Das Leben nach Adolf Hitler. Karl-Hinrich Schlüter

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Das Leben nach Adolf Hitler - Karl-Hinrich Schlüter

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dürfte der Grund dafür sein, dass noch Jahrzehnte nach Kriegsende bei Verfehlungen die Redensart zu hören war: „Das hätte es bei Adolf nicht gegeben“.

      Die Schicksalswende kam 1942 mit Stalingrad. Der Angriff hatte die Bezeichnung Unternehmen Barbarossa. Die 6. Armee von Paulus wurde eingekesselt und aufgerieben. Die militärischen Gründe sind hinreichend bekannt, die Ursachen unterbelichtet. Der unbeugsame Größenwahn der Nazis lenkte Deutschland in den Abgrund.

      Brief meines Großonkels J. C. Schlüter (1942)

       Lieber Hans! Rensing, den 14. Februar 1942

       Das Paket ist unversehrt angekommen, weil Ihr es mit Sorgfalt gepackt und vortrefflich verschnürt hattet. Sein Inhalt war ganz frisch geblieben. Wir danken Euch verbindlichst für die reiche Spende, zu der wir uns sehr gefreut haben. Auch frühere Schülerinnen hatten bei ihrem Schlachtfest an uns gedacht, und so sind wir in der Lage, unseren Speisetisch dann und wann vorübergehend etwas reichlicher zu decken. Im Übrigen haben wir uns an die zugeteilten knappen Rationen gewöhnt und empfinden daher die Entbehrungen nicht so unangenehm mehr. ( …) Der heurige lang anhaltende Winter mit seinem Eis und Schnee ähnelt dem Kosakenwinter 1814, der auch am 6. Januar begann, auch große Schneeverwehungen brachte und ebenfalls bis Ende Februar andauerte. Die Kälte fesselt mich ans Zimmer. Der Aufenthalt in der Stube bekommt mir nicht gut und ich sehne mich daher nach wärmerer Witterung. Der Krieg hat sich ja nun wieder über die ganze Welt ausgebreitet. Hochmut und Dünkel der Plutokraten in London und New York kannten auch Japan gegenüber keine Grenzen mehr. Jetzt bereiten die großartigen Erfolge der Japaner ihnen ganz unerwartet die schwersten Sorgen. Wie dringend notwendig auch die Zusammenfassung der europäischen Staatenwelt unter Führung der Achsenmächte gewesen ist, bewies die hochaufgetürmte Gefahr im Osten vor der Europa nur durch das entschlossene Zuschlagen unserer Wehrmacht gerade noch im letzten Augenblick gerettet worden ist. Kein Zweifel, die Kultur Europas wäre dem bolschewistischen Mord bloß zum Opfer gefallen. Zahlreich sind leider die Verluste an Toten und Kranken die die Kämpfe bei der außergewöhnlich harten Kälte unseren Armeen im Osten verursacht haben, aber die Stellung ist gehalten und die bolschewistischen Divisionen sind zermürbt worden. In seiner letzten großen Rede hat der Führer hervorgehoben, dass der Höhepunkt des Kampfes bereits überschritten ist. Wir dürfen auf ein siegreiches Ende des Riesenkampfes hoffen. Die vielen blutigen Opfer sind alsdann diesmal nicht umsonst dargebracht worden. Hoffentlich bringt uns der nahende Frühling bald neue entscheidende Siege und unsere Gegner dadurch zu der Einsicht, daß ihr weiterer Widerstand vergeblich ist.

       Einen herzlichen Gruß senden Dir und Deinen Kindern,

       Dein Onkel (J.) Christian und Deine Schwägerin Berta

      

       1943, Berlin, Goebbels: Wollt ihr den totalen Krieg?

       Ja, man wollte.

       1944, Normandie und Offensive der Roten Armee

      Schleswig-Holstein

      In Melsdorf bei Kiel in Schleswig-Holstein lebten die Schlüters, die Familie des Dorflehrers. Christian Schlüter – nicht der gleichnamige Briefschreiber, sondern mein späterer Opa - und seine beiden Brüder waren schon im Ersten Weltkrieg Soldaten gewesen. Sein Bruder Johannes war damals gefallen, 22 Jahre alt. Christian Schlüter hatte den Untergang des Kaiserreichs miterlebt, das Versagen der Weimarer Zeit und den Aufstieg Hitlers. Nun zog er als Veteran in den Zweiten Weltkrieg und war Offizier in Trondheim in Norwegen. Er war ein Ludendorffer. Ludendorff hatte gemeinsam mit Hitler geputscht, sich aber später mit ihm überworfen und ging seinen eigenen Weg. Mein Großvater kannte Ludendorff auch persönlich. Ludendorff und seine Frau hatten eine Art pseudo-religiöse und judenfeindliche Weltanschauung entwickelt und einen entsprechenden Bund der Deutsch-Gottgläubigen gegründet. Eine kleine Anhängerschar gibt es wieder. Frieda Schlüter, Christians Frau, erhob im Dorf laut ihre Stimme gegen die Auswüchse, die es dort gab. Nur gut, dass man sie in Ruhe ließ! Andernorts wurde dergleichen nicht geduldet. Die Tochter heißt Rotraud, die beiden Söhne hießen Johannes und Karl-Hinrich. Rotraud ist meine Tante, Johannes mein Vater und Karl-Hinrich mein Onkel. Die jungen Kerle zog es zur Kriegsmarine. Aus der Schule entlassen, wurde Karl-Hinrich eingezogen, er war auf U-333, das in Emden gebaut wurde und am 31.7.44 sank. Es war das 538. U-Boot, das von Engländern versenkt wurde. Erst nach Jahrzehnten wurde es südwestlich von England nahe der Scilly-Inseln entdeckt. Mein Onkel wurde 20 Jahre alt. Ich erbte seinen Vornamen, so wie Johannes den Vornamen seines im ersten Weltkrieg gefallenen Onkels geerbt hatte.

