Alles in Blut. Ole R. Börgdahl

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Alles in Blut - Ole R. Börgdahl Tillman-Halls-Reihe

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Krieg«, antwortete ich. »In den USA lernt man eine Menge über Menschen, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, auch wenn der Kalte Krieg schon sehr lange vorüber ist. Ich habe schon Hunderte Bilder von solchen Impfnarben gesehen. Sie sind ein wichtiges Merkmal zur Identifikationseingrenzung, zumindest in den Staaten.«

      »Ich denke, der Pathologe wird sich auch seine Gedanken gemacht haben«, sagte Bruckner, nachdem er kurz über meine Worte nachgedacht hatte. »Wir können ja jetzt nicht die ganze Obduktion anzweifeln und wir können sie schon gar nicht wiederholen.«

      »Sie wollten etwas von mir hören, ich habe Ihnen etwas gesagt, mehr kann ich leider im Moment nicht erkennen.«

      »Im Moment?«, fragte Bruckner.

      »Ja, wenn Sie auf meine Zusammenarbeit Wert legen, dann würde ich mir alles noch einmal in Ruhe ansehen wollen, also, das biete ich Ihnen zumindest an.«

      Bruckner schien unschlüssig zu sein. »Eine zündende Idee hat man entweder sofort, oder gar nicht, das ist doch so ein Prinzip, oder?«

      »Das mag jetzt vielleicht ungewöhnlich klingen«, antwortete ich, »aber wenn Sie eine Fülle von Spuren gehabt hätten, dann hätte ich genau dieses Prinzip unterstrichen. Bei sehr vielen Spuren wird man blind für das Wesentliche, wenn man zu lange darauf schaut.«

      »Aber wir haben eigentlich überhaupt keine Spuren«, warf Bruckner ein.

      »Eben, das ist es. Vielleicht versteckt sich ja noch irgendwas in dem Bericht oder auch in den Fotografien.«

      »Außer den Impfnarben meinen Sie?«

      Ich zuckte mit den Schultern. Bruckner lächelte. Er holte eine Visitenkarte und einen Kugelschreiber hervor und notierte eine Nummer auf die Rückseite der Karte.

      »Sie rufen mich zurück, wenn ich die Sachen wieder abholen kann.«

      Ich nahm die Visitenkarte und sah mir die Telefonnummer auf der Rückseite an. »Ihr privates Mobile?«

      »Mobile?« Bruckner lachte. »Ach, stimmt, wir blöden Deutschen sagen ja Handy dazu. Das werden wir auch nicht mehr aus uns rauskriegen.« Bruckner holte sein Telefon hervor. »Habe ich erst neu gekauft, bin noch nicht ganz so vertraut mit dem Gerät. Hat sogar GPS und Internet. Normale Telefone sind diese Dinger ja schon gar nicht mehr.«

      »Ich habe auch so eins, nur größer.«

      Bruckner lächelte und ich verstand im ersten Augenblick nicht warum. Ich zog mein Gerät ebenfalls aus der Jacketttasche.

      »Ist tatsächlich größer«, kommentierte Bruckner.

      »Ich benutze es sehr viel, nicht nur zum Telefonieren. Da braucht man die Displaygröße, damit es nicht so schnell anstrengend wird.«

      »Ich verstehe«, sagte Bruckner nickend. »Benutzen Sie auch den Kalender?«

      »Natürlich, das Wichtigste überhaupt«, bestätigte ich ihm.

      »Das müssen Sie mir irgendwann mal zeigen, da gibt es doch spezielle Kalender aus dem Internet, die man sich herunterladen kann.«

      »Sie meinen Kalender-Apps, da gibt es sicherlich viele.«

      »Ja, ich weiß noch nicht einmal, wie man das aufs Telefon bekommt.« Bruckner lächelte. »Wie gesagt, bei Gelegenheit mal.«

      »Gut! Zeige ich Ihnen gerne, bei Gelegenheit. Aber jetzt noch einmal zum Telefonieren. Wenn Sie den Wunsch verspüren, mit mir Kontakt aufzunehmen, dann würde es mir besser passen, wenn Sie direkt auf meinem Mobile anrufen. Haben Sie noch meine Karte?«

      »Selbstverständlich!« Bruckner holte sie mit einem Griff aus seiner Hemdtasche.

