Neue Zeiten - 1990 etc.. Stefan Koenig

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Neue Zeiten - 1990 etc. - Stefan Koenig Zeitreise-Roman Band 7

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einem Autofriedhof

      ein Wort aus einem

      alten Radio

      ein einziges Wort

      wenn ich es nur

      tatsächlich gehört habe

      wenn

      das Wörtchen wenn

      ein Wort nur

      ein Wort

      »hope«

      (Dieses Gedicht widme ich

      meiner guten Bekannten Carina Corona)

      „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ein Betrüger ist“, sagte ich zu meiner Frau. Emma schaute mich mit großen Augen an, sprachlos. Ich verzog mein Gesicht in der Hoffnung, dass nun auch meine Augen die notwendige Erstaunensgröße hätten, wie ihre bernsteinfarbenen Augen.

      Sie nahm einen Schluck aus dem Kaffee-Pott. „Jeder, der vom großen Geld träumt, kann auf krumme Gedanken kommen“, sagte sie. „Das liegt im Wesen der Sache. Ist doch völlig normal.“

      „Du glaubst doch nicht, dass ein junger Mann in meinem Alter allein durch ein paar manipulierte Aktienkäufe ruckzuck zum Millionär wird! Er wird mit seinen Immobiliengeschäften und mit seinen Bank- und Börsenverbindungen ein echtes Fundament gelegt haben. Vielleicht sollten wir doch sein Angebot annehmen.“

      „Ein junger Mann in deinem Alter?“ Emma lachte laut und etwas derb und sah mich gespielt mitleidig an. „Du wirst im September immerhin schon vierzig. Von wegen jung! Der Harksen ist inzwischen ein alter Hase an der Börse. Er hat gewiss schon eine Menge Tricks im Sandkasten des Kapitalismus mitgekriegt und …“

      Ich unterbrach meine Liebste: „ … und genau das wird ihn eher zum ausgebufften Insider als zu einem Betrüger machen.“

      Emma wiegte zweifelnd den Kopf. „Er mag zwar ein goldenes Händchen im Börsenzocken haben, ob er aber auch im trickreichen Immobiliengeschäft solide ist, kann doch niemand von uns überprüfen. Und überhaupt trau ich keinem der modischen Krawattenträger, die in Sachen Immobilien und Börse derzeit Kasse machen. Das sind schmierige Typen und sie machen schmierige Dinge in schmierigem Umfeld. Und dass Harksen deinen Freund Meise immer wieder als Türöffner bemüht, macht mich ehrlich gesagt mehr als stutzig.“

      Jürgen Harksen hatte uns ein Hamburger Immobilienangebot unterbreitet. Ein Hochglanzprospekt hatte gestern im Briefkasten gelegen. Mein alter 68er-WG-Kumpel Meise, ein Comic-Künstler, hatte noch eine kleine Comic-Zeichnung dem Prospekt des Börsen-Newcomers beigelegt und drei Zeilen dazu geschrieben: „Ich soll euch von Jürgen grüßen und euch wissen lassen, dass ihr natürlich Vorzugskonditionen erhaltet. Kommt ihr demnächst mal nach Hamburg? Könnt bei mir übernachten. Übrigens liegt eine Einladung von Panik-Udo anbei. Auftritt erst im September in Halle.“

      „Was hat Meise da eigentlich gezeichnet?“, fragte Emma. Da rief im Kinderzimmer Luca sein etwas kreischend klingendes „Maaammaa!“ Emma stand auf, ging um mich herum und sah mir kurz über die Schulter. „Ach, ein Porträt von Lindenberg mit Schlapphut, mit Mikro und Gitarre.“

      „Und ein persönliches Geschenk von Udo. Zwei Tickets zum Lindenberg-Open-Air am 7. September in Halle, oder altdeutsch gesagt: Einlasskarten für ein Freilichtbühnen-Konzert“, rief ich Emma hinterher. Unsere Sprache nahm immer mehr Amerikanisch an. Mir fiel es auf, anderen scheinbar nicht. Es juckte keinen. Vielleicht weil alles so viel modischer als früher klang. Mir war es egal. Es gab Wichtigeres im Leben.

      Hörbi, mein Freund aus alten Schul- und WG-Zeiten und jetziger Pädagogischer Leiter unserer Bildungseinrichtung, war da anderer Meinung. „Da schleicht sich mit der Amerikanisierung der Sprache ebenso wie bei den Hollywoodfilmen eine Menge transatlantischer Vasallen­denke mit ein“, hatte er einmal gesagt, und er meinte, dass damit unbewusst eine gehörige Portion Loyalität, ein Gefühl wenig hinterfragter Verbundenheit, transportiert würde. Ich hatte ihm versprochen, das wir das ein andermal ausführlich diskutieren könnten. Bis heute war ich drumherum gekommen.

