Marattha König Zweier Welten Teil 3. Peter Urban
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Immer wenn der Ire sich unbefangen aussprechen und weder Ratschläge noch brillante Geistesblitze hören wollte, verzog er sich klammheimlich zu seinem Sergeant. John war kein strategisches Genie, er war lediglich ein alter Schotte, der mit beiden Beinen im Leben stand. Er schöpfte seinem Kommandeur einen großen Teller mit kräftigem, heißem Hammelragout und frischem Gemüse voll. Dann schnitt er ein paar Scheiben Brot und setzte sich neben ihn. »Mein Junge, möchten Sie mir erzählen, was Sie bedrückt, oder ist es Ihnen lieber, wir wechseln das Thema?«
»Das Problem ist das Thema, John! Der Generalgouverneur verfolgt eine politische Strategie. Er will aus dem britischen Imperium in Indien das Imperium Britisch-Indien machen ...« Arthur schlang ein paar Bissen Ragout hinunter und spülte mit Bier nach. Seine Augen fixierten die von Sergeant-Major Dunn. »Ach, zum Teufel mit der Politik! Sobald Stuart den Befehl bestätigt, knöpfen wir uns Scindia vor!«
Der Marquis von Mornington hatte den Brief der Direktoren schockiert zur Kenntnis genommen. Sie kritisierten scharf seine Politik im Kernland Indiens. Sie nahmen den Vertrag von Bassein mit großer Besorgnis zur Kenntnis und beschwerten sich darüber, dass seine militärischen Ambitionen die Ostindische Kompanie ein Vermögen kosteten, aber keinen sichtbaren Profit hervorbrachten. Wie er diese Buchhalter hasste! Sie dachten an nichts weiter als an Tuchballen, Tee oder Gewürze, die in London versteigert würden. Sie waren kleine Geister, erbärmliche Krämerseelen, und sie sahen nicht, wie sehr ihre Position auf dem Subkontinent gefährdet würde, wenn er nicht den Marattha und anderen potentiellen Verbündeten Frankreichs sein Gesetz aufzwang.
»Henry«, fragte er leise seinen Bruder und Privatsekretär, »haben wir außer Barry Closes Bericht über die politische Situation in Poona Neuigkeiten aus dem Maharastra?«
»General Wellesley hat über den Generalstabschef von Madras mitteilen lassen, dass Holkar von kriegerischen Handlungen abzusehen gedenkt. Er hat mit Holkar einige fruchtbare Gespräche geführt. Dabei muss es ihm irgendwie gelungen sein, sich unter vier Augen mit dessen General Meer Khan zu verständigen. Der Mann hat die Seiten gewechselt und schließt zu Stevensons Teilheer auf.«
Mornington schaute Henry ungehalten an. »Ja, ja! Ich weiß, dass unser Bruder leidenschaftlich gern den großen Diplomaten spielt, doch dafür bekommt er nicht den Sold seines Königs! Militärische Fakten?«
»Richard, du scheinst zu vergessen, dass Holkar ein militärischer Faktor ist!« fauchte Henry Wellesley seinen ältesten Bruder an. Seit Jahren schon ertrug er Richards Arroganz, seinen Hochmut, seine herablassende Art und seine Demütigungen. Lange Zeit hatte er es nicht gewagt, sich zu widersetzen. Doch nun war der Generalgouverneur zu weit gegangen. Henry musste sich auflehnen.
»Richard, warum lässt du ihn diese Expedition überhaupt führen, wenn du mit seiner Vorgehensweise nicht einverstanden bist? Schick doch einfach einen anderen Mann ins Maharastra! Einen Mann, der in der Lage ist, sich mit fünfzehntausend britischen Soldaten und Sepoys gleichzeitig gegen drei Fürsten zu schlagen. Aber erspare unserem Bruder deinen Zynismus.«
»Erspar mir deinen Zynismus, Henry, und hör endlich damit auf, hier in Fort William Nachhutgefechte für Arthur zu schlagen. Es enttäuscht mich, dass nicht einmal du verstehen kannst. Der Frieden von Amiens! Ich habe mich geweigert, den Franzosen Pondicherry und Mahé zurückzugeben, und ich habe General de Caen mit seinen beiden lumpigen Kriegsschiffen zur Hölle geschickt, ohne dabei auch nur einen einzigen Briten zu gefährden. >John Company< hat wie immer laut geschrien, doch St. James hat meine Entscheidung gutgeheißen. St. James heißt auch meine Entscheidung im Maharastra gut, doch es ist mir nicht möglich, von Kalkutta aus die Situation in und um Poona zu kontrollieren. Duncan könnte von Bombay aus diesen Part übernehmen, aber er versteht meine neue Politik nicht und wird im Fall einer Krise die Nerven verlieren. Der Mann ist seit mehr als dreißig Jahren im Land, und langsam bringen ihn das Klima und die Langeweile um. Ich werde jemand anderem die politische und die militärische Verantwortung übertragen müssen ...« Er stockte einen kurzen Augenblick. »Dieser Mann wird nicht nur alle Verhandlungen mit den Fürsten führen, sondern auch über Krieg oder Frieden entscheiden. Selbständig!«
Seine Augen hatten nichts Zynisches, Selbstgerechtes mehr, als er Henry anschaute. Die Augen fragten zum ersten Mal seit Jahren, verlangten nach einer Antwort. Warum hatte ihn jetzt plötzlich die Kraft verlassen, allein eine Entscheidung zu treffen? War es das Schreiben der Direktoren? Waren es diese unterschwelligen Drohungen, dass er sich – im Falle eines Fehlschlages im Maharastra – genauso wie vor ihm Clive und Hastings vor einem britischen Gerichtshof würde verantworten müssen? War es die plötzliche Furcht, alles, was er sich erschaffen hatte, in einem unglückseligen Streit mit »John Company« aufs Spiel zu setzen, nur weil er einen Menschen falsch einschätzte?
