Milten & Percy - Das Schloss der Skelette. Florian C. Booktian
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Читать онлайн книгу Milten & Percy - Das Schloss der Skelette - Florian C. Booktian страница 3
„Verstehst du, was es sagt?“, fragte William.
Robert rückte seine runden Brillengläser zurecht und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. „Ich glaube schon“, sagte er und räusperte sich kaum hörbar. „Wer bis hierher es geschafft, der sei gewarnt: Das Grab liegt tief, noch tiefer, als du je zu gehen vermagst. Kehr um, lass ruhen, wer nicht gestört werden darf. Und wenn du doch nicht widerstehen kannst, sprich dieser Worte, und setze deinen Mut aufs Spiel.“
„Setze deinen Mut aufs Spiel?“, wiederholte William ungläubig.
„Ich glaube, es ist eine Warnung.“
„Wovor? Hier unten ist alles tot. Sogar unser Kumpel am Eingang. Wie lauten die Worte, die da noch stehen?“
„Ich weiß nicht, ich kann sie nicht übersetzen. Es ist irgendein Dialekt.“ Robert räusperte sich noch einmal. „Varuta septa, Varuta napita torkatu, Varuta durtares morte.“
„Wahrscheinlich nur irgendwelcher Nonsens“, sagte William. Dann fiel ihm der Dreck von der Decke ins Gesicht.
Die Erde über ihnen bebte, und ein Luftzug, der weit von der Oberfläche kam, löschte die Fackel in Williams Händen. Die beiden fanden sich in absoluter Dunkelheit wieder.
Am Eingang des Tunnels erwachte etwas zum Leben. Etwas sehr Großes, sehr Altes, das sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr bewegt hatte.
Und seine Loyalität war noch größer als sein Schädel.
Tief unter dem Eingang nahmen zwei Forscher ihre letzten Atemzüge. Und bevor Robert für immer die Augen schloss, erkannte er neben sich einen knochigen Schädel mit einem rotbraunen Fleck im Gesicht.
2
Percy bretterte in seinem 68er Ford Mustang die Straße entlang und hielt Ausschau nach der nächsten Tankstelle. Der Wagen war für ihn modifiziert worden. Auch wenn er mit 1,20m fast viermal so groß war wie ein gewöhnliches Erdmännchen, brauchte es doch einige Veränderungen, um den Mustang für ihn zugänglich zu machen. Mit der Fahrertür klappte sich ein kleiner Tritt herunter, der Fahrersitz war erhöht worden und die Pedale verlängert. Die Automatik übernahm das Schalten der Gänge.
Percy verbrachte viel Zeit in seinem Mustang, so pendelte er doch andauernd zwischen Gnaa und der Erdhalbkugel hin und her. Jetzt war es zwei Uhr morgens und Percy war auf der Heimfahrt. Zwei Dinge waren ihm ausgegangen: die Zigaretten und die Batterien für seinen Discman. Percy schätzte die Musik auf der Erdhalbkugel, denn alles, was auf Gnaa zusammenmusiziert wurde, klang in etwa gleich. Er war jetzt gerade mal zwei Jahre auf der Erde und immer noch damit beschäftigt, sich pausenlos durch Diskografien immer neuer Lieblingsbands zu kämpfen. Momentan drehte sich eine Scheibe mit der Aufschrift „ELO – Discovery“ in seinem Discman. Und das Album war verdammt gut.
Percy lugte unter seiner Sonnenbrille hervor, der zweite permanente Begleiter gleich nach seinem Mustang. Er vermied es, die Sonnenbrille abzunehmen. Ganz egal zu welcher Tageszeit. Und der Grund lag schlicht und einfach darin, weil er sich damit wohler fühlte, jedenfalls erzählte er das jedem, der danach fragte. Seine Mutter kannte den wahren Grund. Die schwarzen Ringe um seine Augen, die ihn beim Blick in die Ferne vor der Sonne schützen sollten, waren bei ihm nur sehr klein ausgebildet, denn Percy war ein Frühchen – wie so vieles in seinem Leben konnte es ihm auch bei seiner eigenen Geburt nicht schnell genug gehen.
Daher die Sonnenbrille auf seiner Erdmännchennase.
Ein Neonschild kündigte die nächste Tankstelle an. Percy nahm den Fuß vom Gas und lenkte den Wagen in eine der Tankbuchten.
