Das Leben nach Adolf Hitler. Karl-Hinrich Schlüter

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Das Leben nach Adolf Hitler - Karl-Hinrich Schlüter

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und Vergehen in plattdeutscher Sprache. Titel des Büchleins: Wechselspiele, Titel des Gedichts: Een Handvull Reit. Vorläufig nur als E-Book erhältlich.

      Rotraud

      ist meine Schwester, die 1946 geboren wurde, ebenfalls im November. Sie hat den Namen unserer Tante geerbt. Im Frühjahr 1947 traf unsere Mutter und uns ein Keulenschlag. Wohnraum war sehr knapp und musste beantragt und genehmigt werden. Hannes arbeitete als Hafenarbeiter. Er wollte wegen der fehlenden Berufsausbildung mit uns nach Kiel umziehen, um dort eine Fachschule besuchen zu können. Er fuhr nach Kiel, um eine Wohnung zu beantragen, und in seiner Heimat besuchte er noch seine Eltern. Er kam nicht wieder. Er lebte nicht mehr.

      ("Ontologische Verunsicherung" nach A. Giddens wird das genannt, was dann bei mir begann. Es ist das Grundproblem vieler weiterer Schwierigkeiten in sozialer und psychischer Hinsicht. Die Verbreitung ist besonders den beiden Weltkriegen zu "verdanken".)

      Somit fehlten mir schon zwei wichtige Personen, ein Großvater und mein Vater. Von dem Großvater in Krogaspe hatte ich nicht viel wegen der großen Entfernung. Reisen damals ist mit der heutigen Mobilität nicht vergleichbar. Es gab spärliche Kontakte, ein paar Briefe und Postkarten. Als Schüler war ich zweimal in den großen Ferien dort.

      Es herrschte Mangel. An Kleidung, an Lebensmitteln, an Heizmaterial. Kohlenklau war gang und gäbe. Die gnadenlos kalten Nachkriegswinter taten ein Übriges. Vater wurde krank, weil der Krieg ihn einholte. Die Namen der beiden Brüder finden sich in Krogaspe auf dem Kriegerdenkmal.

      Ich habe keine Erinnerung an meinen Vater, keine Vorstellung, keine Stimme, nur Fotos und Erzählungen. Etwa, dass er mich in seinen Rucksack steckte und mitnahm zum Angeln. Aber ich habe noch zwei Aufsatzhefte von ihm, aus den Jahren 35 bis 37. Die Themen zeigen, dass den Schülern starke Überheblichkeit vermittelt wurde; Versailler Schandvertrag, Notwendigkeit von Kolonien, Bedeutung von Sport mit Höchstleistungen, Kriege, Erfindungsgeist, „Kampf dem Verderb“, die Staatsverschuldung aufgrund der Reparationen betreffend, die deutschen Länder im früheren Ungarn usw.

      Der Unterricht war also „zielführend, zeitgemäß und vorbildlich“.

      An dieser Stelle muss ich einfügen, dass ich meinen Vater nicht vermisst habe, als ich ein Kind war. Das begann, als ich älter wurde, und nahm zu. Jetzt bin ich alt und mein Vater fehlt mir. Wie oft habe ich mir einen Gedankenaustausch mit ihm gewünscht…

      Ein paar Briefe meines Vaters ergaben eine späte Annäherung, und der Fundus an familiärer Post, beginnend 1914, ergab den Anstoß für dieses Buch – während der „Übersetzung“ aus der Sütterlinschrift. Die Briefe spiegeln alte Zeiten und sie dokumentieren die geschichtlichen Vorgänge. Es ist nicht nur interessant und unterhaltsam, die Alten können uns immer noch etwas sagen. Darum ist vorgesehen, alle Briefe zu veröffentlichen, damit sie den Interessierten zur Verfügung stehen.

      Hier ein Beispiel:

