Die Glückseligen. Gerhard Schumacher
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Glückseligen - Gerhard Schumacher страница 6
Vereinfacht wiedergegeben ging es darum: Er, Wenzel, habe den Köter ursprünglich Stolpe nennen wollen, und zwar in Anerkennung der Verdienste eines gleichnamigen Politikers aus der Partei, der Wenzel aus traditionellen Gründen nahesteht: »du weißt es Morbi, ich bin ein Roter, schon immer, unbedingt.«
Diese Idee aber habe er fallen gelassen, als ihm ein guter Bekannter mitteilte, der Name Stolpe würde ihn nicht nur phonetisch, sondern auch visuell sofort an die Hundekrankheit Staupe erinnern, und zwar zwingend. Dabei bekäme er immer Bauchschmerzen übelsten Ausmaßes und müsse anschließend kotzen.
Nach eingehenden Überlegungen und diversen Fernsehbildern des von ihm, Wenzel, mit der Ehrung bedachten Politikers, konnte er nicht umhin, sich der Meinung seines Bekannten anzuschließen und beschloss, wenn auch schweren Herzens, eine Namensänderung nicht nur in Erwägung zu ziehen, sondern, anders als es in besagter Partei bei Beschlüssen gängige Praxis war, auch tatsächlich umzusetzen.
Das mit der Krankheit gefiel ihm, Wenzel, allerdings nicht schlecht und über Staupe, Buda und Pest fiel ihm schließlich Cholera ein, was er provokativ lustig fand.
»Hat doch was, Morbi, was?«
Was?
Dem ursprünglichen Gedanken und dem Gedenken an seinen, wenn auch unfreiwilligen, Ideengeber, nicht ganz die Reminiszenz zu verweigern, nannte er seinen Hund dann endgültig Manfred Cholera. Und dabei blieb es, Herr und Hund waren es zufrieden.
Kein schöner Hundename, zugegeben, aber originell und sicherlich einmalig. Auf jeden Fall stach er aus dem üblichen Einheitshundenamenangebot heraus. Gegen Manfred Cholera konnten Stupsi, Waldi, Boppele, Hexi, Harras und wie die idiotischen Halter ihre Viecher auch immer zu nennen pflegen, nicht mithalten, soviel war mal klar.
Nun ja, Wenzel zwinkerte mir, Komplizenschaft erbettelnd, mehrdeutig zu, der Hund habe eine, wenn auch kleine, aber immerhin, Macke, das wolle er mir nicht verheimlichen. Ein minimales Handicap, ihm persönlich wäre es sowieso egal, »du kennst mich, Schwager, ich bin tolerant,« aber nicht alle würden so denken wie er, »hab ich recht, Morbi, was sagst du, ich hab doch recht, oder?«
Und druckste und malmte herum, ehe er nach neuerlicher Bierorder und -lieferung endlich zum Kern der Angelegenheit kam. Manfred Cholera nämlich, gestand Wenzel raunend und mit leicht vorgebeugtem Oberkörper, würde alles rammeln, was ihm in die Quere, bzw. vor die Füße, richtiger, vor sein Gemächte käme, und zwar nicht nur seinesgleichen, Hund und Katz, sondern auch sonstiges Getier, einschließlich der Gattung Mensch, wenngleich Letzteren auch nur am Bein, was er bisher so beurteilen könne, »was sagst du?«
Aber damit nicht genug würde das possierliche Tierchen auch Dinge, »Sachen halt, du verstehst, Tischbeine, Plastiktüten und sonstigen herumliegenden Kram, Gegenstände halt,« als Sexualpartner durchaus nicht verschmähen. Das sähe dann doch ein wenig peinlich aus, wenn er, Wenzel, mit ihm, dem Hund, auf der Straße spazieren gehe und dieser mit heraushängender Zunge, verdrehten Augen und eindeutigen Geräuschen über einem herabgefallenen Ast, einer leeren Pizzaverpackung oder einer mit Abfall gefüllten Alditüte hinge und sich redlich abmühte, die rot geschwellte Kuppe endlich zum Schuss zu überreden. Überdies gelänge gerade das dem Hund, zumindest bei Ästen und Tüten, äußerst selten und nur unter Einsatz letzter Kräfte und wenn es wider Erwarten dann doch passierte, sei er danach immer dermaßen überrascht und geschwächt, dass er sich, alle Glieder, ha ha, von sich streckend, schlichtweg weigere, den Weg fortzusetzen, und er, Wenzel, ihn dann nach Hause tragen müsse. Ein unwürdiger Abgang sozusagen und ein schwerer, zumindest für Wenzel.
Zu welcher Rasse der Hund denn gezählt wird, wollte ich wissen. Das könne er so genau nicht sagen, erklärte Wenzel. Auf jeden Fall sei ein Dackel dabei gewesen und ein Terrier wohl auch, wenn er der Expertenmeinung des impfenden Tierarztes trauen darf, und noch ein paar andere Sorten, »kannst du dir ja denken.« Klar konnte ich.
