Sex & Gott & Rock'n'Roll. Tilmann Haberer

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Sex & Gott & Rock'n'Roll - Tilmann Haberer Sex & Gott & Rock'n'Roll (Trilogie)

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Kopf schief und schob die Hand über den Tisch. Er legte seine Hand auf ihre, und sie schloss ihre Finger um die seinen, legte ihre andere Hand darauf und sagte die berühmten zwei Worte: „Ach, Johnny!“

      Und er beugte sich zu ihr hinüber und küsste sie. Ganz einfach so. Und sie küsste ihn wieder, und wieder, während ihre Hände, ineinander verschlungen, auf dem rohen Holztisch lagen. Alle Schuldgefühle, deren er fähig war – und das war eine beachtliche Menge –, fuhren ihm in die Knochen, aber er ignorierte sie. Eher steigerten sie noch sein Verlangen.

      Jeannie zog die rechte Hand aus dem Fingerknäul auf dem Tisch, legte sie ihm auf die Wange und wiederholte: „Ach, Johnny!“ Und er legte seine Hand auf ihre Wange und erwiderte mit rauer Stimme: „Ach, Jeannie!“ Als ob sie diesen Dialog nicht schon hundertmal geführt hätten.

      Dann rief er die Bedienung. Während Jeannie auf dem Klo verschwand, zahlte er, stand schon mal auf.

      Dann sitzen sie in der Straßenbahn, nebeneinander auf den harten Holzsitzen. Sie hält seine Hand fest umklammert, als wolle sie ihn nie mehr loslassen. Die acht Haltestellen bis zu seiner Wohnung sprechen sie kaum ein Wort. Es gäbe so viel zu reden, doch die Sätze löschen einander aus, bevor sie es auf seine Zunge schaffen, und der Kloß in seinem Hals tut ein Übriges. Stumm sitzen sie nebeneinander, sehen sich nicht an. Als wüssten sie nicht recht, wie es weitergehen soll. Dabei ist es ganz klar.

      Kaum haben sie die Tür zu seiner Wohnung hinter sich geschlossen, fallen sie übereinander her. Jeannies Fellweste sinkt im Flur zu Boden, liegt da wie ein totes rotes Tier, seine Jeansjacke gesellt sich dazu. Wie ein einziges Wesen taumeln sie in sein Schlafzimmer, die siamesischen Zwillinge, finden sich unversehens auf dem Bett wieder. Küssen sich atemlos, halten sich fest, fest. Endlich ist es so, wie es immer sein sollte. Das Spiel, bitter ernst, das Begehren, der Kampf, das tödliche Duell. Er hält sie, sie windet sich, er öffnet sie, sie öffnet sich, schon fallen sie, halten sich immer noch, spüren Haut, spüren Haar, spüren Feuchte, ein Atem nur noch aus zwei Kehlen, ein Stoßen, ein Zucken, ein Keuchen, endlich, er ist nicht mehr er selbst, kein Raum, keine Zeit mehr, nur sie, sie und er, nichts mehr zwischen ihnen als ihre Haut, ein Schluchzen, ein Schrei, ein Fließen, ein Strömen, ein Fallen, Fallen, Fallen.

      Ein Ankommen.

      Sie liegen, ihre Körper ineinander verschränkt, die Herzen im rasenden Gleichklang, der Atem kehrt zurück, allmählich, das Zimmer erscheint wieder, taucht auf aus dem All.

      „Jeannie“, flüstert er, als er wieder Luft bekommt. „Ach, Jeannie!“

      Sie schüttelt den Kopf, zieht ihn eng, noch enger an sich. Macht „Schschsch!“

      Diese Nähe. Dieses Einssein, in dem jetzt ganz schemenhaft wieder zwei Individuen Gestalt annehmen, allmählich, Halligen, die auftauchen aus dem brodelnden, tosenden Meer, wenn die Sturmflut sich zurückzieht.

      Sie, er, immer noch ineinander, beieinander.

      „Jeannie“, wiederholt er. „Ach, Jeannie.“

      Da rückt sie ein bisschen von ihm ab. Sucht seinen Blick, jetzt wieder klar, nicht mehr gebrochen das Auge.

