Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein

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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein

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deutsches Reich; aber wer nicht das Unmögliche will,

       kann bei gutem Wollen, bei Geschick und Ausdauer

       viel Nützliches schaffen und Ersprießliches zu Tage

       fördern. Ich mußte mich bei dem vorliegenden Buche,

       je mehr die Sagenfülle quoll und zuströmte, um so

       mehr beschränken. Im Hinblick auf die vorhandene

       Anzahl deutscher Sagen und die Zahl der hier aufgenommenen

       könnte ich sagen, daß ich nur einen Zweig

       des deutschen Sagenbaumes abgeerntet, wenn nicht

       jeder Vergleich hinkte.

       Die erwähnte überreich zuquellende Sagenfülle nötigte

       denn auch, so ungern es geschah, auf den großen

       Sagenreichtum des österreichischen Kaiserstaates vorläufig

       zu verzichten. Da ich aber bereits in früheren

       Jahren schon zu einem österreichischen Sagenschatz,

       dessen Erscheinen indes ungünstige Verhältnisse bald

       einstellten, zahlreiches Material gesammelt habe, so

       bleibt vorbehalten, mit einer Österreich umfassenden

       Sammlung hervorzutreten, sobald der Erfolg der vorliegenden

       dazu ermutigt.

       Es sei vergönnt, über das Sagensammeln hier ein

       Wort zu sagen; leider gibt sich an dieses gar manche

       unberufene Hand, die jener Hand von Ährenlesern

       gleicht, welche aus den Garben rauft, die zu Mandeln

       gehäuft noch auf dem Acker stehen, und da erntet, wo

       sie nicht gesäet hat. – Wir alle, die wir dieses Gebiet

       anbauen, können nicht der Schriftquellen, nicht der

       Bücher entraten, aber die Quellenangabe beschönigt

       und rechtfertigt noch keineswegs den offenbaren

       Nachdruck, der von vielen literarischen Langfingerern

       behufs sogenannter Auswahlen und Mustersammlungen

       ausgeübt wird, die sorglos und mühelos anderer

       Fleiß und Talent und ihrer Verleger Kosten ausbeuten.

       Der Sagensammler muß sich neben seinen

       Schriftquellen doch auch durch Gebirg und Wald und

       Flachland selbst in etwas bemüht, irgend einige Sagenblüten

       gefunden, einige schöne Steine zum großen

       deutschen Sagentempelbau selbst herbeigetragen

       haben, irgend etwas von ihm Neugefundenes vorzeigen,

       sonst ist er ein Tropf und nicht ebenbürtig, mitzuringen

       auf dieser olympischen Arena. –

       Auf mein eignes Leben warf schon frühzeitig der

       Sage süßer wunderbarer Reiz seine Morgenstrahlen.

       Als Jüngling wanderte ich in einem sagenreichen Gau

       Thüringens umher und freute mich am Duft der schönen

       Wunderblume Poesie. Ilm und Gera, die Fluren

       von Arnstadt und Erfurt, der Drei Gleichen nachbarliche

       Burgen und sagendurchklungene Haine boten in

       Fülle ihren Stoff, doch lange nachher lernte ich der

       Sagen Geheimnis, ihren ganzen Zauber, erst recht erkennen,

       und lernte daran niemals aus. Ich sammelte

       anfangs mehr ins Gemüt als in Bücher, versuchte nur

       schüchtern, die Sage in poetisches Gewand zu kleiden,

       und stand später davon ab, als ich durchfühlen

       lernte, daß der Dichter ihr nur selten wohl tut, wenn er

       bemüht ist, sie zu schmücken, obschon er dies letztere

       zu tun vollberechtigt ist. In den Sagensammlungen

       der Länder Thüringen und Franken, welche zwar Beifall,

       aber bis jetzt noch nicht die längst vorbereiteten

       Fortsetzungen fanden, betrat ich den von den Brüdern

       Grimm vorgezeichneten Weg schlichter einfacher

       Darstellung und Wiedergabe, sowohl des Chronikenstoffes

       als jenes dem Volksmund selbst entnommenen.

       Ich bin den Sagen viel und lange nachgegangen

       und nachgezogen; im Thüringerwalde kenne ich so

       ziemlich jeden Weg und Steg; ich überwanderte Harz

       und Riesengebirge, Rhön und Spessart; ich stand auf

       dem Aachener, auf dem Kölner Dom und auf dem

       Straßburger Münster; des Neckars, des Lech, des

       Rhein- und Mainstromes wie der Donau Wellen hab'

       ich fließen sehen. Ich hörte den Bach der Reismühle

       rauschen, der von Karl des Großen Geburt erzählt,

       und umwandelte des Untersbergs und des Watzmann

       sagenreiche Hochgipfel. Vielleicht sieht mancher diesem

       Buche die Quelle eigner Wahrnehmung an, die

       am Ende noch mehr wert ist als die Quelle trockner

       Schriftüberlieferung. Letztere nun bei jeder Sage anzuführen,

       erschien mir für meinen Zweck dieses Mal

       nicht nötig; wer die Quellen für den wissenschaftlichen

       Zweck braucht und sucht, findet sie bereits in

       Grimms und vielen andern Sammlungen, und da, wo

       ich Selbstgefundenes mitgeteilt, jedesmal durch ein

       »mündlich« den Leser mit der Nase darauf zu stoßen,

       daß er meinem Findeglück diese Sage verdanke, dürf-

      

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