Henry erhob sich, blieb aber zwischen seinem Stuhl und dem Schreibtisch des Generalgouverneurs stehen, plötzlich unsicher, ob Richard nur mit ihm Katz und Maus spielte, oder ob er ihn dieses eine Mal wirklich brauchte. Eine Zeitlang schwieg er und betrachtete die zierliche, schlanke Gestalt im engen, schwarzen Gehrock. Seine Augen glitten von den blankpolierten Schuhen über die blütenweißen Strümpfe hinauf zu den perfekt gebügelten Kniehosen, dem eleganten Hemd mit den prachtvollen Besätzen aus feinster Brüsseler Spitze, zu der schweren goldenen Kette, an der eine sündhaft teure Uhr von Breguet hing, zu dem sorgfältig geschlungenen Halstuch aus cremefarbener Seide ... dann blieben seine Augen auf dem Gesicht des Bruders haften. Der erste Anschein waren Energie, Entschlossenheit, Dominanz! Doch dahinter verbarg sich eine sonderbare Unsicherheit, eine innere Unruhe, die der Marquis kaum zu verbergen mochte. Richard hatte etwas Verletzliches an sich.
»Du hast ihn lange nicht mehr gesehen. Wenn du ehrlich zu dir selbst bist, musst du gestehen, dass du ihn gar nicht richtig kennst, denn unser Bruder hat dich nie interessiert. Du hast immer die Meinung unserer Mutter geteilt – Kanonenfutter, nichts weiter!«
»Und deiner Meinung nach ist dieser Sepoy-General mehr als das?« Ein zynisches Lächeln lag auf den Lippen des Generalgouverneurs. Doch es reichte nicht, um seine Unruhe zu überspielen. Er hatte einen Kandidaten in Zentralindien an der Hand. Er konnte jetzt nur auf diese Karte setzen und alles gewinnen oder ... verlieren. Richard fühlte sich unwohl, weil er sich in eine Situation manövriert hatte, in der er die Fäden aus der Hand geben musste, um blind zu vertrauen. »Wie ist er, Henry? Wie ist Arthur?«
»Wie er ist? Ruhig, gelassen, nachdenklich, geduldig. Er ist dir nicht unähnlich, Richard, wenn man einmal davon absieht, dass ihm dieser eiskalte Egoismus abgeht, den man vermutlich braucht, wenn man seine Kämpfe in Whitehall oder in der Leadenhall Street austrägt und nicht in irgendeinem schwülen, unwegsamen, von Ungeziefer und Krankheiten verseuchten Dschungel.«
Der Marquis von Mornington verzog den Mund. Henry wurde wagemutig. Er sagte, was er dachte, und seine analytischen Fähigkeiten waren nicht schlecht: eiskalter Egoismus! Er hasste diese Worte, doch sie stellten die perfekte Synthese seiner selbst dar, und er war stolz darauf, denn er traf Entscheidungen, ohne sich dabei von dummen Gefühlen verleiten zu lassen. »Hat er Mut?«
»Als Offizier oder als Mensch?«
»Was für einen Unterschied macht das, Henry?«
»Einen großen Unterschied, Richard. Für einen Soldaten ist es nicht schwer, mutig zu sein. Wenn du wissen willst, ob Arthur in der Lage ist, schwierige Entscheidungen zu treffen und später für die Konsequenzen seines Tuns geradezustehen ... ja, dann ist er mutig!« »Dann soll er seine Chance bekommen, Henry! Setz den Befehl für Generalmajor Wellesley auf, und schick den Kurier sofort los!« Richard schien erleichtert, als er diese Worte aussprach.
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