Alles in Blut. Ole R. Börgdahl
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Alles in Blut - Ole R. Börgdahl страница 5
»Es sind Fotos und eine Tatortbeschreibung.«
Er hielt den Umschlag schräg und als Erstes rutschten die Fotografien heraus. Er sortierte sie und reichte mir ein Bündel von fünf Aufnahmen.
»Das ist der Tatort, der mögliche Tatort«, erklärte er.
Bruckner wollte mir auch noch die zusammengefalteten Papiere reichen, die er ebenfalls aus dem Umschlag gezogen hatte.
»Nein, warten Sie«, forderte ich ihn auf. »Ich will erst einmal nur die Fotografien sehen.«
Ich nahm den dünnen Stapel in die Hände und legte Aufnahme für Aufnahme vor mich auf den Tisch. Ich vertauschte noch zweimal die Reihenfolge, dann stimmte es. Die Kamera war von rechts nach links um das Bett positioniert worden, an jeder Position eine Aufnahme. Meine Augen erfassten die Details. Es war ein Doppelbett, links und rechts standen Nachttische. Auf den Nachttischen je eine Lampe mit gelbem Lampenschirm. Auch die Tapete hinter dem Bett war gelb, ein dunkles gelb.
»Es sieht sehr aufgeräumt aus«, sagte ich schließlich.
Bruckner nickte. »Es gab auch keinen Staub, keinen Krümel und keine Fasern oder Stoffreste.«
»Wie meinen Sie das, es gab keinen Staub?«
Bruckner entfaltete nun doch den Bericht. Es waren nur wenige Seiten. Er überflog die ersten Zeilen.
»Die Spurensicherung war der Meinung, dass der Tatort sehr gründlich gereinigt worden sei. Eine Spezialfirma, Profis, da ist nicht einfach nur eine Putzfrau durchgegangen.«
»Und die Leiche wurde gewaschen?«, fragte ich.
»Das kann sein, warten Sie.« Bruckner sah noch einmal in den Bericht. »Stimmt, gewaschen und sogar desinfiziert. Es wurden laut Gutachten keine scharfen oder stark duftenden Reinigungsmittel verwendet. Ich lese vor: Auf der Haut des Toten wurden leichte Scheuerspuren wie bei der Einwirkung einer unparfumierten Seife gefunden.«
»Das diente eindeutig der Beseitigung jeglicher forensischer Spuren«, folgerte ich und besah mir wieder die Fotografien.
Ich nahm jetzt ein Bild nach dem anderen auf und betrachtete es dicht vor den Augen. Das Letzte behielt ich in der Hand und sah Bruckner an.
»Das ist aber nicht ihr Fall?«
»Was, bitte?«
»Sie sind nicht der Erste, der diesen Fall bearbeitet, das ist ein Cold Case.«
Bruckner begann zu lächeln. »Woran haben Sie es gemerkt. Die Abzüge können es nicht sein, die sind ganz neu.«
»An den Bildern kann man es auch nicht unbedingt erkennen. Ich fand es nur merkwürdig, dass Sie in Ihrem Bericht nachsehen mussten. Ein Profi kennt alle Details auswendig. Sie sind zwar Profi, das will ich Ihnen zubilligen, aber es war ursprünglich nicht ihr Fall.«
»Der Mann ist vor acht Jahren zu Tode gekommen«, erklärte Bruckner. »Die Umstände sind nie aufgeklärt worden, der Fall wurde dann zu den Akten gelegt, ist in Vergessenheit geraten, bis jemand von ganz oben meinte, so könne es nicht bleiben.«
»Sie sprechen nicht von Mord«, stellte ich fest.
Bruckner nickte. »Der Tote war zwischen fünfunddreißig und fünfundvierzig Jahre alt. Laut Gerichtsmedizin kann als Todesursache Ersticken angenommen werden. Dann wurden bei der Obduktion aber noch Hinweise auf einen Herzinfarkt gefunden. Der Pathologe hat nach Langem hin und her am Ende entschieden, dass es sich um keinen natürlichen Tod handelt und dass von Fremdverschulden auszugehen ist. So wurde es zu einem Fall für die Mordkommission.«
Ich sah mir noch einmal die Tatortfotos an und überlegte. »Sie sind da nicht so ganz sicher?«, fragte ich Bruckner.
