Paradise Valley - Auf den Wolf gekommen (1). Dani Merati
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Dreihundert Jahre nach dem Ende des großen Krieges ist Veränderung auf dem Weg in die Zuflucht der Wandler. In ihrem Gepäck: Entschlossenheit und Hoffnung. Längst hat in einigen Köpfen ein Umdenken stattgefunden, versucht der jetzige Alpha Rex, die Untaten seiner Ahnen zu tilgen. Möchte eine neue Gemeinschaft erschaffen, in denen alle Rassen gleichberechtigt sind.
Aber der Umbruch schreitet nur langsam voran und nicht jeder ist von der ungewohnt liberalen Führung im Tal angetan. Im Verborgenen keimt eine Rebellion, die zur Vernichtung sämtlicher Wandler führen könnte.
Mitten in dieser volatilen Lage werden ein Wolf und eine Hauskatze vom Schicksal als Seelenpartner zusammengeworfen. Ein Alphaerbe der herrschenden Rasse und ein Mann von einer immer noch als minderwertig angesehenen Spezies.
Sind sie das leuchtende Beispiel für den Traum auf ein friedliches Miteinander oder der Funken für einen unvermeidbaren Krieg?
2. Zwei Freunde
Layton beobachtete vom Auto aus, wie sein bester Freund Hugo seine Schwester zum Abschied umarmte. Er wusste, dass sie versucht hatte den Graufuchs zum Bleiben zu überreden, allerdings vergeblich. Im Gegensatz zu ihm glaubte Hugo nämlich, dass ihre Zukunft in Paradise Valley lag. Er selbst bezweifelte das zwar öfter, würde jedoch nie seiner Mom den Rücken kehren.
Hätte er vor sechs Jahren die Wahl gehabt, wären sie weiter anonym in der Stadt geblieben, ihre zweite Natur sorgfältig verborgen. Aber ein Übergriff ihres Vermieters - einem rudellosen Wolf - auf ihn und seinen Freund war in einer Katastrophe geendet, die noch heute nacktes Grauen in ihm auslöste. Daraufhin waren sie in einer Nacht- und Nebelaktion getürmt.
Der Fuchs, schon damals sein bester Freund und wie ein Bruder für ihn, hatte sich ihnen angeschlossen und nach Monaten auf der Straße landeten sie letztendlich in Paradise Valley, dem sicheren Hort für ihresgleichen. Doch in all den Jahren hatte er es nicht geschafft, das Tal als sein Zuhause zu sehen.
Er schnaubte abfällig. Das würde er auch nie. Und das verdankte er den räudigen Kötern, die das Tal beherrschten. Seit der Attacke des psychopathischen Wolfs war er dieser Spezies vermehrt mit Argwohn begegnet. Seine bisherigen Erlebnisse mit den Tölen hier im angeblichen Paradies für Wandler dienten nur dazu, ihn in seiner Abneigung zu bestärken. Seine Schulzeit wünschte er niemandem.
Layton konnte nicht begreifen, wie seine Mutter es schaffte, so gelassen zu bleiben. Ihr schienen die ganzen Einschränkungen und Auflagen nichts auszumachen. Er selbst rebellierte bei jeder Gelegenheit, unwillig sich einschüchtern zu lassen. Das brachte ihm natürlich immer wieder Probleme.
In der Stadt, mitten unter Menschen, war es zwar unumgänglich gewesen, ihre Wandlernatur zu verbergen, aber dafür hatte auch niemand auf sie herabgesehen. Bei den Flohteppichen hatte er jedoch meistens das Gefühl, dass er für sie nur der Dreck unter ihren Pfoten war - überall vorhanden, doch völlig unbedeutend.
Layton schnaufte, als die Fahrertür aufgezogen wurde und Hugo elegant hinters Lenkrad rutschte. Ein Seufzen unterdrückend warf er seinem Freund und Bruder im Geiste einen heimlichen Blick unter halbgesenkten Lidern zu. Ob der Fuchs ahnte, dass er seit einiger Zeit von Fantasien heimgesucht wurde, die absolut nicht brüderlicher Natur waren?
Vermutlich nicht und das war auch besser so. Sie wussten zwar beide, dass sie aufs männliche Geschlecht standen, doch die Rassentrennung - obwohl offiziell abgeschafft - steckte noch in zu vielen Köpfen drin. Das machte es schwierig, Gleichgesinnte zu finden.
Hugo war zudem der einzige Fuchswandler im Tal, aber bei Layton sah es an der Männerfront ebenfalls ziemlich mau aus. Die wenigen Hauskatzen, die wie er schwul waren, lösten bei ihm eher Flucht- als Paarungsgedanken aus.