      »Sie können meine Büronummer eigentlich durchstreichen. Das führt in unserem Sekretariat nur zu Verwirrung, wenn die Polizei dort anruft. Also benutzen Sie bitte nur meine Mobilenummer. Sie können mir natürlich auch eine SMS schicken.«

      »Gut, so mache ich es, nur übers, wie sagten Sie, übers Mobile.«

      Ich stand aus meinem Sessel auf. Bruckner erhob sich ebenfalls. Den Spurensicherungsbericht und die Fotografien hatte er einfach auf dem Tisch liegen gelassen.

      »Aber zunächst höre ich ja von Ihnen, wenn Sie noch etwas finden.« Er blickte kurz zum Tisch. »Aber bis Montag müsste ich die Sachen zurückbekommen.«

      »Sie glauben nicht, dass ich Ihnen noch helfen kann?«, fragte ich ganz bewusst.

      Bruckner überlegte. »Doch, doch, Sie haben mir schon geholfen. Ich kann vor meinem Chef jetzt besser einschätzen, ob es überhaupt etwas bringt, den Fall noch einmal aufzurollen.« Er zögerte kurz. »Und das mit den Impfnarben lasse ich mir auch noch einmal durch den Kopf gehen.«

      Er reichte mir die Hand und eine Minute später war ich alleine in meiner Studentenbude. Ich kochte noch einen Kaffee, trank eine halbe Tasse und streckte mich dann auf dem Futonbett aus. Ich musste nachdenken und ließ mich auch nicht durch das Telefon ablenken, das beharrlich klingelte.

      Freitag, 4. November 2011

      Ich bin dann doch ans Telefon gegangen, und das hatte eine Menge Arbeit nach sich gezogen. Was macht ein Immobilienmakler den ganzen Tag? Die meiste Zeit unterhält er sich mit Menschen, die dann doch keine Wohnung mieten oder ein Haus kaufen, oder die zu einem anderen Makler gehen, der eben ein besseres Objekt im Angebot hat. Das Dumme ist nur, dass ich nie weiß, ob ich jetzt gerade einen Kunden vor mir habe, mit dem ich zum Abschluss komme, oder nicht. Gustav behauptet, dass er es wüsste, es im Verlaufe eines Gesprächs herausfinden könne. Was den Beruf des Maklers angeht, ist mein Schwiegervater mir in vielen Dingen überlegen. Es hat lange gedauert, bis ich ihm abgewöhnt hatte, immer das letzte Wort zu haben, besonders dann, wenn ich meinte, an einem interessanten Objekt dran zu sein. Mein Beruf hat also zwei Seiten. Ein Makler sucht Käufer und Mieter. Die kann er aber nur bekommen, wenn er vorher die richtigen Objekte unter Vertrag genommen hat. Unterm Strich ist es eine ständige Suche. Eine Suche nach Käufern und Mietern, die in der Regel zu einem kommen, und die Suche nach geeigneten Objekten, die im Markt erobert werden wollen.

      Noch am Donnerstagabend musste ich durch halb Hamburg fahren. Gustav wartete schon auf mich. Ein renovierter Altbau, exklusive Wohnungen. Der Besitzer wollte alles im Gesamtpaket an einen Makler geben und es sollte schnell gehen, denn die Kosten mussten wieder hereinkommen. Es ging um acht Wohnungen. Gustav hatte bereits fünf mögliche Interessenten, alles Leute aus unserem Kundenstamm. Aber wir mussten erst einmal den Zuschlag bekommen. Der Abend ging dabei drauf, ich war erst um elf zu Hause. Hier hatte ich Bruckner nicht die Wahrheit über mein neues Leben gesagt. Die Nacharbeiten des Deals dauerten dann sogar noch den gesamten Freitagvormittag, mit dem Erfolg, dass um 13:00 Uhr bereits sieben der acht Wohnungen vermietet waren. Ich möchte hier lieber nicht erzählen, was wir an der Sache verdient haben. Hierüber zu schweigen ist nämlich ein Grundprinzip unseres Berufes.

      Ich arbeitete bis kurz vor zwei Uhr im Büro, als mir wieder Bruckners Besuch vom Vortag einfiel. Die Unterlagen zu dem Fall befanden sich noch in der Studentenbude. Mir war gestern schon ein Name in den Sinn gekommen, Dr. Herz, ein typisch russischer Name. Dr. Ivan Herz war im Februar aus Berlin nach Hamburg gezogen. Er hatte eine Hals-Nasen-Ohren-Praxis übernommen und seine Familie im Mai nachkommen lassen. Ich hatte seinerzeit ein sehr schönes Objekt im Grünen für ihn ausfindig gemacht und konnte es

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