Misericordia City Blues. Christian Urech

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Misericordia City Blues - Christian Urech

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dieses rätselhafterweise am frühen Morgen schwimmenden älteren Herrn, der sich vor dem Sprung ins Wasser die Haare kämmt, noch etwas Geld vorhanden. Da ich erstens allein und zweitens wie eine Frau gekleidet bin, Gott seis geklagt, wird niemand auf die Idee kommen, ich könnte Sancho, Assistent des Don Quichotte von Toboso, sein.»

      Don Quichotte wunderte sich über diese lange Rede seines sonst nur im Anrufen der Heiligen so eloquenten

      Begleiters. Obwohl er ihm die Auskundschaftung der Cerebraner nicht so recht zutraute, liess er seinen durstigen

      und hungrigen Freund losziehen. Denn es war jetzt an der Zeit, einen Schlachtplan für die Nacht auszuhecken.

      Und Pläne konnte er am besten schmieden, wenn er allein war und seine Ruhe hatte.

      Lufthunde, brummelte Sancho kopfschüttelnd, während er mühsam auf sein Fahrrad kletterte. Mit stets

      wachsender Geschwindigkeit, denn dieses Mal ging es abwärts, näherte er sich dem Ort. Die Armeepräsenz auf

      den Strassen und Plätzen war geringer geworden, das supponierte Schlachtengetümmel hatte sich auf den Abend

      hin mehr ins freie Gelände und die Landschaft hinein verschoben in Form von Truppenbewegungen auf 20-, 50-

      oder gar 100-Kilometer-Märschen, Schiessübungen, Biwakierungen mit anschliessendem «Feindkontakt» etc.,

      während im Dorf oder Städtchen, das als Ausgangspunkt der Aktionen und Kommandositz fungierte, sich nur noch einige Offiziere befanden, die Nachrichtenzentrale, die stehende Feldküche, das Lazarett und ein mit Stacheldraht umzäunter, schwer von Soldaten mit scharf geladenen Gewehren bewaffneter Maschinenpark. Dieser enthielt einige Militärlastwagen, Jeeps, Artilleriegeschütze, Flabkanonen etc., die in dieser Nacht aus

      welchen Gründen auch immer vom Kriegsgeschehen ausgeschlossen sein sollten.

      Sancho entschloss sich, das Gasthaus von heute morgen zu meiden, doch gab es in dem Ort als einem Garnisonsstädtchen viele andere Wirtschaften, denn Soldaten sind hungrige und vor allem durstige Gesellen. Heute allerdings, der Übung «Cerberus» wegen, herrschte die Zivilbevölkerung in den Lokalen vor, aber auch die Zivilbevölkerung war an diesem Abend sehr durstig, die Gartenwirtschaften waren voll und lärmig und das Bier floss in Strömen. Es war einer jener närrischen Sommerabende, zwei Tage vor Vollmond, an denen selbst den ernsten und gesitteten Menschenschlag in diesem Land ein Hauch von Übermut streift, der dann allerdings leicht in Mutwillen umschlägt.

      Sancho betrat also eine der zahlreichen Gartenwirtschaften des Städtchens und setzte sich still und bescheiden

      an einen Tisch, an dem schon zwei junge Burschen sassen, mit vollen Halblitergläsern Bier vor sich. Die beiden

      schienen schon einige dieser Humpen geleert zu haben, denn ihre Gesichter waren rot und schweissglänzend,

      ihre Augen unnatürlich blau, sie lachten viel und hieben sich gegenseitig die Hand auf die Schultern.

      Als sie Sancho – im geblümten Rock und Frau Kummers ausladenden Sonnenhut auf dem Kopf – bewusst wahrnahmen, ging der Spass aber erst richtig los. Sancho schäumte und kochte innerlich vor Wut, bedachte dann

      aber, dass es erstens – zwei gegen einen – im Fall eines handfesten Streits einen ungleichen Kampf geben würde.

      Dass er zweitens in einer wichtigen Mission unterwegs war und deshalb seine Tarnung auf keinen Fall aufgeben

      durfte. Und dass er drittens immer noch Durst hatte und jetzt endlich ein kaltes Bier wollte.

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