»Dass es Mord war?«
»Ja, Fremdverschulden, Mord, Totschlag, was auch immer.«
Bruckner rieb sich das Kinn. »Es wäre einfacher, wenn der Mann eine Schusswunde gehabt hätte oder eine Stichverletzung, und weil diese und andere eindeutigen Anzeichen fehlten wurde die Angelegenheit zu einem Cold Case, wie Sie es nannten.«
»Niemand legt sich so hin, um zu sterben«, entgegnete ich. »Das sollte erst einmal klar sein. Es muss jemand den Tatort manipuliert haben. Wer sollte das gewesen sein, wer sollte daran Interesse haben?«
»Sehen Sie, da sind wir schon bei der Diskussion. Es ist eben nicht so einfach. Natürlich wurden alle Fakten überprüft, aber die Ergebnisse sind etwas dürftig.«
»Gut! Lassen Sie uns systematisch vorgehen, dafür haben Sie mich ja aufgesucht. Ich beginne auch schon zu spekulieren, was nicht richtig ist. Ich bin eben nicht mehr in Übung.«
»Systematisch vorgehen«, wiederholte Bruckner. »Ich werde noch einmal von vorne beginnen, Ihnen nur die Fakten nennen und Sie sagen mir hinterher, was Sie denken.«
Ich nickte und lehnte mich in meinen Sessel zurück. Bruckner sortierte die Unterlagen. Er begann mit der wichtigsten Information.
»Der Tote wurde am 30. September 2003 in einem Zimmer des Hotels Euroham in der Barkstraße 23 gefunden, in einem Zimmer, das gar nicht vermietet war. Das Zimmer Nummer 411 stand seit etwas mehr als einer Woche leer, davor wurde es wegen eines Wasserschadens im Badezimmer renoviert. Die Leiche wurde nur gefunden, weil ein neuer Gast, ein Vertreter aus Dortmund, genau das Zimmer Nummer 411 haben wollte. Der Mann hat die Leiche gefunden.«
»Wurde dieser Gast vernommen?«, fragte ich.
»Ja, aber es kam nichts dabei heraus, der Mann war eben nur ein Gast.«
»Warum wollte er genau dieses Zimmer haben?«
»Auch nichts Ungewöhnliches. Er war Stammgast, kam alle paar Monate nach Hamburg, stieg immer in demselben Hotel ab und hatte eben immer dasselbe Zimmer, die Nummer 411, weiter nichts.«
Wir schwiegen einige Sekunden.
»Soll ich weitermachen«, fragte Bruckner.
Ich nickte, lehnte mich wieder zurück.
Bruckner räusperte sich, nahm den Bericht. »Die Leiche war vollständig unbekleidet, Geschlecht männlich, mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit nicht jünger als fünfunddreißig und nicht älter als fünfundvierzig Jahre. Der Körper lag auf dem Rücken, die Arme seitlich angelegt, leicht abgespreizt, die Beine gerade, die Füße senkrecht gestellt. Mund und Augen waren geschlossen. Es gab einen eingetrockneten Speichelfluss im rechten Mundwinkel. Die Leiche wies keine äußeren Verletzungen auf. Es gab noch keine vollständig ausgeprägten Leichenflecken. Die Lage und Anordnung der vorhandenen Leichenflecken deuteten nicht darauf hin, dass die Leiche nach Eintritt des Todes noch einmal bewegt wurde. Die pathologische Obduktion ergab folgenden Befund.« Bruckner begann, aus dem Bericht zu zitieren. »Äußere Leichenschau: unauffällige Alltagsnarben von geringfügigen Verletzungen. An beiden Oberarmen wurden Impfnarben unbestimmten Alters festgestellt. Keine Tätowierungen. An der Innenseite des rechten Oberarms wurde aber eine Brandnarbe gefunden, die auch zur Beseitigung einer vorhandenen Tätowierung gedient haben könnte. Dann eine Operationsnarbe am linken Knie mit einem geschätzten Alter zwischen sechs und zwölf Monaten. Anhand einer Röntgenanalyse konnte eine Operation zur Korrektur des Bänderapparates im linken Knie diagnostiziert