwar seine 1.000er Panter (1.000 Ccm Hubraum) auf die Hobelbank in der Werkstätte gestellt im Glauben, da könnte es vom Hochwasser unbeschadet bleiben. Dem war aber leider nicht so und er hatte viel zu tun, um den Einzylinder mit langem Hubraum mit nur etwa 60 Umdrehungen pro Minute im Standlauf4 wieder in Fahrt zu bringen. Aber wie immer schaffte er auch diese Herausforderung mit viel Geduld und Ausdauer.
4 Die heutigen Bikes haben die 25-fache Umdrehungsgeschwindigkeit.
Die bescheidenen Bildungsmöglichkeiten
Im Jahr 1953 wurde in der 500-Seelen Gemeinde von Ludwig und Johanna eine neue Volksschule gebaut. Den Pflichtschulbesuch konnte man in Österreich bis in den 60er Jahren mit 8 Jahren Volksschule absolvieren. Erst später wurde mit dem polytechnischen Lehrgang die allgemeine Schulpflicht auf 9 Jahre verlängert und in der Folge der verpflichtende Besuch einer Hauptschule (als Sekundarstufe) nach dem vierten Volksschuljahr eingeführt. Wer eine Hauptschule besuchen wollte, musste am frühen Morgen mit dem Postautobus in den 6 km entfernten Nachbarort fahren und kam erst abends mit diesem wieder zurück.
Martin hatte eine große Freude, als er mit sechs Jahren in die Schule gehen und endlich lesen, schreiben und rechnen lernen durfte. So etwas wie einen Kindergarten gab es nicht und daher auch keine Vorkenntnisse für den Schulbeginn. Freudig erregt und angespannt machte sich Martin auf den Weg zum 300 m entfernten Schulgebäude. Die lederne Schultasche mit der hölzernen Federschachtel am Rücken marschierte er, entsprechend dem damaligen Rechtsgehgebot, am rechten Straßenrand der Schotterstraße im großen Bogen um den Mesnergarten, um zur Schulstraße zu gelangen. Normalerweise nahm er immer die Abkürzung durch den Mesnergarten, aber der erste Schultag war für ihn etwas Besonderes. So als würde er schon auf dem Weg zur Schule von den Lehrern für sein Verhalten benotet. Das Schulgebäude hatte zwei Schulklassen im Erdgeschoß und eine Schulklasse im ersten Stock, wo sich auch die Wohnung des Schuldirektors befand. Trotz der drei Schulklassen gab es nur zwei Lehrpersonen: eine junge Lehrerin und einen Lehrer, der gleichzeitig Schuldirektor war. Eine Hauptschulpflicht gab es im elften Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch nicht. Außerdem waren die meisten Eltern der schulpflichtigen Kinder Landwirte oder bei solchen beschäftigt und sahen keine Veranlassung, ihren Kindern einen höheren Schulabschluss, als sie ihn selbst hatten, zu ermöglichen, da sie ja auch ohne diesen durchs Leben kamen.
Diese Einstellung führte dazu, dass drei von vier Schülern die 8-jährige Volksschule bis zu ihrem Ende besuchten. Mit zwei Lehrpersonen in zwei Klassen. Wie ging das?, werden sich heute viele fragen, die lediglich den Präsenzunterricht von einem Jahrgang in einer Klasse mit einer Lehrperson oder dem Teamteaching mit zwei Pädagogen sowie das Homeschooling kennen. Die junge Lehrerin unterrichtete in ihrer Klasse die Jahrgänge 1 bis 3 und der Direktor brachte den Schülern der Jahrgänge 4 bis 8 das Grundwissen bei. Die Lehrerin unterteilte die Jahrgänge in die Abteilung 1 mit den Schulanfängern und in die Abteilung 2 mit den Jahrgängen 2 und 3. Der Schuldirektor unterteilte wiederum seine Jahrgänge in die Abteilung 1 mit den Jahrgängen 4 und 5 und in die Abteilung 2 mit den Jahrgängen 6 bis 8. Während die Pädagogen die Schüler einer Abteilung unterrichteten, wurde den Schülern der anderen eine Aufgabe gestellt und umgekehrt. Das bedeutete, dass die Jahrgänge 2 und 3 sowie 4 und 5 zwei Jahre und die Jahrgänge 7 bis 8 drei Jahre lang im Wesentlichen dasselbe präsentiert bekamen. Der Unterrichtsstoff war wenig, jedoch die geistige Verankerung durch das mehrmalige Wiederholen dauerhaft. Wettrechnen war eine sehr beliebte Methode des Direktors, um kognitive Fähigkeiten und logisches Denken bei den Schülern herauszufinden, und beeinflusste auch die Mathematikbenotung. Dabei stellte er verbal eine Rechenaufgabe und wer sie am schnellsten gelöst hatte, lief mit dem Ergebnis zu ihm und bekam ein Hakerl oder eine Eins. Martin musste sich in dieser Disziplin nur selten geschlagen geben.
