Zwei Seelen der Tiombe van R.. Maxi Hill
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Zwei Seelen der Tiombe van R. - Maxi Hill страница 3
Sie kann sehen, wie seine Nasenflügel aufblähen, wie seine Lippen ein Zittern unterdrücken und seine Fingerknöchel gegeneinander reiben. Würde sie ihn provozierten, käme es nicht zu jener Normalität, die sie anstrebt. Ihre Abreibung als Miststück hat sie weg. Was soll jetzt noch kommen?
»Wenn es um junge Frauen geht, weißt du doch bestens Bescheid. Was ist das für eine Volontärin, die der Chef…?«
»Ach, die kleine Randhal!« Sein überraschter Blick ist nicht zu übersehen. »Du verpasst da draußen eine Menge.« Seine alte Spielregel, den Tausendsassa zu mimen, funktioniert noch immer, das merkte sie jetzt. »Über die Randhal hält der Alte die Hände. Aber irgendetwas ist da am Laufen…«
In Marks Augen sieht sie kleine Funken, die sie nicht deuten kann. Begeisterung oder Warnung. Besser, wenn er schweigt. Die Begeisterung für junge Frauen sollte dem Schwerenöter endlich abhanden kommen, Inny zuliebe. Zudem soll es ja Mädchen geben, die die Chance ihrer Karriere mehr bedeuten als die Chance auf ein kurzes Abenteuer mit dem Schönling Mark Hellmann. Es wird sich zeigen, aus welchem Holz diese Tiombe ist.
Eines aber zeigt sich schon jetzt. Sie hat eine sensible Stelle berührt, das spürt sie, sobald sie Mark ansieht.
Eine halbe Stunde später wird ihr klar, was Mark gemeint haben könnte.
»Ich übertrage Ihnen die fachliche Anleitung«, sagt der Westfale.
»Wie soll das gehen? Mein Gebiet ist nicht diese Stadt.«
»Ihnen fällt schon etwas ein. Tiombe ist außerdem motorisiert. Sie ist eine gute Fahrerin. Großstadterprobt.«
Lapidare Argumente aus dem profanen Leben haben keine Chance bei Marquardt. Die Aufgabe ist ebenso schnell abgesteckt, dennoch wittert Rita, dass sie die Erwartung des Chefs überfordern könnte.
Interviewtechnik. Storytelling. Überschrift – Bildunterschrift – Vorspann. Auch - das Feature – Themen anschaulich zu machen, kann sie bei ihr lernen. Aber Nachrichtenauswahl oder das Redigieren und vieles andere wird im Verlagshaus gelehrt. Zuerst wird sie dem Mädchen die Grundlagen eines Porträts beibringen. Das gibt ihre momentane Arbeit her.
Als alles besprochen ist, bittet Marquardt die Sekretärin, das Mädchen zu rufen.
Tiombe Randhal ist eine exotische junge Frau, bei deren Anblick einem der Atem stockt. Sie ist das Abbild göttlicher Ungerechtigkeit, die der Schöpfer dem Rest der Frauen zumutet. Dieses Mädchen ist mit Schönheit überworfen. Ihre Haut glänzt kupfern und ihr Haar sieht nach Meisterschnitt aus. Rita schaut genau hin und muss zugeben: pure Anmut. Über alles andere kann sie sich noch kein Urteil erlauben.
Ist das Gesicht so starr vor Schönheit? Gewiss nicht. Froh über den Wechsel ist das junge Ding ganz bestimmt nicht.
Später im Wagen sieht sie die Sache wieder anders: Waren auch Marquardts Worte eine Warnung? Tiombe sei nicht nur reizvoll, sie sei auch sehr klug, mit großer Auffassungsgabe ausgestattet und sehr selbstsicher. Nur bisweilen verliere sie sich im Zorn, den man ihrer negriden Abstammung zuschreibe und deshalb auch hier wohlwollend übersehe. Zu alldem geselle sich aber eine ungewöhnliche Demut, sobald Tiombe spüre, einen guten Menschen enttäuscht oder gar verletzt zu haben.
Warnung oder Rechtfertigung?
C´est la vie: Rita hebt die Schultern und startet den Wagen. Wenigstens der Nachmittag braucht jetzt etwas Erfreuliches, wenn schon soviel Zeit unnütz dahin geflossen ist. Sie atmet tief durch und überträgt den Schub auf ihr rechtes Bein. Timi und Jens werden sie wieder aufmuntern.
