Altern - ein "profitables" Abenteuer mit Pfiff und Esprit. Margrit Eleonore Haid

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sondern wie man sie trägt. Denn die Krankheit ist keine überflüssige und darum sinnlose Last, sondern sie ist er selber; er selber als der ‚andere‘, den man immer auszuschließen versuchte. (…) Man sollte nicht suchen, wie man die Neurose erledigen kann, sondern man sollte in Erfahrung bringen, was sie meint, was sie lehrt und was ihr Sinn und Zweck ist. (…) Nicht sie wird geheilt, sondern sie heilt uns. Der Mensch ist krank, Krankheit aber ist der Versuch der Natur, ihn zu heilen.“ {6}

      Für C. G. Jung ist eine Erkrankung stets auch eine Art Bewusstseinserweiterung und ein Motor für die Ent- wicklung der Persönlichkeit. Will man eine Gleich- gewichtsstörung im Leben eines Menschen beheben, so muss man nach Jung stets einen Weg finden, wie bestimmte Inhalte des Unbewussten aktiviert, er- schlossen, assimiliert und in die bewusste Gesamt- persönlichkeit integriert werden können:

      „Denn in dem Maße, in dem wir verdrängen und unser Gleichgewicht ins Wanken kommt, steigt mit wachsenden Jahren die Gefährlichkeit des Unbe- wussten.“ {7}

      Was ist das Unbewusste?

      Das ist alles, was uns nicht bewusst ist und alles, was wir nicht „wissen“ oder direkt wahrnehmen können, obwohl ES existiert und wirksam ist (z.B. elektromagnetische Wellen, Viren,…). {8}, {9}.

      Hierher gehören all jene Erfahrungen, die wir im Laufe des Lebens vom Moment der Zeugung an gemacht haben, und die uns nicht beziehungsweise nicht mehr bewusst sind. So ist uns auch ein Großteil des Körpers nicht bewusst, denn viele Prozesse geschehen, ohne dass wir sie bewusst spüren. Oder sind dir deine ganzen Verdauungsprozesse, deine inneren Organe, die Adern und Sehnen, die Zellen usw. bewusst? Wahrscheinlich erst dann, wenn etwas weh tut und nicht mehr ganz funktioniert. Das Unbewusste eines Menschen erfasst auch alles Atmosphärische der Umgebung und seiner Mitmenschen, d.h. das, was „in der Luft liegt“, somit also auch die intuitive Seite. Gleichzeitig gibt es im Menschen auch noch eine tiefere unbewusste Schicht, die aus dem Erfahrungsraum der ganzen Evolution besteht und wirkt. C. G. Jung nennt es das Kollektive Unbewusste. Er schreibt:

      „Könnte man das Unbewusste personifizieren, so wäre es ein kollektiver Mensch, jenseits der geschlechtlichen Besonderheit, jenseits von Jugend und Alter, von Geburt und Tod, und würde über die annähernd unsterbliche menschliche Erfahrung von ein bis zwei Millionen Jahren verfügen. Dieser Mensch wäre schlechthin erhaben über den Wechsel der Zeiten. Gegenwart würde ihm ebenso viel bedeuten wie irgendein Jahr im hundertsten Jahrtausend vor Christi Geburt, er wäre ein Träumer säkularer Träume, und er wäre ein unvergleichlicher Prognosensteller auf Grund seiner unermesslichen Erfahrung. Denn er hätte das Leben des einzelnen, der Familien, der Stämme und Völker unzählige Male erlebt und besäße den Rhythmus des Werdens, Blühens und Vergehens im lebendigsten inneren Gefühl. … Es wäre geradezu grotesk, wenn wir dieses immense Erfahrungssystem der unbewussten Psyche als Illusion bezeichnen sollten, denn unser sicht- und tastbarer Körper ist ein ganz ähnliches Erfahrungs- system, das immer noch die Spuren urältester Ent- wicklungen sichtbar an sich trägt und unzweifelhaft ein zweckmäßig funktionierendes Ganzes ist, sonst könnten wir ja gar nicht leben. Niemandem würde es einfallen, die vergleichende Anatomie oder die Physiologie für Unsinn zu halten, darum kann auch die Erforschung des kollektiven Unbewussten oder die Wertschätzung desselben als Erkenntnisquelle nicht als Illusion gelten.“ {10}

      Wie sind die Gegensätze zu vereinen? Wie entwickelt man seine Persönlichkeit? Indem man innerlich in einen Dialog mit dem Unbewussten tritt und sich darum bemüht, dessen oft symbolische Äußerungen zu erahnen, zu verstehen und in sein Alltagsleben zu integrieren. Unser persönliches Unbewusstes äußert sich in Anmutungen und Körperreaktionen, indem, was uns besonders berührt, in Träumen und Visionen, in spontanen Einfällen und freien Assoziationen, im kreativen Gestalten jeglicher Art, sei es in Wissenschaft, Kunst, Handwerk oder in Freizeitbeschäftigungen. ES zeigt sich in Äußerungen jeglicher Art, in der Tonart eines Menschen, seinem Habitus, seiner Art zu kommunizieren, sei es im Gespräch, durch Schreiben, Malen, Weben, Töpfern, Tanzen, Musizieren, Handwerk … und auch, wie schon erwähnt, durch Krankheiten, Symptome und Unfälle, aber auch durch Zufälle, Synchronizitäten und in Fehlleistungen und Vergessen.

