Greta und das Wunder von Gent. Katja Pelzer

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Greta und das Wunder von Gent - Katja Pelzer

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waren subtile Thriller, Marvel-Comic-Verfilmungen und Science-Fiction. Was nicht passte, bemerkten sie naturgemäß in den ersten Monaten ihrer Beziehung nicht. Sie liebten beide gutes Essen und ein schönes Glas Wein. Ansonsten fielen sie übereinander her, sobald sich die Gelegenheit bot. Der Beginn ihrer Beziehung war rauschhaft. Doch nicht auf eine zehrende Art und Weise. Man verbrannte sich nicht dabei. Von ihrer ersten Begegnung an fühlte Greta, dass Daniel ihr gut tat. Jedes Wort, jede Geste und jede Berührung, die sie mit ihm austauschte, ließen sie das Leben am eigenen Leib spüren. Ihre Körper waren wie Antworten aufeinander.

      Der Funke, der dieses Mal übersprang, wärmte nicht nur, er wuchs täglich. Genährt durch Gesten, Blicke und nicht zuletzt Gespräche.

      Daniel war belesen, klug und engagiert. Er brannte für das, was er tat, und strahlte dennoch eine ungeheure Ruhe aus.

      Seine Reportagen waren nicht selten investigativ. Er deckte mit Vorliebe unbequeme Geschichten auf. Er übernachtete mit Obdachlosen, um ihre Sicht der Dinge aufzuzeigen, recherchierte über die organisierte Kriminalität in Nordrhein-Westfalen oder die Kohleförderung in ihrem Bundesland, kurz nachdem das Kyoto-Protokoll verfasst worden war.

      Daniel wirkte wie der reinste Gegenentwurf zu Nick, der vor allem an sich selbst interessiert war. Greta hatte daher auch keinen Sinn darin gesehen, die beiden einander vorzustellen. Sie hatte es für Verschwendung von Daniels Zeit gehalten. Nick war zu jener Zeit ohnehin nicht mehr in Düsseldorf gewesen, sondern lebte in Frankfurt. Und Daniel hatte nicht darauf beharrt, ihn zu treffen. Ihm war die Bekanntschaft mit Tante Mia wichtig gewesen, weil er ihre Bedeutung für Greta erkannte. Mia wiederum hatte ihm sehr gefallen. Ihre trotz des hohen Alters ungebremste Lebensfreude hatte ihm imponiert.

      Daniels Leidenschaft neben Greta und seiner Arbeit war sein Motorrad gewesen. Wenn möglich, ging er zu Fuß zu Terminen. Zu allem anderen fuhr er mit dem Bike. Greta hatte anfangs nichts übrig gehabt für das laute knatternde Ding. Sie hasste es, wenn er damit unterwegs war, denn sie hatte Motorradfahrer immer als vorwitzig erlebt, als draufgängerisch, in völliger Diskrepanz zu ihrer totalen Schutzlosigkeit. Der frühe Tod ihrer Eltern hatte einen vorsichtigen Menschen aus ihr gemacht. Sie fühlte sich verletzlich.

      Als Daniel Greta einmal zu ihrer Großtante ins Bergische begleiten wollte, bedeutete er ihr, hinter ihm Platz zu nehmen, und reichte ihr einen Helm, den er extra für sie gekauft hatte. Als sie hinter ihm saß, die Arme fest um seinen vertrauten Leib geschlungen und die Welt durch seine Augen betrachtete, fühlte sie sich unerwartet frei und beglückt. Es hatte nicht viel gefehlt und sie hätten abgehoben.

      Der nächste Ausflug führte sie nach Arnheim. Daniel nahm sie mit in einen Coffeeshop und sie ließen sich die verschiedenen Haschischarten erklären. Greta bat den Mann hinter der Theke, ihr den richtigen Stoff für das erste Mal zu empfehlen. Er bereitete ihnen Northern Lights in einer Wasserpfeife zu. Sie wechselten sich bei den Zügen ab. Die Wirkung setzte erst allmählich ein, so als würde jemand ihre Seele kitzeln. Alles war auf einmal ganz hell. Greta fing an zu lachen, konnte gar nicht mehr aufhören zu glucksen. Daniel schaute sie amüsiert an. Auf ihn hatte der Stoff eine andere Wirkung. Er wollte schnell zurück ins Hotel. Aber wo war das Hotel? Sie standen auf der Straße und konnten sich nicht erinnern. Greta bekam ihre nächste Lachattacke. Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, irrten sie noch eine Weile umher und fragten schließlich einen Passanten nach dem Weg.

      Zurück im Zimmer schliefen sie drei Stunden miteinander. Greta nickte zwischendurch immer wieder ein und entdeckte bei jedem Aufwachen Daniels freundliches Gesicht über sich schwebend. Das löste erneute Lachkrämpfe aus und zum ersten Mal begriff sie den Sinn des Worts „Lachkrampf“. Sie war im Lachen gefangen, aber es fühlte sich gut an.