      Johannes war Volontär in Kiel, als er 1941 zum Arbeitsdienst eingezogen wurde. Später kam er auf einen Minensucher, der nach einem Torpedotreffer versank. Zusammen mit den anderen wurde er aus dem Wasser gefischt. Er war verwundet. Danach kam er auf ein Vorpostenboot in der südlichen Nordsee, als aus Steuerbord plötzlich Feuerbord wurde; es wurde in Brand geschossen. Abermals musste die Mannschaft gerettet werden. Das dritte Boot hatte einen Posten in der Unterelbe. Ein "gegisstes Besteck" (Tagesstrecke) gab es nicht mehr, man lag vor Anker.Was geschah? Auch der Kasten wurde getroffen und versank ebenfalls. Die Besatzung musste an Land schwimmen, es war im Winter. Dreimal war Johannes dem Tod von der Schippe gesprungen, aber es hatte ihn schwer mitgenommen. Nun musste er nicht mehr an Bord, sondern wurde zum Hafendienst nach Emden abkommandiert. Natürlich schaute er in der freien Zeit den Röcken hinterher. Irgendwann begegnete er mit seinen Kameraden den Mädels, zu denen auch Hedwig gehörte. Es schien, als hätten sie sich gesucht und gefunden. Bald war dann der Krieg vorbei. Die Bombennächte hatten sie überlebt, aber Deutschland war besiegt und am Boden. Die desaströse Nachkriegszeit begann. Im November 45 erblickte ich das „Licht der Welt“ auf Transvaal. Nicht in Afrika, es ist ein Stadtteil von Emden. Es wäre schön, wenn die Geschichte hier enden könnte, mein weiteres Leben mit Hitler nichts mehr zu tun hätte. Dem ist aber nicht so.

      Aantjeflott

      Auf Transvaal geboren zu sein war eher ein Makel, denn das Viertel in der Nachbarschaft des Hafens hatte nicht den besten Ruf. Wir wohnten im letzten Haus der Berumer Straße, gegenüber waren Baracken. Dort wohnten Leute, die ausgebombt waren. Das betraf sehr viele, von denen die meisten in einer einzigen Nacht obdachlos wurden. Aber man lebte! Emden ist die Stadt mit der größten Bunkerdichte, bezogen auf die Zahl der Bewohner. Der Führer brauchte Kriegsschiffe und U-Boote. Mein Paradies war dort, wo heute die Althusiusstraße verläuft, die es damals noch nicht gab, und bestand nur aus einem Schloot, einem Wassergraben. Die gehören in Ostfriesland einfach dazu. Er hatte klares Wasser, Schilf, Froschbiss, der aussieht wie Mini-Seerosen, Frösche, Kröten, Teichmolche, Stichlinge, Wasserspinnen, Kaulquappen, Blut- und andere Egel, Schnecken, Schwimmkäfer, Wasserskorpione, Libellen und einiges mehr. Zum Beispiel Aantjeflott. So, wie es in unserer Sprache Anglizismen gibt, gibt es an der Küste auch Plattizismen. Aantjeflott sind Wasserlinsen, die unser Verdruss waren. Also Hermanns und meiner. Wenn wir das Zeug am Körper und an der Kleidung hatten, wussten unsere Mütter, dass wir ihre Verbote wieder mal nicht beachtet hatten. Die zogen erst, als ich einmal einen tiefen Schnitt im Fuß hatte, weil zerbrochene Flaschen im Schloot lagen. Ach ja, die Mücken, nicht zu vergessen. Aber wir hatten ja einen Flit-Zerstäuber.

      Schilf! Bis heute gehört Schilf zu meinen Lieblingspflanzen. Lebt so am Rand, nie weit vom Land und nie weit vom Wasser, wird vom Sturm schwer gebeutelt und steht anderntags da, als sei nichts geschehen. Bietet Lebewesen aller Art Schutz und Lebensraum, schmückt und schützt Häuser. Das Schilfsterben fiel mir auf, lange bevor es öffentlich beachtet wurde. Ein schleichender Tod, der an Fahrt gewinnt. Die Bauern wissen von nichts und die Bahn schweigt…

      Wer

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