      Das kollektive Unbewusste äußert sich neben Wissenschaft, Kunst, Politik und Medien in Träumen, Geschichten, Märchen, Mythen, Bräuchen, Riten und Religionen.

      Um in einen lebendigen, fruchtbringenden Dialog mit seinem Unbewussten, d.h. dem „Anderen“ in uns, kommen zu können, ist es notwendig, sich regelmäßig und so oft als möglich, genügend zweckfreien Zeitraum zu verschaffen für Rückzugs- und Besinnungsmög- lichkeiten, um seinen Alltagserfahrungen und Reaktio- nen, seinen Träumen und Einfällen nachspüren zu können, darüber nachzudenken, und um dann auch dementsprechend handeln zu können.

      Im Roten Buch, welches erst 50 Jahre nach seinem Tod veröffentlicht wurde, hat sich C. G. Jung in seiner größten Umbruchsphase und Lebenskrise intensiv mit seinem eigenen Unbewussten schreibend und künst- lerisch auseinandergesetzt.

      Der Psychoanalytiker, Philosoph und Theologe Gert Sauer schreibt in „Das Unbewusste als Gesprächspartner für Heute: Angeregt durch das Rote Buch“:

      „Das Rote Buch zeigt, was Jung darunter verstanden hat, sich von seinem Ich her mit dem Unbewussten zu konfrontieren bzw. in den Dialog zu gehen: Er schreibt und malt seine Erfahrungen. Er nimmt sich oder gibt sich sehr viel Zeit. Er überlässt sich dem Prozess, steuert ihn nicht, setzt sich aber mit seiner ganzen leidenschaftlichen Kraft und seinem Denken damit auseinander…“ {11}

      C. G. Jung rät auch seinen Patienten, ihre Eindrücke, Gedanken, Gefühle, Visionen und Träume in Worte zu fassen oder sie zu malen, und zwar nicht auf irgendwelche Zettel, sondern schön gebunden in ein Heft oder Buch. Denn so kann man immer wieder darauf zurückgreifen und darin blättern

      „… und es wird Ihre Kirche sein – ihre Kathedrale – die stillen Orte Ihres Geistes, an denen Sie Erneuerung finden.“ {12}

      Jegliches expressive Schreiben, sei es in ein Tagebuch, in Emails, Blogs, Briefen oder in irgendeiner literarischen Form, ist von großem therapeutischem Wert und nicht zu unterschätzen. Hier sind sich alle ExpertInnen in der psychotherapeutischen Wissenschaft einig. So unter- streicht dies z.B. auch Christian Schubert, federführender Arzt und Psychotherapeut im Bereich der Psychoneuro- immunologie (PNI), in seinem Buch „Was uns krank macht, was uns heilt“. {13} Im Anhang führt er sogar eine Kurzanleitung zum expressiven Schreiben an. {14}

      Meiner Ansicht nach gehört aber auch jegliches andere kreative Gestalten wie z.B. Fotobücher von für einen bedeutsamen Ereignissen hierher. Der Phantasie sind letzten Endes keine Grenzen gesetzt, sei es nun Schnitzen, Musizieren, Tanz, Handarbeit und Handwerk oder Gartengestaltung, um nur einige zu nennen. Geht es dabei doch vornehmlich um den subjektiven und gestaltenden Ausdruck von Erlebnissen, die einen stark berührt haben und die deshalb für einen selbst von besonderer Bedeutung sind.

      So war z.B. für einen Buben, den ich vor vielen Jahren in psychologischer Betreuung hatte, und dessen Mutter in der Psychose den jüngeren Bruder mit einem Messer getötet hatte, sein „Heilmittel“ das Messer, mit dem er mit Leib und Seele geschnitzt hat. Dieser Bub war sehr introvertiert und gehemmt, doch indem wir zusammen während der Betreuungsstunden im Werkraum der Schule über lange Zeit Holz geschnitzt haben, taute er allmählich auf. Später erfuhr ich, dass er eine Ausbildung im Schnitzen gemacht hat.

      Der Unterschied, seine Gefühle in Sprache auszudrücken, besteht allerdings darin, dass etwas erst dann wirklich verstanden wird und bewusst ist, wenn es in Worte gefasst werden kann. Von ungefähr heißt es nicht: „Am Anfang war das Wort…“. Das Wichtigste ist jedoch, seinen ganz persönlichen Ausdruck zu finden. So schreibt C. G. Jung in einem Brief 1960:

      „Denn

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