Oliver Hell - Todesklang. Michael Wagner J.

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Oliver Hell - Todesklang - Michael Wagner J. Oliver Hell

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beim Schlafen fotografiert worden war. Mitten in diese zögerliche Entscheidungsfindung hinein klingelte das Telefon.

      Das wär’s dann, dachte Wendt, ließ sich in den Sessel fallen und nahm nach dem vierten Klingeln das Gespräch an. Während er zuerst noch entspannt zuhörte, straffte sich plötzlich sein Rücken und sein Polizistengehirn wurde von einer Sekunde zur nächsten in Alarm versetzt.

      „Wie konnte das passieren?“, fragte er. Der Anrufer atmete schwer durch, blieb zunächst eine Antwort schuldig. „Wir sind dabei, das herauszufinden. Wenn wir genaue Details erfahren haben, geben wir Ihnen Bescheid, Herr Kriminaloberkommissar Wendt“, sprach die Stimme aus dem Telefonhörer mit einem schuldbewussten Tonfall.

      „In Ordnung, ist die Fahndung raus?“, fragte Wendt barsch.

      „Selbstredend“, antwortete der Mann jetzt ein wenig sicherer.

      Wendt drückte das Gespräch weg und senkte den Kopf.

      „Verdammte Idioten“, fluchte er laut vor sich hin und produzierte einige heftige Sorgenfalten auf seiner Stirn. Er schaute auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach halb zehn. Trotz der Sonne, die von der Jalousie nur lückenhaft abgehalten wurde, legte sich eine Dunkelheit über die Stadt. Plötzlich kam ihm das Büro kalt und feindselig vor. Ein Schauer fuhr ihm über den Rücken und als er seinen Unterarm betrachtete, sah er die Härchen darauf aufrecht stehen. Wendt schluckte. Langsam, wie in Zeitlupe, griff er zum Telefon und wählte eine interne Nummer.

      „Hallo, hier ist Wendt. Frau Oberstaatsanwältin Hansen, ich habe soeben erfahren, dass Ron Baum aus der Klinik in Weißenthurm geflohen ist“, sagte er mit demselben schuldbewussten Tonfall, mit dem kurz zuvor der Mitarbeiter der psychiatrischen Klinik dieses gebeichtet hatte. Brigitta Hansen schwieg. Er hörte sie atmen.

      „Ist Hell informiert?“, presste sie hervor.

      „Noch nicht. Ich wollte zuerst Sie in Kenntnis setzen.“

      „So lange, wie er auf der Insel bleibt, ist der Kommissar in Sicherheit“, antwortete sie sorgenvoll. „Fahndungsfotos von Ron Baum sofort an alle Bahnhöfe und Flughäfen schicken, auch ins Ausland. Er kann auch von den Niederlanden aus nach Mallorca fliegen. Wir müssen diesen Psychopathen so schnell wie möglich wieder dingfest machen.“

      Wendt nickte. „Sehe ich auch so. Ich werde Hell informieren, Frau Oberstaatsanwältin.“

      „Das übernehme ich. Trommeln Sie Ihre Leute zusammen und leiten die Fahndung nach Baum ein. Ich will, dass jeder Kollege auf der Straße sein verdammtes Gesicht kennt!“

      „Okay“, seufzte Wendt. Und er erkannte: Brigitta Hansens Wortwahl war außergewöhnlich. Für sie, die sonst vornehme Zurückhaltung lebte. Das Wort ‚verdammt‘ gehörte nicht zu ihrem Wortschatz.

      Das noch eben als angenehm empfundene Sommerloch wurde mit einer längst als erledigt angesehenen Geschichte gefüllt. Ein Doppelmörder war auf der Flucht. Wendt musste versuchen, seinen persönlichen Zorn unter Kontrolle zu bringen, sonst würde er ihm nur im Weg stehen. Er musste auf Distanz zu diesem Ereignis gehen. Wie auch immer er das bewerkstelligen konnte. Dieser Mann, der jetzt auf der Flucht war, dieser Mann war dafür verantwortlich, dass Oliver Hell seit Monaten auf Mallorca in selbstgewählter Klausur lebte. Mallorca war für ihn eine Art Exil. Was ja nur sein gutes Recht war, schließlich hatte Ron Baum versucht, ihn und Franziska zu töten.

