Sex & Gott & Rock'n'Roll. Tilmann Haberer

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Sex & Gott & Rock'n'Roll - Tilmann Haberer Sex & Gott & Rock'n'Roll (Trilogie)

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ihn doch mal, wann er wiederkommt“, drängte sie Utz.

      „Hat er schon gesagt. In sechs Wochen oder so.“

      Jeannie konnte es immer noch nicht so recht glauben. Sie sah sich um, sah an dem Wachhäuschen ein schwarzes Brett mit einigen Zetteln daran. Da stand es auch noch mal schwarz auf weiß: Der Maharishi war ausgeflogen.

      „Na gut.“ Es musste doch einen Weg geben. „Wir sind in Rishikesh, und ganz in der Nähe ist Haridwar, da gibt es doch jede Menge Gurus und heilige Männer. Wir werden schon einen finden, mit dem wir meditieren können“, schlug Jeannie vor.

      Doch Utz winkte ab und Harald schüttelte den Kopf. „Nee, wenn schon, denn schon. Ich will zum Maharishi. Deswegen sind wir doch so weit gefahren.“

      „Aber er kommt doch erst in sechs Wochen zurück. Was sollen wir denn so lange machen?“

      „Da wird sich schon was finden“, meinte Utz achselzuckend. Enttäuscht kehrten sie zum Bus zurück. Die anderen hielten sich nicht lange mit ihrer Enttäuschung auf. Stattdessen widmeten sie sich dem Pot, das sie aus Afghanistan mitgebracht hatten.

      „Können wir nicht einen anderen Guru suchen?“, fragte Jeannie eins ums andere Mal, aber Utz und Harald wollten nichts davon wissen und Bine war sowieso alles egal. Jeannie war zuerst sauer, dann verzweifelt. Welchen Sinn hatte es, einmal quer durch den Orient zu fahren, um dann, am Ziel der Reise, im Haschischnebel zu versinken? Waren sie nicht aufgebrochen, um spirituelle Erfahrungen zu machen? „Reg dich ab“, nuschelte Utz träge, total stoned. „Du willst dein Bewusstsein erweitern? Das kannst du doch genauso einfach damit!“ Und er hielt ihr den fetten Joint hin, den er gerade gedreht hatte. Sie schlug ihn ihm aus der Hand. „Dein scheiß Shit kannst du behalten, verdammt, ich will zu einem Guru!“

      „Dann geh doch“, grinste Utz breit und hob in aller Seelenruhe den Joint wieder auf, blies den Sand weg und fingerte nach seinem Feuerzeug. „Es hält dich keiner auf.“

      Aber wie sollte sie einfach zu irgendeinem Guru gehen? Sie wusste ja nicht einmal genau, wie man sich so einem heiligen Mann zu nähern hatte. Und schon gar nicht, wo man einen Guru finden konnte, der Europäer als Schüler annahm. Utz und Harald wussten es wahrscheinlich genauso wenig, aber immerhin waren sie ein paar Jahre älter und hatten mehr Erfahrung. Von Bine hatte sie nichts zu erwarten, das war klar. Die würde nur zum Guru gehen, wenn Harald ging. Sie war überhaupt nur Haralds Schatten. Wenn er meditieren wollte, würde sie meditieren, wenn er vögeln wollte, war sie geil, wenn er ihr anschaffte zu kochen, kochte sie. Jeannie war stocksauer, aber die anderen interessierte das gar nicht.

      Okay, dachte sie, du bist Jeannie, dir kann keiner was. Mach dich auf den Weg und hock hier nicht untätig rum. Sie packte ihre Umhängetasche und stieg hinunter zur Straße, schlug den Weg zum Ganges ein. In den islamischen Ländern, durch die sie gekommen waren, wäre es undenkbar gewesen, als Frau allein unterwegs zu sein; hier in Indien hatte sie keine Angst, speziell an einem Ort, an dem so viele Sadhus und Yogis unterwegs waren und auch jede Menge Hippies und Gottsucher aus dem Westen. In einer Dhaba an der Ram Jhula bestellte sie einen Chai, setzte sich auf die wacklige Holzbank, schaute über den Fluss und versuchte einen Plan zu machen, wie sie einen Guru finden konnte.

      Sie hatte gerade einmal an der Schale genippt, da setzte sich ein Mann neben sie. Ende zwanzig, groß gewachsen, braun gebrannt, schulterlanges Haar, um den Hals baumelten mehrere Ketten aus Muscheln und Glasperlen. „Hi there. Where are you from?” Die üblichen ersten Fragen unter Travellern. „How long have you been travelling?“ Jeannie war froh, jemand zum Reden zu haben, und lächelte den Fremden an. Der lächelte aus auffallend blauen Augen zurück. „I’m Rob“, stellte er sich vor, „from Leiden, Netherlands.“

