Durchgeknallte Weihnachten. Katie Volckx
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Читать онлайн книгу Durchgeknallte Weihnachten - Katie Volckx страница 9
Ich stellte mich taub. »Woher haben die das überhaupt? Das ist sechs Jahre alt.« Dann flog mein Blick weiter über den Artikel. Zwischendurch stieß ich immer mal wieder ein fassungsloses: »Die sind doch wohl ... (bescheuert)« oder ein verärgertes: »Die haben doch wohl ... (den Schuss nicht gehört)« aus, konnte die Sätze aber nie beenden. Das war einfach zu grotesk. »Hör mal zu«, richtete ich mich an den Fremdling, der mir doch eben noch mit seiner Existenz auf den Wecker gefallen war. »›Der Einbrecher klaute den transportablen Tresor samt zwanzigtausend Euro aus dem Rollcontainer des Schreibtisches, als er den dazugehörigen Schlüssel nicht finden konnte.‹ Wir besaßen noch nie einen transportablen Tresor. Und schon gar keine zwanzigtausend Euro. Ist das zu fassen?«
»Na, da hat dein Verlobter seinen Nachnamen ja völlig zu Recht, hm?«, bemerkte der Barkeeper trocken, während er leger ein Glas polierte und es zum Quietschen brachte.
Der Fremdling lachte herzhaft und fuhr sich mit den Händen durch seine dunkle Sturmfrisur. »Stimmt, an ihm scheint ein guter Märchenerzähler verloren gegangen zu sein.«
Der war zwar gut (!), aber mir war, wenig überraschend, derzeit nicht zum Lachen zumute. »Woher wollt ihr denn wissen, dass das von ihm aus kommt, hm? Hm?«
»Ich kenne Matz Grimm gut genug, um zu wissen, dass er dauerarbeitslos und chronisch pleite ist«, antwortete der Barkeeper. »Der Überfall ist offensichtlich die Gelegenheit für ihn, ganz groß abzusahnen.«
Leider musste ich zugeben, dass nur einer in Frage kam, der für diesen Artikel verantwortlich sein konnte: Matz! Dennoch musste ich das hier ja nicht so breittreten. Nicht seinetwegen, mehr noch meinetwegen. Augenblicklich war es mir nämlich ziemlich unangenehm, dass ich mit dieser Lusche in Verbindung gebracht wurde. Was war heute los? Erst Paulina, jetzt Matz.
»Woher kennst du ihn denn?«, hakte ich neugierig nach und schob die Zeitung auf eine Weise von mir, als würde sie nach faulen Eiern riechen.
»Meine Mutter bekommt nur eine kleine Rente und hat das Obergeschoss ihres Hauses in ein hübsches Apartment umbauen lassen. Vor etwa drei Jahren hatte er es bezogen. Da bekommt man so einiges mit.« Er zwinkerte mir vielsagend zu. Klatsch und Tratsch lauerte eben an jeder Ecke. »Und es dauerte auch nicht lang, da hat er die Miete nicht mehr gezahlt.«
Ich wollte mir nicht ausmalen, dass ich die Dumme war, die er zu seinem Glück gefunden und ihm ein neues, sicheres Heim geschenkt hatte. Es passte alles zusammen.
Ich musste unwillkürlich laut schlucken. »Um wie viele Mieten wurde sie geprellt?«
»Um sechs. Sie war einfach zu gutgläubig und jovial.« Er seufzte. »Er ist ein pathologischer Lügner. Aber du wohnst mit ihm zusammen – das wirst du wohl längst herausgefunden haben, nicht wahr?«
Na ja, ich hatte so einiges herausgefunden, aber ein so soziopathisches Verhalten hatte ich ihm nicht zugetraut. Oder traute ich es ihm doch zu, wollte mir aber nicht eingestehen, dass ich genauso auf ihn hereingefallen war wie die Mutter des Barkeepers? War unsere gesamte Beziehung etwa wirklich nur auf einer einzigen Lüge aufgebaut? Immerhin hatte die Fassade vor einigen Monaten zu bröckeln begonnen. War es ihm irgendwann zu anstrengend geworden, die Maskerade aufrechtzuerhalten?
Ich nickte nur. Was sollte ich darauf auch schon sagen? Als ich mich daraufhin wieder dem Fremdling zuwandte, war dieser plötzlich verschwunden. Ich sah mich nach allen Seiten um, dachte, er hätte sich nur woanders hingesetzt, doch er war nirgends zu sehen.
