Der perfekte Angler. Claus Beese
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„Und jetzt?“, fragte ich, denn ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.
„Versuche, so viel Schwung wie möglich zu bekommen, damit du über die Lehmmauer in den großen Teich springen kannst.“
„Seid ihr meschugge?“, schrie ich. „Da ist es nass und tief. Was ist, wenn ich absaufe?“
„Wir werden mit der Klasse eine Gedenkminute abhalten. Los, mach voran. Nasser als dort, wo du gerade bist, kann es nicht sein. Und, waschen musst du dich sowieso.“
Ich begann in dem Matschpool herumzuglitschen. Irgendwie fanden meine Füße einen erhöhten Halt, und ich stieß mich mit aller Kraft ab, rollte mich seitwärts über die Uferkante und landete im Wasser des Teiches. Man konnte das, was ich da tat, nicht als „Schwimmen“ bezeichnen, aber immerhin hielt ich mich über Wasser. Ich paddelte zum Ufer, das in nur wenigen Metern Entfernung niedriger war. Dort war es nicht tief, und ich konnte, bis zum Bauchnabel im Wasser, meine Sachen auswaschen, die mir meine „Freunde“ zuwarfen.
Ich wollte gerade aus dem Teich steigen, als meine Füße gegen etwas Hartes stießen. Ich bückte mich, tastete mit den Händen den Grund ab und bekam eine beinahe nagelneue Fiberglasrute mit Stationärrolle in die Finger. An ihr baumelte ein Barschblinker. Triumphierend hielt ich meine Beute in die Höhe.
„Ich glaube es nicht!“, stieß Thomas hervor. „Das ist doch jetzt nur ein böser Traum!“
„Mit die Doofen is Gott!“, staunte Norbert. Ich kletterte mit meiner Beute an Land an Land und schaute meine Klassenkameraden vorwurfsvoll an.
„Mir ist kalt“, schnatterte ich. In der Tat war ich inzwischen blau angelaufen. Thomas deutete auf ein verfallenes Gebäude. Wir liefen hinüber, und im Nu hatte Norbert ein kleines Feuer entfacht. Ich durfte in die Pullover meiner Freunde schlüpfen. Einen zog ich oben drüber, den anderen wie eine Hose über Beine und Podex. Es sah merkwürdig aus, aber es wärmte. Während ich die neue Rute begutachtete und ein paar Probewürfe machte, bemühten sich Thomas und Norbert, meine nassen Sachen über dem Feuer zu trocknen. Ich stellte die Rute zur Seite, schlachtete ein paar Barsche und steckte sie auf Zweigen an die Flammen. Nach wenigen Minuten begannen sie zu zischen, und verbreiteten einen wunderbaren Duft. Wir stärkten uns gemeinsam an den heißen Fischen.
„Jetsch hätte isch gern etwasch Schaltsch“, nuschelte Norbert und wischte sich das Fischfett von den Lippen.
„Nächschtesch Mal!“, versprach Thomas kauend und spuckte ein paar Gräten aus. Satt und zufrieden warteten wir gemeinsam, bis meine Klamotten halbwegs trocken waren. Konnte es schönere Tage geben?
In klammen, feuchten Kleidern präsentierte ich zuhause stolz meine neue Rute. Dabei vermied ich es, unser Abenteuer in zu bunten Farben auszuschmücken. Es war der Sache nicht förderlich, meine Eltern mehr als unbedingt nötig zu sorgen. Sie schüttelten angesichts meiner Geschichte den Kopf.
„Junge“, seufzte meine Mutter. „Komm mir nicht eines Tages nach Hause, und du bist ertrunken. Das überlebe ich nicht!“
Freundschaften
Ich war etwa dreizehn Jahre alt und weder Aue noch Ziegeleiteich befriedigten mich auf die Dauer. Ich brannte darauf, meinen Aktionsradius zu vergrößern. Im hiesigen Angelverein hatte ich einen weiteren guten Freund gefunden. Joachim war zwei Jahre älter und während ich noch mehr oder weniger eifrig die Schulbank drückte, suchte er bereits nach einer Lehrstelle. So oft es unsere Zeit erlaubte, packten wir unser Angelgerät aufs Rad und fuhren los. Kein Graben, kein Teich, keine Pfütze war vor uns sicher. Es gab kein Gewässer, das wir nicht schon ausgiebig auf Fischbestände untersucht hatten.
