Wie in einem Spiegel. Eckhard Lange
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Ich denke, du hast sie geliebt, Jason Yolck? –
Das ist es ja! Liebe gegen Missbrauch, Vertrauen gegen Betrug, Hingabe gegen Ausbeutung. So war es immer. –
Und du hast nicht ebenso versucht, andere zu täuschen – zu deinem Vorteil, für deine Ziele? Und du willst nun alle Schuld auf andere schieben?
Hör zu, du verfluchtes zweites Ich in diesem ebenso verfluchten Spiegel! Ich will dir in Erinnerung rufen, was du doch wissen müsstest. Ich will dir die Wahrheit sagen, weil es doch jetzt nur noch um die Wahrheit geht angesichts des Todes, der dich – mich –unwiderruflich erwartet; angesichts des Gerichtes und der Verurteilung. Du erinnerst dich an Anita, nicht wahr? Nur allzu gut erinnerst du dich; du kannst ihr Bild nicht auslöschen, und mit dem Bild deine Schmach, diese Enttäuschung, diesen bitteren Schmerz in deiner Seele, der dich unfähig gemacht hat für die Liebe, ein für alle Mal, trotz allen Begehrens, trotz all der Stunden der wilden Lust, die du dir selbst angetan hast, nur um zu vergessen. Aber du kannst nicht vergessen, Jason Yolck! Du musst dich erinnern, du musst diese Wunde immer wieder bluten lassen. Denn es war dein Herzblut, wie man so sagt, das damals geflossen ist – in jenen Sommertagen in Lenorenlund. Schau dir deinen Lebensfilm an! Du musst es noch einmal erleben, obwohl du es schon so oft erlebt hast in deinen Träumen, die du so gerne vergessen wolltest.
Ja, ich sehe es. Ich sehe mich. Damals, in diesem kargen Speiseraum, inmitten all meiner Mitschüler. Aber vor allem sehe ich sie in ihrem weißen Kittel mit der Haube auf dem blonden Haar, das sich darunter verbergen sollte und das doch immer wieder hervorbrach. Anita! Zierlich, fast zerbrechlich, aber mit einem ungeheuer stolzen Blick. Eigentlich gehörte sie in die Küche, zu der wir keinen Zutritt hatten, doch an jenem Tag musste sie draußen aushelfen, Seite an Seite mit den älteren Frauen, die das Essen ausgaben, mütterliche Typen, bewusst ausgewählt, um in dieser Gemeinschaft heranwachsender Knaben bestehen zu können. Doch nun – Anita! Ich war nicht der einzige, der ihre schlanke Gestalt mit unauffälligen Blicken verfolgte, je jünger die Augen, desto sehnsüchtiger ihr Ausdruck. Sie bemerkte es wohl, war es wohl auch gewöhnt, denn sie zeigte unter dem Kittel durchaus ansehnliche Rundungen, und sie zeigte sie bewusst und selbstbewusst, aber sie schien durch alle diese Jungen hindurchzusehen mit ihren grüngrauen Augen, bis – ja, bis sich unsere Blicke trafen. Ich sah, wie sie stutzte, wie sie zunächst in eine andere Richtung schaute, um dann heimlich zurückzukehren mit ihrem Blick, ich sah, wie sie sehr verhalten ein Lächeln hervorbrachte genau in meine Richtung, um sich dann rasch abzuwenden. Aber ich war sicher: Das Lächeln hatte mir gegolten, und es war eine Einladung gewesen.
Die nächsten Tage hatte ich gleich nach den Mahlzeiten eine Übung mit jüngeren Schülern, und im Speisesaal war die übliche Ordnung zurückgekehrt. Doch das Lächeln war da, die Einladung war da, und Sehnsucht, unbekanntes Begehren hatte mich in Besitz genommen. Es war ein Gefühl, so neu, so unbekannt, dass ich es kaum deuten konnte, denn bislang hatte ich wenig, nein – keinen Kontakt zu einem Mädchen, und wenn wir in einer kleinen Gruppe das Eiscafé in der nahegelegenen Kleinstadt aufsuchten, dann waren es die Schulkameraden, die mit der Bedienung flirteten, ich schaute eher scheu zur Seite, wenn sie anzügliche Beobachtungen von sich gaben. Dabei war ich einer der ältesten, und man sah es mir an, dass ich mich täglich rasieren musste. Mögen die Erlebnisse, die sie in mancher Freistunde lustvoll ausbreiteten, auch eher Wunschträume als Wirklichkeit gewesen sein, ich hatte ihnen nichts Gleichwertiges zu bieten, auch meine Fantasie war unfähig, derlei Details zu erfinden.