Tiombe van Randhal
»Du solltest jetzt fahren«, sagt Jens. Leicht haben sie sich ihre Entscheidung nicht gemacht. Ein solcher Schritt ist gut zu überlegen. Beider gehören sie zu der Sorte Menschen, die ihre Arbeit quasi im Hause erledigen, nie wirklich Abstand finden. Mit einer Fremden wird das alles nicht leichter. Zum Glück ist Tiombe Randhal eine vom Fach.
Es ist kurz vor zwei Uhr am Mittag und Rita hat versprochen, gegen zwei Uhr dazusein.
Das Osterfest hat sein Tribut gefordert. Zum ersten Mal waren sie mit Timi auf die Insel Rügen gefahren, um die Eltern von Jens zu besuchen. Jetzt, wo das alte Schilfdach-Haus inmitten des Dorfes zum Museum geworden ist, mögen die beiden Alten nicht mehr in Alt Zechau übernachten. Nicht einmal die Gästezimmer im Körberhof lassen sie gelten.
Jens hat Timi aus der Kita geholt und nun schläft der Kleine. Es gibt keinen Grund mehr für Rita, noch länger zu zögern. Er zwinkert ihr zu. Ein unbekümmerter, fröhlicher Mensch, denkt sie und zieht die Wagentür zu. Auffallend gut aussehend, dazu sportlich und vielseitig wie kaum jemand in diesem Dorf, wie keiner unter ihren besten Freunden. Was hatte sie bloß für ein Glück. Er hätte auch sagen können: Mit der kleinen Mara war ihr Leben schon ein anderes geworden. Was soll ein erwachsener Mensch ihnen an Einschränkungen aufbürden.
Rita und Jens hatten es sich vor Jahren gegenseitig schwer gemacht, bis sie dahinter kamen, einander zu achten und zu lieben. Danach hatten sie eine unheimlich verliebte Zeit. Beide dachten, es könne nicht ewig so weiter gehen.
Ihre Verliebtheit ist noch immer Programm, obgleich ihre Stunden höchster körperlicher Lust langsam abnehmen; diametral zum ansteigen Lebensalter ihres Söhnchens Timi. Das liegt vielleicht an den offenen Türen im ganzen Haus. Feischliche Liebe ist nicht lautlos.
Die offenen Türen hatte keiner von beiden anzusprechen gewagt, als ihre Entscheidung für einen jungen Hausgast auf Zeit fiel. Ihre kleinen Zweifel verbot sie sich. Diese Tiombe ist sehr reizvoll für die Augen eines Mannes, da kann sie selbst für Jens nicht die Hand ins Feuer legen.
Die Atmosphäre ist noch immer gespannt, als Tiombe mit ihrem Koffer in den Wagen gestiegen ist. Nicht einmal Ritas wohlmeinende Geste, sie möge vorn Platz nehmen, weil es sich so angenehmer plaudern lässt, löst die Züge in Tiombes Gesicht. Man könnte meinen, sie fühlt sich auf dem Wege zum Schafott.
»Du hast richtig Glück«, sagt Rita. Der Blick des Mädchens ist unklar. Ablehnend? Staunend? Respektlos, wie ihre Worte:
»Ich glaube nicht daran, dass sich Menschen verbünden, um einen Bastard wie mich glücklich zu machen.«
Sie hat die Schrecklichkeit wohl gehört, geht aber nicht darauf ein. Die Jugend ist heute unberechenbar. Provokant und wenig dankbar. Der Unterschied zwischen Dankbarkeit und Undank ist, dass sich Dankbarkeit in Grenzen hält, denkt Rita. Aber das wird sie dem halben Kind nicht sagen. Was sie betrifft, erwartet sie keine Dankbarkeit. Sie hat einen pragmatischen Grund, die Bürde eines Untermieters auf sich zu nehmen. Und der ist legitim. Aber sie wird einen Teufel tun, über diesen Grund zu reden.
»Ich meine, eine wesentliche Voraussetzung für ein Volontariat ist - zumeist jedenfalls - ein abgeschlossenes Studium. Du kommst vom Gymnasium. Das ist schon ein Glücksfall. Wo willst du denn danach studieren?«
»Berlin.«
»Die freie Journalistenschule?«
»Egal. Hauptsache studieren.«
»Weder Journalist noch Redakteur sind geschützte Berufsbezeichnungen. Und es gibt auch keine geregelte Berufsausbildung. Die einen machen es so, und die