      In diesem Moment bemerkte er, dass Christina Meinhold leise das Büro betreten hatte. Sofort erkannte sie, dass etwas vorgefallen war.

      „Morgen Jan-Phillip, was ist passiert?“

      Wendt hob den Kopf. „Ron Baum ist aus dem psychiatrischen Krankenhaus geflüchtet. Sie gehen davon aus, dass er versteckt in einem Wäschekorb aus der Klinik geflohen ist.“

      Meinhold verharrte einen Augenblick lang in der Tür, dann setzte sie sich.

      „Und der Chef?“

      „Hansen informiert ihn.“

      „Und wir bilden ein Fahndungsteam?“

      „Sofort, Christina, sofort“, antwortete Wendt und schluckte. Sie schwiegen einen Augenblick, während Wendt nach weiteren Worten suchte. „Mach dir keine Sorgen, Jan-Phillip. Wir werden den Kerl kriegen, bevor er das Land verlassen kann.“

      „Du gehst auch davon aus, dass er darüber Bescheid weiß?“

      „Natürlich, er hat sicher auch die Nachrichten gelesen. Hells – nennen wir es Flucht – nach Mallorca war lange genug in den Schlagzeilen.“

      Wendt brummte unwirsch. Meinholds Nasenflügel bebten. Sie hatte für ihre Abschlussarbeit als Profiler die unglaublichen Taten von Gregor Quade, dem ‚Siegsteig-Killer‘, analysiert. Um Ron Baums Profil musste sie sich jetzt sehr schnell kümmern. Herausfinden, was er als nächstes plante.

      „Bis Sebi und Lea hier sind, kümmere ich mich um unseren Flüchtling. Ich meine … du weißt schon“, sagte sie und drehte einen Zeigefinger neben ihrer Schläfe.

      „Schon klar“, gab Wendt zurück.

      *

      Siegburg

      Ron Baum duckte sich. Auf dem Waldweg raste ein Mountainbiker vorbei. Als das Geräusch verklungen war, erhob er sich und tastete den Waldboden ab. Irgendwo hier hatte er ein Versteck angelegt. Seine Hände flogen über die verwitterten Blätter, dann begann er zu graben, bis er auf einen blauen Müllsack stieß und diesen eilig aus dem Boden zog. Nachdem er seine Klinikkleidung gegen die ihm vertraute Kleidung getauscht hatte, vergrub er den Sack an derselben Stelle. Aus einem mit braunem Band wasserdicht verklebten Beutel zog er einen Ausweis, einen Führerschein und einen Reisepass. Er betrachtete das Foto auf dem Ausweis. Lächelnd. Daneben stand sein neuer Name. Diesen Namen hatte er sich in den letzten Monaten eingeprägt, ebenso wie seine neue Lebensgeschichte. Er war sicher, dass er darauf sein neues Leben aufbauen konnte. Nachdem er seinen Racheplan ausgeführt hatte. Wenn Hell endlich tot war. Alexander Geißler. So hieß er ab jetzt. Alexander Geißler würde das ausführen, was Ron Baum nicht geglückt war. Ganz sicher.

      *

      Bonn

      „Wir müssen ihn aufhalten, bevor er Hell irgendetwas antun kann“, presste Lea Rosin betroffen hervor. Wendt stand hinter Klauk, der wie ein Häufchen Elend auf den Bericht des Krankenhauses starrte.

      „Was sind das nur für grausame Amateure dort?“, fluchte Klauk los. Wütend schob er den Bericht über den Tisch, er landete vor Christina Meinhold, die das Blatt Papier mit dem Zeigefinger stoppte. Ihr bezauberndes Lächeln, das jeder, der sie kannte, an ihr liebte, war verblasst wie ein Sonnenuntergang.

      „Lea hat Recht. Wir können nicht warten, bis er einer Polizeistreife in die Hände fällt. Wir müssen handeln. Ich kann nicht warten, bis irgendjemand unsere Arbeit erledigt. Wir sind Hells Team und unser Chef erwartet von uns, dass wir unseren Job erledigen“, flüsterte sie und ihre Worte hatten eine Schärfe, die keiner im Team jemals von ihr gehört, geschweige denn von ihr erwartet hatte.

      „Und wie stellst du dir das vor?“, fragte Klauk und sah Meinhold fest in die Augen.

      „Indem ich ein Profil erstelle und wir dementsprechend handeln“, erwiderte sie kühl.

      „Und

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