Jetzt aber gab es Anita, ihr geheimnisvolles Lächeln, ihre versteckte Einladung. Es war ein Freitag, ich weiß es noch genau, als ich den Weg hinter der Küche immer wieder hinauf und hinunter schlenderte, wie zufällig. Und dann kam sie, rief noch einen Gruß über die Schulter zurück in die Küche, strebte auf ein Fahrrad zu, das in der Nähe lehnte. Sie hatte einen kleinen Beutel über die Schulter geworfen, ihre Jeans umfassten fest und eng alles, was sie bedeckten. Ihre Bluse dagegen hing lose von den Schultern herab, gab nichts preis von dem, was sie verbarg. Ich verzögerte meinen Schritt, ging langsam auf sie zu, und sie stand neben dem Rad und blickte mir entgegen. Ja, ich war sicher: Sie blieb meinetwegen dort, sie wartete meinetwegen, und als ich dicht genug herangekommen war, sagte sie einfach „Hallo!“ sah mich an und ergänzte dann trocken: „Du hast dir aber ziemlich viel Zeit gelassen.“
Sie hat dich eingefangen, Jason Yolck, und du hast es nicht gemerkt, du bist in ein Netz geraten, und sie hat es zugezogen. –
„Gehen wir ein Stück?“ fragte sie, und da war es wieder, dieses Lächeln, diese Einladung – wozu auch immer. Und ich war bereit, ihr zu folgen. Zu allem war ich bereit. Wenn es diesen pfeileschießenden Amor geben sollte – er hatte mich getroffen. Nein, sie hatte mich getroffen, und ich erkannte nicht, welche Absicht sich dahinter verbarg. Sie ging neben mir, schob mit einer Hand das Rad, die andere tastete vorsichtig nach der meinen. Ich ließ mich führen, schweigend, denn ich wusste nicht, was man jetzt sagen sollte, und sie nahm es hin. Plötzlich lachte sie auf: „Du bist ein komischer Kerl, Jason,“ sagte sie, und ich merkte nicht, dass sie meinen Namen kannte, den sie doch gar nicht kennen konnte. „Hast du noch nie eine Freundin gehabt?“
Ich schüttelte den Kopf, und sie lachte wieder, dieses wunderbare, klingende, weiche Lachen, das mich so oft noch verwirren sollte. „Komm, ich will dir etwas zeigen!“ Sie bog plötzlich vom Fahrweg ab und schob ihr Fahrrad über den weichen Waldboden, dann hob sie es an und trug es durch niederes Gebüsch, bis wir auf einem moosbewachsenen Fleck standen, von allen Seiten von Unterholz umgeben, zum Himmel hin von weitausladenden Ästen beschattet. Sie ließ das Rad einfach fallen, drehte sich zu mir um und ergriff meine Handgelenke. Dann schob sie meine Hände – ich glaube, sie zitterten damals – unter den Saum ihrer Bluse. Ich fühlte ihre Haut, sie war warm und feucht. Sie drückte meine Handflächen fest dagegen und führte sie sehr langsam nach oben. Ich spürte plötzlich den Widerstand ihrer Brüste, sie waren nackt und bloß unter dem weiten Stoff, und dann fühlte ich auch ihre steifen Brustwarzen. „Du musst sie streicheln,“ sagte Anita leise, und ich gehorchte.
Eine Weile standen wir so einander gegenüber, sie stöhnte ein wenig, während ich mich bemühte, ihren Wunsch zu befolgen. „Willst du sie sehen?“ fragte sie dann und begann, ohne meine Antwort abzuwarten, ihre Bluse aufzuknöpfen. Ich hatte Schweiß auf der Stirn, aber ich wagte nicht, ihn abzuwischen, meine Hände umfassten noch immer das Rund ihrer Brüste. Anita streifte ihre Bluse über die Schultern und ließ sie fallen. Dann zerrte sie an meinem T-Shirt und schob es mir über den Kopf. Einen Augenblick stand ich blind da, aber ich fühlte, wie sie mit schnellem Griff meinen Gürtel öffnete, den Reißverschluss herunterzog und dann die Hose abstreifte. Jetzt war ich auch unten wie gefesselt, und als ich mich endlich vom Hemd befreit hatte, stand sie nackt vor mir. Ich starrte sie erschrocken an, und sie ließ wieder ihr Lachen ertönen: „Gefalle ich dir nicht?“
„Du bist wunderschön,“ sagte ich so leise, als wollte ich es mir nur selber anvertrauen, aber sie hatte es wohl verstanden. „Dann komm,“ antwortete sie und trat einen Schritt zurück. Und wieder lachte sie, weil ich stolperte in den Fesseln meiner Jeans, die sich um meine Knöchel zusammengerollt hatten. Sie kniete nieder und streifte den harten Stoff von meinen Beinen, richtete sich auf, blieb aber auf den Knien, so dass ihr Gesicht nun direkt vor meiner Scham war. „Du bist auch schön,“ sagte sie und küsste mich dann sehr vorsichtig dort unten. Dann nahm sie ihre Hände zur Hilfe, streichelte mich, bis ich aufstöhnte.
Rasch ließ sie ab, warf sich auf das Moos und streckte