Eigentlich hätte ich mich genau an dieser Stelle fragen müssen, ob der Hundekauf aus Wenzels Sicht wirklich Grund genug war für eine nachmittägliche Einladung, die einen zunehmend kostspieligen Charakter annahm. Die Angelegenheit, die er mir noch auf dem Bahnhof als höchst wichtig avisiert hatte, versandete doch nicht etwa in den profanen Niederungen eines Plastiktüten rammelnden Vierbeiners unbestimmter Sortenzugehörigkeit. Selbst wenn ich gewollt hätte (habe ich aber nicht), was konnte ich dazu beitragen, den Hund Manfred Cholera von seinen peinlichen Sexualpraktiken abzubringen? Wozu auch, bei seinem besten Freund, dem Menschen, gab es in dieser Hinsicht noch ganz andere Dinge zu bestaunen, da waren Äste und Pizzaverpackungen eher unbedeutend, geradezu lächerlich.
Aber ach, alle diese wohlfeilen Überlegungen kamen mir erst später, viel später, in den Sinn. Hier und jetzt, im Omero, unter des Schankknechts Gesetz, schwappte mir das Bier literweise durch Körper und Gehirn, beruhigte und stachelte gleichzeitig auf, erfreute und ließ traurig werden, kurz, ich näherte mich, Heidewitzka, Herr Kapitän, dem trunkenen Zustand, und zwar mit Riesenschlucken. Und in dieser Verfassung denkt man nicht weiter nach, sondern ordert alert die nächste Runde, respektive lässt ordern, denn soviel klaren Kopf hatte ich noch, mich der Einladung des Hundeschwagers zu erinnern. Und der ließ sich, was die Bestelltechnik und auch deren häufige Umsetzung anging, nicht lumpen.
»Außerdem,« Wenzel donnerte wiederum in meine Richtung, »außerdem kaufe ich mir ein Aquarium, mit Fischen, Zierfischen, Exoten drin, englisch. Als Wertanlage, ein Stück weit, ehrlich.«
Nun war es also raus. Das ganze nachmittägliche Besäufnis fand statt wegen einer Menagerie unterschiedlichster Tierarten, im konkreten Fall wegen eines vierbeinigen Sexmonsters und jetzt auch noch eines Aquariums, mit Fischen, englisch, ehrlich. Oh Schwager mein. Wo soll das alles enden? Im Wasser, ein Stück weit? Als Wertanlage?
Ein Aquarium sei eine tolle Sache, machte ich Wenzel Mut, besonders mit Fischen drin, jedoch solle er die Folgen einer diesbezüglichen Kaufentscheidung wohl bedenken, besonders auch im Hinblick auf den erst kürzlich erworbenen Hund Manfred Cholera. (Wo war der überhaupt? Warum rammelte der nicht hier im Omero die Prothese eines der siechen Gebissträger und anschließend noch des Schankknechts Spülbürste?) So ein Fischbehälter verlange jede Menge Pflege, wegen unerwünschter Algenbildung, Fischkot und manch anderer widriger Dinge. Das gälte es abzuwägen. Schon beim Reden fühlte ich die Halbherzigkeit meines Einwurfs. Sachlichkeit war gefragt.
Wie denn das zu verstehen sei, englisch und die Bemerkung mit der Wertanlage, wollte ich wissen.
Der Schwagerrüssel atmete tief durch, rollte verträumt mit den Augen und belehrte mich dahin gehend, dass englisch der fachidiomatische Hinweis auf die Anlage der Unterwasserlandschaft sei, Wenzel sagte allen Ernstes seagarden, und das Ensemble, also seagarden und Zierfische, exotische zumal, als Ganzes gesehen in Fachkreisen durchaus als Wertanlage gelte.
»Das hat Bestand«, raunzte Wenzel nicht emotionslos dahin, »der Dings da, der Dings, der, na sag schon, der Schmalenberg, der Günther Schmalenberg, du kennst ihn auch, der Günther, der hat schon seit Jahren ein Aquarium, echt, und verdient sich dumm und dämlich daran, ehrlich. Der züchtet Zierfische mit seiner Schwester, der Gabi, kennst du auch, sicher, die sitzt beim Reichelt an der Kasse, ein Stück weit. Dumm und dämlich, sag ich dir«, schob er zur Sicherheit nach.
Dann kam ein kurzer aber eindrucksvoller Rülpser. Das Bier tat seine Wirkung. Allmählich quakte Wenzel sich in Form.
»Weißt du, Morbi, ich mach´s ja nicht wegen dem Geld.«
»Genitiv«, warf ich ein.
»Was? Wie bitte?«, Wenzel schien irritiert.