Die pädagogischen und didaktischen Methoden von damals unterscheiden sich erheblich von den heutigen. Jede Woche wurden zwei Schüler verpflichtet für den Klassendienst: Die Tafel musste gelöscht werden und im Winter waren Holzspäne zum Anzünden des Klassenofens zu hacken, Brennholz in die Klasse zu tragen und die Aschenlade war zu leeren. Vor Unterrichtsbeginn mussten täglich die „Klassendienstler“ in Ermangelung von Fließwasser frisches Wasser von einer Handwasserpumpe in einem Lavoir bereitstellen. Wer seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte, musste nach Schulschluss mindestens eine Stunde in der Klasse nachsitzen und irgendetwas abschreiben oder das Einmaleins auswendig lernen. Kleinere disziplinäre Vergehen wie Schwätzen oder Abschreiben ahndete der Direktor meist durch Schläge mit dem Lineal auf die Finger oder durch Ziehen an den Haaren.
Der Schuldirektor hatte in Geschichte nie über den Zweiten Weltkrieg gesprochen und wenn die schrecklichen Kriegsereignisse trotzdem thematisiert wurden, beendete er die Diskussion mit dem Hinweis, dass die Schüler keine Ahnung davon hätten. Das war zwar richtig, aber kein Grund, nicht mehr darüber zu erfahren. Vielleicht war seine Zurückhaltung sogar besser, da den Schülern eine sehr subjektive Sichtweise vermittelt worden wäre. Augenscheinlicher wurde seine frühere politische Einstellung beim Turnunterricht. Geräteturnen war wegen der fehlenden Geräte nicht möglich. Statt Kastenspringen hüpften die Schüler laufend über ihre vorderen Kollegen, die einen „Bock“ machten. Begonnen wurde aber jede Turnstunde der Buben mit dem Antreten in einer Reihe und der Größe nach. Mit „Habt acht!“ und „Rechts um!“ ging es im Laufschritt rund um die Tische im Klassenzimmer. Dabei mussten die Schüler über den Haselnussstab, den der Direktor in einer Höhe von 50 bis 60 cm hielt, springen. Wer das nicht schaffte, bekam den „Herrn von Haselnuss“ zu spüren. Nur alle zwei Jahre gab es am provisorischen Fußballfeld eine Leichtathletik-Turnstunde, die Martin besonders liebte. Körperliche Ertüchtigung eigneten sich die Buben ohnedies auch in der einstündigen Mittagspause auf der „Blutwiese“ an, einer Wiese in Schulnähe, wo die Halbwüchsigen durch unblutige Raufereien ihre Rangordnung herstellten. Rangordnungen in Gesellschaften sind auch heute noch festzustellen. Allerdings weniger in Form von körperlicher Kraft, sondern die eher durch Bildungs- und Vermögensunterschiede, die vornehmlich durch Markenklamotten, Smartphones u. dgl. dokumentiert werden.
Eröffnung des Kirchenwirtes
Das Bauerngasthaus neben der Kirche schloss Anfang der 50er Jahre seine Pforten. Damit gab es im unmittelbaren Umkreis der Kirche kein Gasthaus mehr, wohin sich die Männer am Sonntag nach dem Gottesdienst zurückziehen konnten, um ihren Frauen bei der Zubereitung des Sonntagsbratens nicht im Wege zu stehen bzw. ihnen die volle Entfaltungsmöglichkeit geben zu können. Angesichts dieser von der Männerwelt sehr positiv empfundenen Nebeneffekte wurde der Besuch der Sonntagsmesse in Kauf genommen. Diese Beweggründe hatte der Pfarrer, neben dem Lehrer der einzige „Gstudierte“ im Ort, rasch erkannt und drängte Ludwig und Johanna ein Gasthaus zu eröffnen. Vor allem war ihm wichtig, dass