Misericordia City Blues. Christian Urech

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Misericordia City Blues - Christian Urech

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der Badegäste angebracht war, während Herr Kummer sich seiner Kleider entledigte. Als er endlich in den Badehosen war und sich vor dem Schwimmen im Spiegel ausführlich gekämmt hatte (warum das sein musste, wusste nur Herr Kummer selbst, und der Ritter tippte sich mit einer bezeichnenden Geste an die Stirn), dauerte es keine Minute, bis Don Quichotte in den Kleidern von Herrn Kummer, die ihm nicht schlecht passten, vor seinem dicken Freund und Knappen stand. Und ich? fragte dieser und hatte schon fast wieder ein Weinen in der Stimme.

      Du holst dir die Kleider von Madame, aber mach, dass dich niemand sieht, befahl Don Quichotte.

      Was soll ich damit?

      Sie anziehen, Calabazo, was denn sonst?

      Aber ich bin doch keine Frau! empörte sich da Sancho, der als Südländer trotz seines eher hasenfüssigen Wesens

      eine gesunde Portion Machismo im Blut hatte.

      Das merkt doch niemand, jedenfalls nicht von weitem. Hast du ihren prachtvollen Sonnenhut gesehen? Den

      ziehst du dir ins Gesicht. Wenn sie meinen, du seist eine Frau, dann ist das doch die beste Tarnung! Niemand wird uns in dieser Verkleidung als Don Quichotte und Sancho Pansa respektive als Toboser erkennen. So überlistet man den Feind!

      Das leuchtete sogar Sancho Pansa ein wenig ein, und er tat, wie ihm geheissen. Das Ehepaar Kummer schwamm

      indessen und hatte das ganze Schwimmbecken für sich. Der Bademeister sass in seinem Bademeisterkabäuschen,

      trank Kaffee, ass ein Hörnchen und las in der Morgenzeitung, was in der weiten Welt an Verrücktheiten wieder so alles passiert war. Nur die Frau des Bademeisters, die die Eintrittsbillete verkaufte, wunderte sich, als sie das

      Ehepaar so bald wieder das Bad verlassen sah; und auch ein wenig über die stark mit grauen Haaren bewachsenen Unterschenkel Herr Kummers, die ihr bisher noch gar nicht aufgefallen waren.

      Zwei

      Don Quichotte war bis vor noch gar nicht allzu langer Zeit ein grosser Anhänger von Science-Fiction-Filmen gewesen. Tag und Nacht hatte er vor dem Bildschirm verbracht und sich eine DVD nach der anderen ins Hirn

      hineingestopft, bis die Bilder schier aus seinen Ohren, aus seiner Nase und seinem Mund quellen wollten und sein Hirn beinahe trockengelegt war. In seinen Träumen wimmelte es nur so von Raumschiffen, fremden Planeten, Zeitreisen und bizarren Wesen aus anderen Galaxien. Mit der Zeit hatte Don Quichotte sich selbst immer mehr davon entfernt, ein Erdling zu sein, und hatte sich nach und nach zum Abgesandten einer fremden galaktischen Macht gemausert, fast nebenbei berufen, die Erde, wohin es ihn nun mal verschlagen hatte, vor Kräften des Bösen zu retten und zu bewahren.

      Diese Mission, so wurde es Don Quichotte irgendwann klar, war seine Lebensprüfung und Bewährungsprobe.

      Manchmal entwickelte sich bei ihm geradezu ein Heimweh nach seiner Heimatwelt, die sich da irgendwo

      weit draussen in der unendlichen Leere des Universums in anderen Sternennebeln um eine andere Sonne drehen

      mochte, Millionen, ja Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt. Solche Dimensionen gaben Don Quichotte einen ganz eigenen Zugang zu den Problemen des Alltags und deren Bedeutung.

      Sein Heimatplanet hatte nach Don Quichottes Vorstellung eine sehr kuriose Gestalt. Und seine Bewohner

      waren nicht minder sonderbar. Der Planet, Toboso eins genannt, war nämlich ganz und gar mit Wasser bedeckt, oder vielmehr mit so etwas wie Wasser, nämlich einer Art flüssigen Gases: einem Zwischending aus Wasser und Luft, das wusste Don Quichotte, der kein Naturwissenschaftler war, nicht so genau. Auf jeden Fall schwammen oder flogen in diesem Zwischending die Bewohner von Toboso, von denen es zwei Sorten gab, aber nicht etwa eine weibliche oder männliche, sondern eine vollkommene und eine unvollkommene.