      Von da an fuhren Greta und Daniel mit dem Motorrad in den Urlaub – nach Frankreich, Italien und Spanien. Über alle Berge. Lichte Panoramen und zerklüftete Gipfel waren die Hintergrundkulissen ihrer Reisen ins reine Glück. Sonnenlicht durchwobene Tage, gefüllt mit Gelächter, Strandspaziergängen und landestypischem Essen. In Italien von Mamma in der Küche zubereitet und von Figlio serviert, begleitet von gutem, manchmal auch schlechtem Wein. Das kam ganz auf den Hausgeschmack an, denn meistens war es Vino de la Casa.

      Die Morgen begannen mit ineinander verwobenen Körpern. Die Abende endeten mit ineinander verwobenen Körpern. Selbst als sie schon zwei Jahre ein Paar waren. Begleitet wurde dies von Ewigkeitsschwüren, wie Greta sie sich vor Daniel niemals hätte vorstellen, geschweige denn hätte von sich geben können.

      Daniel wollte Kinder mit ihr. Er gestand es Greta verlegen lachend bei einem Abendessen auf der liparischen Insel Salina. Sie waren inzwischen vier Jahre zusammen und beiden war feierlich zumute. Sie saßen auf der Terrasse ihres kleinen Hotels, tranken zu Pasta mit Tomaten und Kapern einen Nero d’Avola und sahen dem Stromboli beim Spucken zu. Ein magisches Spektakel. Greta war sich in diesem Moment bewusst, dass sie sich nie zuvor so lebendig gefühlt hatte. Nach Daniels Geständnis hatte sie sich auf seinen Schoß gesetzt, ihm beide Arme um den Hals gelegt und ihn sanft und lange auf den Mund geküsst. Es war ihr egal gewesen, was die anderen Gäste dachten.

      „Ich wünsche mir eine kleine Greta“, sagte Daniel leise, als sie kurz aufhörte, ihn zu küssen.

      „Aber einen kleinen Daniel bitte auch“, hatte Greta geflüstert.

      Kurz darauf war Daniel mit seinem Motorrad verunglückt. Ein Auto hatte ihn übersehen und er war im hohen Bogen gegen eine Schallschutzmauer geschleudert worden.

      Als Greta ihn im Krankenhaus besuchte, hatte ein Mann aus Verband in dem Bett vor ihr gelegen. Sie hatte beinahe kein Wort herausgebracht, weil er so fremd aussah. Nichts an dieser weißen Mumie erinnerte an Daniel. Nicht einmal seine Augen, da sie schwarz und blau und völlig verschwollen waren. Sein halbes Gesicht war bei dem Unfall zerquetscht worden. Man hatte ihn mühsam wieder zusammengeflickt. Der Aufprall hatte ihm mehrere Rippen gebrochen und eine Schulter ausgerenkt. Er hatte innere Verletzungen, unter anderem einen Milzriss.

      Daniel hatte langsam ins Leben zurückgefunden. Die Ärzte hatten ihm ein neues Gesicht gebastelt. Nach ein paar Wochen hatte sich Greta an den neuen Daniel gewöhnt. Auch im Inneren hatte der Unfall Schaden angerichtet. Daniel war launisch mit Tendenz zum Zynismus, das war die größte Veränderung. Zu Greta war er weiterhin liebevoll gewesen, sorgte sich aber nun ständig, ob er sie noch glücklich machte. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich wieder unbelasteter begegnen und berühren konnten. Doch die Sorglosigkeit der ersten Zeit war verloren.

      Die Ärzte hatten Daniel verboten, Alkohol zu trinken, weil der sich weder mit den Medikamenten vertrug, die er von nun an einnehmen musste, noch mit seinen lädierten Organen.

      Motorrad fuhr Daniel weiter – und trank mehr Wein als zuvor. Er konnte nicht anders. Greta hatte sich dadurch bedroht gefühlt. Nicht sie als Greta, sondern sie als seine Freundin und Geliebte hatte das Damoklesschwert über ihm schweben sehen. Die Angst, ihn zu verlieren, hatte sie dünnhäutig werden lassen.

      Noch immer träumten sie von einer gemeinsamen Zukunft. Davon, ins Ausland zu gehen, eine kleine Frühstückspension an einem Ort zu eröffnen, wo die Sonne schien, wo man am Meer sein konnte. Das hatte ihnen bis zum Schluss vorgeschwebt. Italien oder Lanzarote. Im ewigen Frühling. In Freiheit. Dort ihre Kinder aufwachsen zu sehen, die nie etwas anderes umgeben würde als pure Natur, das war es, was sich beide wünschten.

      Mit nicht einmal vierzig Jahren war Daniel tot. Sie waren zusammen segeln auf einem See in Bayern. Daniel hatte an der Pinne gesessen, während Greta die Schoten festhielt. Sie war von ihnen beiden diejenige, die jetzt mehr Kraft besaß. Daniel hatte ihr „Klar zur Wende“ zugerufen und Greta sich bereitgemacht für das Manöver. Sie hatte gewartet, dass der Baum zur anderen Seite hinüberschwenkte. Doch plötzlich stand das Segel im Wind und flatterte vor sich hin. Sie wollte sich gerade

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