      Sie tippt ihm mit dem Finger auf die Nasenspitze und antwortet, ebenfalls flüsternd: „Sag nicht immer Jeannie zu mir… Hannes. Ich heiße Sharani, ich meine, in echt. Sharani. Jeannie gibt’s nicht mehr.“

      Jeannie gibt’s nicht mehr! So ein Quatsch. Hier liegt sie, bei ihm, in seinen Armen, warm und lebendig. Aber wenn sie darauf besteht… „Okay“, seufzt er, „Sharani.“ Sie nickt, zeichnet mit dem Finger seine Augenbrauen nach. „Hannes“, murmelt sie dabei. „Ja, du bist nicht mehr Johnny. Das hier ist etwas Neues.“

      Aber er will nicht reden. Nicht mit Worten. Er will nur spüren, nur sein mit ihr, noch sind sie nicht gesättigt, noch lange, lange nicht. Ihre Augen, wie sie sich wieder schließen, die Lippen, die den nächsten Seufzer durchlassen, ihre Bewegungen, auf ihn zu, wieder der Tanz. Ihre Haut, die wieder anfängt zu glühen, ihr Schoß, der schon wieder bereit ist, immer noch, und wieder kommt sie ihm entgegen, öffnet sich ihm, saugt ihn auf, es gibt kein Halten. Aus aufgerissenen Augen sieht sie ihm ins Gesicht, wimmert wie ein Kind. Hält seinen Blick fest, bis alles explodiert. Kometen schießen durchs All, Protuberanzen. Er bricht über ihr zusammen, hört sich selbst genauso wimmern wie sie zuvor, ja.

      ***

      Sie ist nicht seine erste Frau, und es ist nicht das erste Mal, dass sie miteinander schlafen. Aber es ist, als habe er noch nie eine solche gewaltige, schmerzhafte Lust empfunden, alle seine Sicherungen sind durchgebrannt.

      ***

      „Mann, bist du schwer“, sagt sie schließlich. Sie spricht in normaler Lautstärke. Jetzt erst wird ihm bewusst, dass er mit seinem ganzen Gewicht auf ihr liegt. Er rollt sich zur Seite, hält sie immer noch umfangen, rutscht aus ihr heraus. Fährt ihr mit der Hand durch das lange, verwuschelte Haar. Sie stemmt sich auf die Ellenbogen, sieht ihn an. Legt ihre Hand auf seine Wange, küsst seine Augen. „Hannes“, sagt sie dann und schüttelt den Kopf, als könne sie nicht glauben, was da gerade mit ihnen geschieht. Dann lässt sie sich wieder an seine Seite gleiten, und sie halten einander fest, wortlos, eine Ewigkeit. Dann kommen die Gedanken wieder, doch er versucht sie zu verscheuchen. Egal, alles egal. Was zählt, ist allein das, was sie im Moment miteinander erleben. Surrender to existence. Hingabe an das, was ist. Sharani.

      ***

      „Kannst du mir mal ein Glas Wasser holen?“, fragte sie schließlich. Er hätte noch Jahrhunderte einfach neben ihr liegen können, einfach bei ihr, endlich. Doch er stand auf, tapste in die Küche, nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kasten in der Kammer, goss ein Glas ein, kam zurück ins Zimmer. Sharani hatte sich auf den Bettrand gesetzt. Sie sah ihm nicht entgegen, ihr Blick war auf das Foto in ihrer Hand gerichtet, ein Foto in einem etwas kitschigen silbernen Rahmen, das sie aus dem Regal genommen hatte. Er setzte sich neben sie aufs Bett, das Glas in der Hand. „Und wer ist das?“, fragte sie mit einer Stimme, die er nicht einordnen konnte.

      Er musste sich räuspern. Wie in einem schlechten Film. „Das ist Gabi.“

      Endlich wandte sie sich ihm zu. „Die, mit der du immer noch nicht verheiratet bist?“

      Stumm nickte er. Er konnte das Bild nicht anschauen.

      „Und wann ist es so weit?“ Er konnte Sharanis Stimme immer noch nicht einordnen.

      „Am einundzwanzigsten Juni.“ Er flüsterte wieder. Diesmal eindeutig deshalb, weil seine Stimmbänder streikten. „In sechs Wochen.“ Er konnte es selbst kaum glauben, was da aus seinem Mund kam.

      „Und wieso ist sie nicht hier, deine… Verlobte? Wohnt ihr nicht zusammen?“

      Er schüttelte den Kopf. Wollte am liebsten weglaufen. Was tat er da! Schlief sechs Wochen vor seiner Hochzeit mit einer anderen, als ob gar nichts dabei wäre. Auch wenn es seine große, wahre und einzige Jugendliebe war.

      „Gabi ist da eher konservativ. Sie wohnt noch bei ihren Eltern. Wir ziehen zusammen, wenn wir verhei…“ Jetzt stellten die Stimmbänder tatsächlich ihren Betrieb ein.

      Von Sharani an seiner Seite kam ein Geräusch, das er anfangs nicht deuten konnte. Ein Prusten, dann ein Glucksen. Sie lachte. Tatsächlich, Sharani lachte. Sie lachte lauthals, ungehemmt, ließ sich rücklings aufs Bett fallen, den Silberrahmen immer noch in der Hand, lachte wie ein Kind, verschluckte

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