Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein

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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein

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Bei dem Umfange, der dieser Sammlung zugedacht

       wurde, und der sich noch während des Drucks über

       das anfangs gesetzte Ziel erweiterte, galt es zunächst,

       sich klar zu werden über Anlage und Gliederung, und

       nach reiflichem Überlegen, ob chronologisch nach

       Mythe und Geschichte, ob nach Ländern oder Stromgebieten,

       nach Gebirgszügen usw. die Sammlung anzulegen

       sei – wurde sich für die Form einer idealen

       Sagen-Wanderung entschieden, die keinen Schlagbaum

       und keine politische Grenze kennt, keine Paßkarte

       braucht, nötigenfalls gleich Eppela von Gailing

       einen tüchtigen Sprung nicht scheut und von einem

       Völkergebiet in das andere schreitet, das jedem dieser

       Gebiete hauptsächlichst Eigene vor Augen bringt.

       Enge Landesgrenzen beachtete ich, wie der Leser

       sieht, auf dieser Wanderung keinesweges. Die Sage

       ist patriotischer wie die Politik; sie gibt nichts her von

       Deutschland, sie läßt von ihrem heimischen Gebiet

       nicht rupfen und zupfen im Süden, Westen, Norden

       und Osten; sie behauptet und verteidigt, was einmal

       deutsch ist, und hält es eisern fest.

       Die Wanderung beginnt am Ursprung des Rheins,

       folgt des letzteren Strömung durch das Schweizerland,

       streift in das Elsaß, berührt die Pfalz, die Wetterau,

       das Moselland, Lothringen und Luxemburg;

       steigt zum Niederrhein und Niederland hinab bis

       Friesland, grüßt Helgoland und das alte Dithmarschen,

       durchgeht Schleswig und Holstein, Mecklenburg

       und Pommern, West- und Ostpreußen mit ihren

       Ostsee- und Bernsteinküsten, und dann läßt sich der

       Wanderer auf den Flügeln der Kobolde von der russischen

       Grenze schnell hinweg in das Lüneburger Land

       tragen.

       Auf Westfalens roter Erde durchschreitet und

       durchkreuzt er ein sagenreiches Gebiet, bis er abermals

       den Schritt ostwärts lenkt, um die Marken zu

       durchirren. Von da zieht es ihn wieder zurück nach

       dem westfälisch-hessischen Boden, nach des Harzwalds

       Bergen und Burgen, nach des Kyffhäusers Gipfel.

       Dann aber lenkt sich der Schritt in das Thüringerland,

       der Blick in Thüringens sagenreiche Frühzeit,

       auf seine gefeiten Hochgipfel, seine von Sagenwundern

       durchrauschten Wälder, seine Klostertrümmer

       und Geisterschlösser. Das nachbarliche Vogtland erschließt

       seine Welt voll mythischen Zaubers, und

       Gera, Ilm und Saale führen zu dem thüringischen

       Flachland, das an Sachsen angrenzt. Die sächsischen

       Ebenen gewähren ihre Ausbeute, welche, sobald erstere

       verlassen werden, das Erzgebirge wie das Riesengebirge

       in noch reicherer Mannigfaltigkeit erschließen.

       Bis in des deutschen Böhmens Herz, die uralte

       Praga, erstreckt sich die Wanderung und wendet

       dann, um, vom Fichtelgebirge niedersteigend, fränkischem

       Boden zu nahen, dem Laufe der Werra durch

       heimisches Gebiet bis wiederum auf hessisches zu

       folgen, vom Hessenlande aus das Rhöngebirge zu besteigen

       und von diesem herab Mainstrom und

       Spessartwald ab und auf zu befahren. Von Bamberg

       nach Nürnberg läßt sich schnell gelangen, im Fluge

       ist Regensburg erreicht, zu dessen östlichem Stromgelände

       der Böhmerwald sich niedersenkt. Durch des

       Bayerlandes Gauen mitten hindurch geht es stracks

       nach Schwaben und durch Schwaben noch einmal

       westlich bis zur Pfalz und nach Baden, wo die letzte

       Umkehr genommen wird, um durch Südschwaben und

       Südbayern nach den Ufern des Lech und der Isar zu

       gelangen, von da zum Hochland emporzusteigen und

       vom südlichsten Endpunkt, wie beim Beginn auf Alpenhöhen,

       in die steinernen Meereswogen Österreichs

       hinüber zu grüßen: Auf Wiedersehen! –

       Auf dieser Wanderung nahm ich gern gründliche

       und gediegene Sagensammler zu freundlichen Geleitsmännern,

       deren Namen ich nur zu nennen brauche,

       um der Aufzählung von Büchertiteln überhoben zu

       sein. Voran stehen mit vollem Recht die Brüder J.

       und W. Grimm; es folgen K. Simrock und A. Stöber

       für Rhein und Elsaß, J.W. Wolf für die Niederlande,

       K. Müllenhoff für Schleswig-Holstein und Lauenburg,

       J.W.A.v. Tettau und J.D.H. Temme für Ost-

       und Westpreußen und Litauen, J.D.H. Temme und A.

       Kuhn auch für die Marken. Wo ich selbst am besten

       Bescheid wußte, bedurft' ich keiner Führer. Für

       Baden sorgte treulichst B. Baader, für Schwaben G.

       Schwab, und nach ihm E. Meyer, für Bayern A.

       Schöppner, letzterer nur mit zu vielem Ballast von

      

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