Müde öffnete er die Tür und plumpste zu Boden. Als er sich streckte, knackten seine Knochen. Seit zwei Jahren war er ununterbrochen im Dienst. Zwei harte Jahre, die an seinen Kräften gezehrt hatten. Seine Geduld war aufgebraucht, seine Nerven lagen blank. Der Nächste, der ihm dumm käme, würde seine Erdmännchenkrallen zu spüren bekommen. Zum Eingang schleppend steckte er sich eine Zigarette in den Mund, die er aus dem Aschenbecher gefischt hatte, und entzündete sie mit einem Streichholz. Ein kräftiger Zug erfüllte seine Lungen mit Nikotin. Vielleicht würde seine Geduld doch noch ausreichen, um den nächsten Idioten lächelnd an sich vorüberziehen zu lassen. Aber da gab es ein Problem, denn heute war er auf der Erdhalbkugel, und Idioten gab es hier zur Genüge. Percy betrat den kleinen Supermarkt der Tankstelle und ein leises Bimmeln meldete ihn an.
„Sie können hier drin nicht rauchen“, wies ihn der Kassierer zurecht.
„Anscheinend doch“, gab Percy zurück und warf das brennende Streichholz zu Boden.
Der Kassierer schüttelte den Kopf und kümmerte sich um den nächsten Kunden. Percy trabte gemütlich durch die Gänge, schnappte sich eine Tüte Chips, Batterien für seinen Discman und warf einen Blick in die Zeitungen.
Berühmter Detective verhaftet Schmuggelbande, verkündete eine Schlagzeile. Darunter war ein Bild von Percy zu sehen, auf dem er in die Kamera starrte, als würde er den Fotografen gleich anspringen. Percy rümpfte die Nase und schnippte die Asche seiner Zigarette auf den Boden.
„Mach mal Platz, du Wiesel“, sagte ein großer Kerl und schob Percy beiseite.
Der Detective setzte sich gegen seinen Willen und wurde wie ein Hindernis zur Seite geschoben. Von seinem Hintern aus betrachtete er den Menschen, dem er gleich die Augen auskratzen würde. Percy nahm einen weiteren Zug von der Zigarette. Doch diesmal konnte ihn der Tabak nicht besänftigen. Da war er also, der Idiot, der ihm jetzt in die Schusslinie geraten war. Ein bierbäuchiger Mann mit hängenden Schultern und einem Sixpack unter dem Arm. Ein Muskelshirt war über seinen dicken Bauch gespannt und verkündete: Die Tiere in den Zoo, die Erde den Menschen.
Percy stand auf und klopfte den Dreck von seinem Fell.
„Verdammtes Viehzeugs. Früher hätte es so was nie gegeben, ein Wiesel in der Tankstelle. Und dann auch noch rauchen, das geht zu weit“, brummelte der Kopf über dem Bierbauch, bevor alles Weitere in einem wilden Gehuste unterging. „Eine Stange Marlboro“, brachte der Bierbäuchige hervor und spuckte eine Ladung gelben Schleim auf den Fußboden.
Percy betrachtete angeekelt den gelben Glibber und kratzte das letzte bisschen Höflichkeit zusammen, das er aufbringen konnte. Viel war davon nicht mehr übrig. „Ich bin kein Wiesel, sondern ein Erdmännchen“, sagte er in freundlichem Ton. „Und ich würde es schätzen, wenn Sie sich bei mir entschuldigen. Sie haben mich über den Haufen gerannt.“
Und damit war der letzte Funken Höflichkeit aufgebraucht. Anstand und Geduld standen bei Percy ebenfalls auf null. Mit den guten Manieren war es vorbei, und jetzt war es an dem Bierbäuchigen, sich richtig zu verhalten oder die nervlichen Folgen von Percys anstrengenden Jahren am eigenen Leib zu erfahren.
„Kannst du vergessen, du kratzbürstige Wüstenratte“, sagte der Bierbäuchige und zahlte seine Einkäufe „Und wenn ich hier rausgehe, pass lieber auf, dass ich dich nicht zertrete, stinkendes Nagetier!“
‚Stinkendes Nagetier?‘, dachte sich Percy und schnüffelte an seinen Unterarmen. Sicherlich, sein gepflegtes Aroma hatte nachgelassen. Aber das war nur normal nach einer Zwanzig-Stunden-Schicht und über einem Monat unterwegs auf der Straße mit nicht viel mehr als einem Waschlappen, der sich selbst nach einer Dusche sehnte.
Der