      Die Freikarten vom Panikmeister interessierten mich mehr als jedes Vasallentheater. Denn seit ich unternehmerisch tätig war, hatte meine Teilnahme an Konzerten deutlich gelitten. Es war einfach keine Zeit geblieben für Musik und Kultur. Die Kultur hieß jetzt Arbeit und die Arbeit hieß Umweltschutz und Umweltschutz hieß Zukunft für unsere Kinder. Erst vier Jahre war Tschernobyl her. So ein Atomdesaster durfte nie mehr vorkommen, sonst wäre es aus und vorbei mit jeglichen Konzerten.

      Vor drei Monaten hatte Udo Lindenberg seine DDR-Tournee in Suhl und Leipzig gestartet. Meise war als einer seiner besten Freund mitgereist. Er hatte mir telefonisch von den Konzerten vorgeschwärmt. Es war eine sehr erfolgreiche Tournee gewesen, man hatte Lindenbergs Panikorchester bejubelt, und er musste den »Sonderzug nach Pankow« mehrmals abfahren lassen. Bühnenzauber.

      Emma und ich waren gegenüber dem Börsen- und Profitzauberer Jürgen Harksen bisher standhaft geblieben, hatten seinen zahlreichen Investmentangeboten tapfer widerstanden. Zwischendurch hatte zu allem Überfluss auch noch die inzwischen berüchtigte Nigeria-Connection versucht, deutsche Mittelständler mit fiesen Tricks um ihr Geld zu erleichtern. Einer dieser angeblichen nigerianischen Prinzen hatte es tatsächlich auch bis zu meinem Telefonanschluss geschafft. Doch ich hatte den Prinzen in Lagos zurückgerufen und schnell herausgefunden, dass es um Vorschussbetrug ging.

      Der falsche Prinz hatte eine Provision in Millionenhöhe versprochen, wenn man seine Dollars aus Nigeria in Europa auf einem offiziellem Firmen-Konto zwischenlagere. Aber um die millionenschwere Provision zu erhalten, sollte der deutsche Michel vorab an viele zwischengeschaltete Komplizen scheibchenweise immer mehr Zahlungen leisten, um sodann am nächsten Straßenräuberposten noch einmal Zollgebühren zu blechen.

      Danach ging das Zahlungs-Roulette erbarmungslos weiter mit angeblich notwendigem Bestechungsgeld für die Abstempelung der staatlichen Ausfuhr- beziehungsweise Transfer-Genehmigung, und für vieles andere, auch für Notarhonorar. „Nur zu Ihrer Sicherheit!“, hatte der angebliche Prinz bei den Betrogenen betont, wie später aus den Zeitungsberichten zu erfahren war. Dann hatte er noch von unabdingbaren Versicherungsgebühren gesprochen.

      Natürlich hatte er die Zahlungskette nicht von vornherein offengelegt, sondern die gutgläubigen Betrugsopfer erst das eine zahlen lassen, bevor er mit der nächsten Zahlungshürde aufwartete. Die nigerianische Kreativität finanzieller Abschöpfmöglichkeiten schien so grenzenlos zu sein wie Reinhard Meys grenzenloser Himmel, hoch über den Wolken. Letzten Endes jedoch wurde – trotz aller hoffnungsvoll geleisteter Vorschussgelder – kein einziger Provisionsdollar gezahlt.

      Ein relativ gut zu durchschauendes Spiel. Dennoch waren eine Menge Mittelständler auf diese Masche hereingefallen, wie dem SPIEGEL zu entnehmen war. Nur weil sie alle vom schnellen Mammut träumen, ging mir durch den Sinn. Doch auch ich hatte für einen kleinen Moment der Legende dieses betrügerischen Spiels mein Ohr geliehen, was offenbar bedeutete, dass ich insgeheim ebenfalls an die Existenz des „schnellen Geldes“ zu glauben bereit war. Die kapitalistischen Verlockungen hatten mich erfasst – aber nicht überrollt. Ich hatte rechtzeitig, auch dank Emmas kritischem Blick, die Bremse gezogen.

      Emma kam zurück, auf ihrem Arm der fünfjährige Luca; hinter ihnen tapste die zwei Jahre ältere Karola in die Küche.

      „Man kann sein Geld nur durch ehrliche Arbeit verdienen“, sagte Emma.

      „Du

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