Geknickt schaute er daher aus dem Fenster, verfluchte im Stillen erneut die Wölfe, die nach dem großen Krieg vor dreihundert Jahren diese archaische Regel aufgestellt hatten. Wieso, wusste niemand genau. Es kursierten immer nur die gleichen Horrorgeschichten, dass Paare verschiedener Spezies deformierte Nachkommen zeugten, die nicht überlebensfähig waren. Beweise dafür gab es nicht. Hatte es nie gegeben.
‚Wie auch, wo solche Verbindungen sofort mit dem Tod bestraft wurden, da gab es ja nie die Gelegenheit überhaupt Nachwuchs zu zeugen‘, dachte er verächtlich. Dass die Wölfe vielleicht sogar Schwangere oder Welpen getötet hatten ... darüber wollte er lieber erst gar nicht nachdenken.
Aber leider schafften es diese grauenvollen Gedanken nicht, ihn von seiner Fixierung auf den Fuchs abzubringen. Da sie ja beide dem männlichen Geschlecht angehörten, führte ein wenig Spaß miteinander in ihrem Fall ja nun keineswegs zu irgendwelchen Schwangerschaften. Deshalb wäre es doch auch nicht weiter schlimm, versuchte ihm seine anscheinend völlig durchgeknallte Libido einzureden.
Sein Verstand hielt jedoch vehement dagegen. Selbst wenn es vollkommen in Ordnung wäre, mit Hugo herumzumachen, es könnte ihre Freundschaft gefährden, sie vielleicht sogar zerstören.
Verstohlen warf er einen Blick zur Fahrerseite, entschlossen den Fuchswandler nur als brüderlichen Freund zu sehen, jede erotische Fantasie zu unterdrücken. Vergeblich.
Aristokratische Züge und eine hoch aufgeschossene schlaksige Gestalt. Die braunen Augen, die golden funkelten, wenn der Fuchs dicht unter der Oberfläche herumsprang und das verschmitzte Grinsen, das den dünnen Lippen ihre Strenge nahm, raubte Layton erneut den Atem.
Bei Luna! Er musste seine Hormone unbedingt kontrollieren. Hugo war seit acht Jahren sein bester Freund, seit sie in einem schäbigen Hinterhof um dieselbe Beute kämpften. Zerbissen und zerkratzt waren sie schließlich nach Hause zu seiner Mom gekrochen, die ihnen die Ohren lang gezogen und sie danach ins Bett gesteckt hatte.
Von dem Tag an gab es sie nur noch im Doppelpack. Der Fuchs war praktisch bei ihnen eingezogen, da Carol, seine ältere Schwester, ihre Natur verleugnet und später sogar einen Menschen geheiratet hatte, um ‚Normal‘ zu sein.
„Sie ist nicht glücklich“, kam es unvermittelt von seinem Freund. „Sie versucht, es zu verbergen, aber ich spüre es. Ihr Tier geht ein und ihr fehlt längst der Wille, etwas dagegen zu unternehmen.“
Layton hörte den Schmerz in dem rauen Klang der dahingesagten Worte und schämte sich. Hugo litt und er dachte ans Ficken.
Gleichzeitig rann ein eisiger Schauer seinen Rücken hinab. Krallen kratzten unter seiner Haut, er strich beruhigend darüber, versicherte seiner Katze wortlos, dass er sie nie verleugnen würde. Schnurrend schmiegte sie sich an ihn und für den Bruchteil einer Sekunde spürte er weiches Fell an seinen Fingerspitzen.
Carols Verhalten war bei Wandlern leider beileibe keine Seltenheit. Diejenigen, die unter Menschen aufwuchsen und gezwungenermaßen ihr ‚Anderssein‘ verbergen mussten, neigten dazu - im Zuge der Anpassung -, den Bezug zu ihrem Tier zu verlieren. Die Tierseele löste sich dann von ihnen, was grundsätzlich immer tödlich endete, da ein Wandler - egal, wie sehr er es vielleicht wollte - nicht ohne seine zweite Seele konnte.
„Wenn ich dächte, es würde helfen, hätte ich längst vorgeschlagen, sie zu kidnappen und zu einem Schamanen der Wölfe zu bringen. So sehr ich die Köter auch verabscheue - Marius, ihr derzeitiger Geistheiler ist unglaublich mächtig. Es heißt, dass er noch nie einen Wandler verloren hat.“
„Der Gedanke ist mir selbst schon gekommen. Ich befürchte nur, dass wir das nicht über die Bühne