»Wo ist er hin?«, zeigte ich auf den leeren Hocker. Wahrscheinlich war dieser noch warm.
»Er ist gegangen. Hast du das nicht mitbekommen?« erwiderte der Barkeeper schmunzelnd. Machte er sich jetzt auch noch lustig über mich?
»Ähm, nein, ich habe mich doch mit dir unterhalten.«
»Gib jetzt bloß nicht mir die Schuld daran.« Er schmunzelte.
»Nein, gewiss nicht. Ich denke, meine Art hat ihn verjagt.« Machte mich das jetzt etwa traurig?
»Na ja, vielleicht liegt es auch daran, dass du nicht gerade von ihm angetan warst. Ich meine, er hat sich sogar von dir weggesetzt.«
Missmutig stützte ich mein Kinn in die Hand. »Schon gut! Musst es mir ja nicht so aufs Butterbrot schmieren.«
»Ich wollte dich bloß daran erinnern.« Er gackerte. »Was hat denn plötzlich deine Meinung geändert?«
Ich zuckte mit den Schultern, simulierte Ahnungslosigkeit. Aber dann konnte ich nicht mehr an mich halten und platzte heraus: »Er hat mir einfach gefallen, okay?«
»Okay, okay!«
»Weißt du wenigstens seinen Namen?« Ich war nicht einmal dazu gekommen, es von dem Fremdling selbst zu erfahren, nur wegen des blöden Artikels.
»Nein, woher denn?« Er schien sich köstlich zu amüsieren.
Aber vielleicht sollte es ja auch nicht sein? Immerhin hätte er sich ja nicht so klammheimlich davonschleichen müssen. Das bewies doch eigentlich nur, dass er kein weiteres Interesse an mir verfolgt hatte. Vermutlich wollte er mich sogar nur für eine Nacht. Also hätte ich doch froh sein müssen, dass mir das heute Abend erspart geblieben war. Schließlich hatte ich wirklich allerhand andere Probleme, mit denen ich mich herumschlagen musste.
»Auch gut!«, tat ich es ab, rutschte vom Hocker und warf mir den Mantel über, um zu verduften. »Wie viel macht das?«, fragte ich und holte mein Portemonnaie aus der Seitentasche meines Mantels.
»Lass gut sein, ich lade dich ein.«
»Himmel nein, das musst du nicht tun.« Demonstrativ klimperte ich durch mein Hartgeld.
»Es ist mir ernst! Bei all den Schwierigkeiten, von denen du offenbar zurzeit mehr als genug befallen bist, brauchst du definitiv eine kleine Aufmunterung.« Seine Züge deuteten darauf hin, dass er es weder ironisch noch anderweitig boshaft meinte, sondern meine Lage einfach nur aufrichtig bedauerte.
»Oh danke!« Ich war wirklich dankbar.
»Hey-hey, komm schon, wir stecken mitten in der Weihnachtszeit.«
Auf halbem Wege nach Hause war mir eingefallen, dass ich das Tagesblatt des Barkeepers hätte mitnehmen können. Ich war der festen Überzeugung, dass er es nicht mehr gebraucht hätte. Da ich zu faul gewesen war, noch einmal zur Bar zurückzukehren, hatte ich an einer Tankstelle Halt gemacht, die ohnehin auf meinem Weg gelegen war, mit dem Fünkchen Hoffnung, dass ich um diese Tageszeit (es war so gut wie 21 Uhr 30 gewesen) noch eine Zeitung bekäme. Und das Glück war mit mir gewesen.
Nun saß ich hier auf meinem Sofa mit sogenanntem Tagesblatt im Schoß und wartete mit wippendem Bein ungeduldig darauf, dass Matz nach Hause kam. Ich hielt die Zeitung eingerollt, als wäre ich entschlossen, eine Maus zu vertreiben oder sie Matz direkt über den Schädel zu ziehen, sobald er in die Tür hereinkommen würde.
Wer hätte gedacht, dass der Abend so enden würde? Ich meine, ich war in diese Bar gegangen, um mir einen schönen Abend zu machen, bevor ich zu Hause versauert wäre. Matz hatte Pläne mit seinen Jungs gehabt, hasste es, mit seinen Eltern einen auf happy family zu machen und hatte deshalb nicht eingesehen, an diesem dritten Advent dorthin zu gehen. Er hatte aber