       Lieber Christian, Liebe Schwester! Hamburg, den 8. März 1947

       Wenn über Johannes Tod nun auch schon eine Weile verstrichen ist, so möchte ich doch nicht versäumen, Euch noch mein persönliches Beileid auszudrücken. Uns war die Nachricht über Johannes Tod kaum fassbar, besonders darum, weil er doch einige Tage vorher erst noch gesund und munter bei uns war. Wir können Euren Schmerz über Johannes Tod voll ermessen und wissen Eure Trauer zu würdigen. - Uns ist Johannes ja auch immer ein lieber Neffe gewesen. Wir haben uns stets gefreut, wenn er uns besuchte, und scheinbar ist er ja auch gerne zu uns gekommen. Doch die Wege des Schicksals sind unergründlich und scheinbar derart sinnlos, dass man an ein höheres Walten in Gerechtigkeit, Liebe und Vernunft überhaupt nicht mehr glauben kann. So ist es bei Euch, so ist es bei Millionen anderer Menschen und so ist es im ganzen Weltgeschehen unserer Tage. Alles ist dem blinden und blöden Zufall überlassen. Es hat heute überhaupt keinen Sinn mehr, zu leben. Und wenn Ullrich von Hutten einmal sagte: „ - es ist eine Lust zu leben“, so können wir dazu nur noch sagen: „Ach, das ist lange her!“ - (…) Hier von Hamburg ist nichts zu berichten. Alles geht seinen gewohnten Trott, - Gang – kann man dazu schon nicht mehr sagen. Es wird noch Jahre dauern, ehe man an ein verträgliches Leben denken kann, wenn das überhaupt noch einmal kommen sollte. An eine Entnazifizierung ist auch noch nicht zu denken. Trotz aller diesbezüglicher Verordnungen ist diese Angelegenheit noch so unklar, wie sie 1945 war. Da muss erst ein größeres Besinnen kommen, ehe da mal wirklich reiner Tisch gemacht werden kann. Vielleicht erlebe ich das ja aber nicht mehr. - In unserer augenblicklichen Lage werden wir ja aber schon rosiger sehen, wenn der Winter erstmal vorbei ist. Und das kann nun wohl nicht mehr lange dauern! – In der Hoffnung, dass es Euch gesundheitlich gut geht grüßt Euch herzlichst Euer Schwager und Bruder

       Erich und Familie (…)

      Kindergarten

      Autos sahen wir nur recht selten, mitunter einen Tempo Goliath, ein dreirädriges Transportfahrzeug. Das übliche Transportmittel war das Pferdefuhrwerk. Zum Beispiel für Hausmüll oder die Tünnjes mit Fäkalien. Da gab es sie noch, die spöttisch so genannten Emder "Pottjekacker". So war es möglich, daß Rotraud und ich unbegleitet in den Kindergarten gehen konnten. An die klare Weisung unserer Mutter hielten wir uns: Ihr haltet euch so lange an der Hand, bis ihr dort seid. Dann hatte ich die schwergängige Tür zu öffnen. Aber es war nicht m e i n Kindergarten, meiner hatte Aantjeflott! Mitunter schob ich Rotraud durch die Tür und ging mit meinem Provianttäschchen an den Schloot.

      Ich musste doch einmal etwas erbeuten!

      Die Innenstadt sahen wir nur selten. Es war ja auch alles kaputt. Einige wenige Male sind wir mit der Straßenbahn in die Stadt gefahren. Die verband die Stadtmitte mit dem Außenhafen und dem Borkumanleger. Anfang der 50er Jahre war es mit ihr vorbei.

      Ersatzvater

      Nach Hedwigs Meinung brauchen Kinder einen Vater und sie heiratete wieder, Ehemann Nr. 3. Einen Spätheimkehrer. Er stammte aus Berlin, hatte die typische Mundart, Berliner Schnauze. War er heimgekehrt? Die Frage schien Hedwig nicht zu interessieren, die Zeiten waren so. Er hieß Alfred und kam aus russischer Gefangenschaft. Weiß der Teufel, was ihn nach Ostfriesland verschlagen hat. Nach Jahrzehnten wussten wir es. Ein Schneidermeister, deutlich älter als Hedwig. Ihre Geschicklichkeit passte zu seinem Beruf. In der Zeit davor hatte sie Pullover, warme Kleider und Röcke für Bauern gestrickt, aus Fallschirmseide Blusen genäht, und uns damit über Wasser gehalten. Übrigens gehörte ich zu den wenigen Kindern, denen die kratzige Schafwolle nichts anhaben konnte. Her mit den Strümpfen und dem Bostrock! (Leibchen).

      Tschüss Aantjeflott!

      Zu meinem Bedauern zogen wir fort, aber nur um die Ecke, in die Cirksenastraße. Zwischenzeitlich hatte in der Nachbarschaft Otto Waalkes das Licht Transvaals erblickt. Ihn erlebte ich erst, als er in einer Schülerband im Reichshof, einem Tanzschuppen, Gitarre spielte und Mätzchen machte. Bis die Wehrmacht, ähem, die Wehrpflicht den Jungs einen Strich durch die Rechnung machte. Vorher hatte ich schon einen Onkel von Otto erlebt, der beim Schützenfest ein volles Festzelt stundenlang mit Döntjes und Witzen unterhalten konnte. Immer wieder mal kommen auch lustige Ostfriesen vor. Karl Dall und andere.

      In der Cirksenastraße wurde mir das aufkeimende Interesse an Fußball ausgetrieben. Das kam so: Gegenüber war ein Schotterplatz, wo jetzt die Dollartschule ist. Einige Jungs unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Größe bolzten dort

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