      Die vollkommenen Exemplare waren kugelförmig und, wenn man so will, aus je zwei unvollkommenen Teilen entstanden (gemäss einer anderen Theorie waren die vollkommenen Teile zuerst gewesen und dann aus noch unerforschten Gründen in zwei unvollkommene Teile zerfallen, die nun von der Sehnsucht nach dem ursprünglichen Zustand der Vollkommenheit geradezu besessen waren). Die Kugeln befanden sich in einem Zustand frag- und wunschlosen Glücks, waren alters- und zeitlos, mussten demnach weder Nahrung

      aufnehmen noch Exkremente ausscheiden, kannten weder Müdigkeit noch Schlaf, unterlagen nicht der Liebe, dem Hass und der Leidenschaft, sondern waren einfach da und schwammen oder flogen in gänzlicher Harmonie im Zwischending herum: erleuchtete Kugeln.

      Die unvollkommenen Exemplare waren noch weit von solch paradiesischen Zuständen entfernt. Sie mussten sich zuerst in allen möglichen Wandlungen bewähren, manchmal auf der Erde, dann wieder auf einer Welt in einer ganz anderen Ecke des Universums die verschiedensten Abenteuer bestehen und stets gegen die Mächte des Bösen kämpfen, damit das Gleichgewicht im Grossen und Ganzen erhalten blieb.

      Dass Toboser, um diese wahrhaft titanische Aufgabe zu bewältigen, nicht nur äusserst mutig und schlau, sondern

      auch flexibel, anpassungsfähig, kreativ, analytisch, durchsetzungsfähig und einfühlsam sein mussten, versteht sich von selbst.

      Dies alles und noch viel mehr hatte Don Quichotte während der langen Tage in der Anstalt dem Sancho

      Pansa auseinandergesetzt – natürlich mit der Sache angemessenen Worten und doch so, dass Sancho wenigstens

      einigermassen folgen konnte – keine geringe intellektuelle Herausforderung, wie Don Quichotte fand.

      Auf der Erde sah unser tobosischer Ritter das Böse in verschiedener Gestalt, aber unter Wahrung einer inneren

      Einheit, sein Werk vollbringen. Die Feinde stammten ursprünglich ebenfalls aus anderen Welten, nämlich von

      einem Planeten namens Cerberus eins. Don Quichotte war davon überzeugt (allerdings, ohne deshalb in seiner

      Standfestigkeit oder seiner Zuversicht erschüttert zu werden), dass die Erde kurz vor einer endgültigen

      Übernahme durch die Cerberaner stehe. Woraus schliesst dies unser Held? Nun, allein schon durch zahlenmässiges Vorhandensein. Die Cerberaner tarnten sich nämlich als Maschinen, während die Toboser, wie gesagt, in Menschen- und in seltenen Fällen auch in Tiergestalt auftraten. Mit Vorliebe wählten die Cerberaner eine Tarnung als Auto, Flugzeug oder als Computer. Oder als Fernsehgerät, Stereoanlage, Gartengrill. Selbstverständlich waren nicht alle Autos, Computer und Wachmaschinen getarnte Cerberaner, aber doch ein stets wachsender Anteil an ihnen. Die echten Menschen merkten davon natürlich nichts. Sie meinten noch immer, sie würden das Auto steuern, während es längst so war, dass das Auto, also der versteckte Cerberaner, sie steuerte. Leute, die einen versteckten Cerberaner in Form eines Fernsehgerätes bei sich in der Wohnung hatten, glaubten, sie würden ein ganz normales Programm anschauen, während sie auf subtile Art und Weise auf die Machtübernahme durch die vom Planeten Cerberus vorbereitet wurden. Gehirnwäsche nennt man das.

      Gegen derart versteckte Kräfte musste Don Quichotte also antreten. Das Delikate dabei war, dass die Cerberaner alle zusammenarbeiteten, während die Toboser aus Prinzip und aus Bestimmung strikte Einzelkämpfer waren. Don Quichotte wusste deshalb nicht, ob es neben ihm noch andere Toboser auf der Erde gab, was zwar anzunehmen, aus oben erwähntem Grund aber irrelevant war.

      Trotzdem

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