      Ihr Englisch war ziemlich holperig, aber sie gab ihr Bestes. Sie fragte Rob aus. Was hatte ihn nach Rishikesh gezogen? War er auch auf der Suche? Ihr Herz machte einen Sprung, als er von einem Ashram erzählte, indem ein gewisser Shree Satpal Ji lehrte, auch Maharaji genannt. „Maharaji? Ist das ein Guru? Kannst du mich zu ihm bringen?“ Rob lachte ein tiefes, voll tönendes Lachen. „Siehst du“, sagte er mit seinem holländischen Akzent, „du brauchst gar nicht zu suchen, das Leben findet dich von selbst.“ Sie verabredeten sich für den nächsten Morgen vor Sonnenaufgang an der Lakshman Jhula, der anderen Brücke, die sich drei Kilometer entfernt ebenfalls über den Ganges spannte. Dann sagte Rob noch einen Satz, der sich Jeannie einbrannte: „Maharajis Lehre ist ganz einfach: Erkenne dich selbst. Erkenne das Bewusstsein, das alles durchdringt. Das bist du.“

      Das war es. Danach hatte sie gesucht. Das Bewusstsein, das alles durchdringt. Sie verabschiedete sich von Rob und stand auf. „Morgen früh, halb fünf“, rief er ihr nach. „Ich warte hier auf dich!“ Sie drehte sich zu ihm um, hob den Daumen. „Ich komme, versprochen.“ Dann setzte sie den Fuß auf die schmale, fragil wirkende Hängebrücke, tauchte ein in den Strom der Sadhus in orangen Dhotis, der Hippies mit ihren Fransentaschen und der indischen Bauern, Geschäftsleute und Hausfrauen im farbenprächtigen Sari.

      ***

      Als sie ihren ersten und einzigen Trip warf, hätte Jeannie nie vermutet, dass er sie ziemlich direkt in diese bunte, aufregend fremde Welt führen würde. Eigentlich hatte sie sich so gut wie gar nichts davon versprochen, außer, dass es ein bisschen Abwechslung bringen könnte, Ablenkung von dem ewigen Kreisen um Johnny, Johnny, Johnny. Um seinen Brief, den letzten, den sie von ihm bekommen hatte, in dem er ihr unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er sie nie, nie, nie wieder sehen wollte. Sie hatte es nicht geglaubt und sofort geantwortet, aber schon nach zwei Tagen lag ihr eigener Brief wieder im Kasten. Ungeöffnet. Zurück an Absender. Da wusste sie, dass er es diesmal ernst meinte.

      Und das Gedankenkarussell fing an zu kreiseln. Warum nur, was hätte ich denn anders machen sollen, was hätte, wäre, könnte… All die nutzlosen Grübeleien. Sie wollte runter von dem Karussell. Nahm dankbar an, als Bine, die Kollegin von der Kardiologie, sie zu einer Party einlud.

      Eine WG in einem Altbau, abbröckelnde Stuckdecken, das ehemals edle Parkett total zerkratzt, mit Farbspritzern bekleckert, ein großes Wohnzimmer, mit Matratzen ausgelegt, darauf bunte indische Tücher, ein großer Flokati, Räucherstäbchen, Tropfkerzen auf Flaschen überall im Raum, in den Ecken irgendwelche Abfälle. Bücher, Zeitungen, Flugblätter auf allen Flächen, Teller mit Essensresten, umgekippte Gläser, laute Musik von King Crimson oder sonst einer Underground-Band, sie kannte sich da nicht so gut aus, trotz ihrer langen Geschichte mit Johnny. Zwei Dutzend Leute, Männer mit langen Haaren und Bärten, Frauen in indischen Kleidern, Silberschmuck, Dutzende von Ketten und Ringen, Federn, Schals. Die Atmosphäre stickig von Rauch unterschiedlicher Herkunft, laute Gespräche, Lachen, Diskutieren. Genau das Richtige, um für einen Abend auf andere Gedanken zu kommen.

      Hier lernte Jeannie Utz kennen. Utz war ein Hüne, dem das Haar bis weit über die Schultern fiel. Nickelbrille, Vollbart, ein dicker Joint zwischen den Fingern. Ihr gefiel, wie er mit lauter Stimme über Dinge redete, von denen sie bestenfalls ein Viertel verstand, wobei ihr nicht ganz klar war, ob das an ihrer Unwissenheit lag oder an dem offenkundigen Durcheinander seiner Gedanken. Er schien ziemlich high zu sein, wer weiß wovon. Irgendwann stand sie in der verdreckten Küche neben ihm und fragte, wo es Weißwein gebe. Er maß sie von oben bis unten mit dem Blick, dann grinste er spitzbübisch hinter seinem Vollbart und sagte: „Ich hab auch bessere Sachen als Weißwein.“ Jeannie wollte erst dankend ablehnen, dann überlegte sie es sich anders. Sie wollte doch auf andere Gedanken kommen. Da kam ein Experiment mit einer mutmaßlich verbotenen Substanz doch gerade recht.

      „Ich hätte ein schönes Acid da…“

      Ein bisschen misstrauisch schaute Jeannie das Stückchen Löschpapier an, das Utz ihr auf die ausgestreckte Hand gelegt hatte. Das sollte einen Trip geben? Wie Utz ihr geraten

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