Ich erinnere mich noch oft an jenen denkwürdigen Samstag, an dem wir nachmittags los wollten, um auf Aale zu angeln. Unser Ziel war das mächtige Sielbauwerk, das sich unserem kleinen Örtchen gegenüber auf der anderen Seite der Weser befand. Dummerweise stand es schon auf niedersächsischem Gebiet, wo unser Angelschein eigentlich gar keine Gültigkeit hatte. Aber wen störte das? Uns, in unserer Begeisterung für das Fische fangen sowieso nicht. Wir kannten die Bucht, in die das Siel mündete, sehr gut. Von der Flusssohle bis hinauf zum Ufersaum waren die Ufer mit riesigen Granitquadern ausgelegt, um sie gegen den Sog der schnell vorbeiziehenden Seeschiffe zu schützen. Sie bildeten den reinsten Grundbleifriedhof. Bleie, die man dort abriss, fand man zwischen den dicken Blöcken auch bei Ebbe nicht mehr wieder. Trotz dieser Schwierigkeiten war es einer der besten Plätze, um bei strahlendem Sonnenschein große Aale und dicke Barsche zu fangen. Oft genug hatten wir schon Hechte bis acht Pfund am Haken gehabt.
Um gut gerüstet zu sein, musste dringend unser Vorrat an Grundbleien ergänzt werden. Wir fuhren zu Onkel Schorse, der im Keller seines Hauses einen Angelladen besaß. Trotz seines hohen Alters hatte er immer ein Herz für uns Jungs. Schorse war gleichzeitig der Erste Vorsitzende unseres Angelvereins. Darum erfuhr er stets, an welchen Stellen sich das Angeln in unseren Vereinsteichen besonders lohnte. Diese Tipps gab er an uns weiter, und freute sich, wenn wir ihm eine Erfolgsmeldung machen konnten. Warum auch immer, er gönnte uns die großen Fische weitaus mehr, als den anderen, älteren Vereinskameraden.
So standen wir nun in seinem Geschäft und fachsimpelten mit ihm, während wir gleichzeitig noch diesen und jenen Krimskrams aussuchten, auf den ein richtiger Angler nun mal nicht verzichten konnte. Oben ging die Tür auf, und im nächsten Moment kam irgendwer oder irgendetwas die Kellertreppe heruntergepoltert. Mit schweren, halb schlurfenden, halb stampfenden Schritten, erschien eine große Nase in der Tür. Ich hatte schon viele große Nasen gesehen, jedoch diese hier war ein wahrhaft markantes Riechorgan. An der Nase hing ihr Besitzer, ein sechzehn- oder siebzehnjähriger Schlacks mit braunen Haaren, braunen Augen und einem ewig feixenden Gesicht. Das freundliche „Mahlzeit!“, das er uns entgegenschmetterte, ließ auf ein überraschend großes Volumen seiner Lungen schließen, das man in seinem schmächtigen Brustkasten nicht vermutet hätte. Der Schlacks, der mich wohl um Haupteslänge überragte, war in den Schultern genauso breit, wie ein Hering zwischen den Augen.
Er sah, dass wir noch eine Weile mit Staunen beschäftigt sein würden, wandte sich dem Ladeninhaber zu, und verkündete:
„Ich hätte gern ein paar Bleie. Geben Sie mir doch zwanzig Sechziger, zwanzig Achtziger und zehn Hunderter, dazu fünfzig Aalhaken mit Vorfach und `nen heißen Tipp, wo man hier am besten auf Aal fischen kann.“ Sein breiter Ruhrpott-Dialekt war unverkennbar, und unser fragender Blick nötigte ihn zu einer Erklärung. „Ich bin aus Duisburg und erst vor ein paar Wochen hierher gezogen. Ich kenn mich in dieser Gegend noch nicht so gut aus."
Mit guten Ratschlägen konnten wir dienen, und wir erklärten ihm, wo er es unbedingt versuchen musste. Indes, uns beschäftigte mehr die Frage, was der Kerl mit den vielen Bleien wollte. Es sollte zwar Angler geben, die ihren Jahresbedarf immer auf einmal kauften, doch diese Menge hätte bei uns zwei bis drei Jahre gereicht. Der Lange bedankte sich artig für unsere Tipps, und stampfte in seinen schweren Gummistiefeln die Treppe wieder hinauf. Kein Mensch konnte so große Füße haben, diese Knobelbecher mussten ihm mindestens drei oder vier Nummern zu groß sein. Vermutlich berührten Stiefel und Füße nicht gleichzeitig den Boden, was durchaus das Poltern verursachen konnte. Nach einer Weile wurden die Stiefel dann schlurfend ein Stück nach vorn gezogen. Es gab eigenartige Menschen mit eigenartigen Marotten. Wir konnten nicht anders, als noch ein paar derbe Späße über die