Die Glückseligen. Gerhard Schumacher

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Es muss heißen: wegen des Geldes. Hört sich besser an, Wenzel.«

      »Ach so, klar, weiß ich doch, klaro. Also ich mach´s ja nicht wegen dem…« er suchte, »wegen der Kohle, der Wertanlage da, sondern, ein Stück weit«, Wenzel holte tief Luft, »sondern wegen der Freude, der Natur. Also wegen der Freude an der Natur, Pflanzen, Fische, Exotik, das tut gut, ehrlich.« Jetzt kam er ins Schwärmen.

      Warum gerade Aquarium, ließ ich nicht locker, es gäbe so viel andere Dinge, aber ausgerechnet Fische, Zierfische, betonte ich, die Verantwortung.

      »Na eben«, wienerte es zurück, »da siehst du´s.«

      Wie es schien, lief ein Großteil des Weltgeschehens ohne mich ab. Erst die Entdeckung, nein, nicht Amerikas, ein bisschen mehr Ernst, Herrschaften, wenn ich bitten darf. Erst die Entdeckung, wie tief Wenzel in die mafiöse Szene des Omero verstrickt war und kurz darauf die Erkenntnis, wie engagiert der Substitut aller Schwäger in die professionellen Sphären der Aquaristik (seagarden!) und deren algigen Bodensatz sich eingeschlammt hatte. Von Manfred Cholera und dessen sexistischen Ausschweifungen ganz zu schweigen. Und nichts davon hatte ich auch nur ansatzweise geahnt.

      Zwischenzeitlich öffnete sich die Tür des Omero und herein kam ein sehr dunkelhäutiger Mann unbestimmten Alters, der allseits als Leroy begrüßt wurde.

      Das aber hatte Wenzel in seinem Unterwasserrausch noch nicht mitbekommen.

      »Alles andere ist am Arsch«, krähte Wiener vor sich hin, »Autos, Motorräder, Möbel, eben alles. Am Arsch, sag ich dir. Natur zählt und sonst nix, ehrlich, am Arsch.«

      Jetzt war er in der Fäkalphase angelangt. Im Hintergrund hatte der Leroy benannte mittlerweile einen Tisch in Beschlag genommen, den Ellbogen seines linken Arms auf die Platte gestemmt, den Kopf, den schweren schwarzen, zu stützen. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand popelte er in der Nase. Unaufgefordert stellte Fred ein Bier vor ihn hin. Die Greise grinsten. Aber das tun sie immer kurz vor dem Abschied.

      »Du kennst mich, Morbi, du kennst mich wie kein Zweiter, stimmt´s? Hab ich recht, sag ehrlich Schwager, hab ich nicht recht? Was soll der Scheiß, der Scheiß mit dem Terror da, dem Terror, dem…, dem…«, Wenzel suchte Augen rollend nach dem richtigen Wort.

      »Afghanistan?«, warf ich ein, »Dschalalabad?«

      »Dschalalala… was? Quatsch, Afghanistan, dem Terror da, nein, hier, dem Terror hier bei uns, dem Terror«, er schnaufte und nahm sich ein kleines Päuschen. Dann hatte er wieder das bekannte Blinken in den Äuglein, den verschmitzten, »Konsumterror, der da«, jetzt hatte er´s, »den mein ich, Konsumterror, versteh mich. Da setz ich die Natur dagegen, mach ich nicht mit beim Terror, ich liebe Fische, ein Stück weit, weil die so natürlich sind, natürlich und und…«

      »Nass«, versuchte ich zu helfen, Wenzel aber hob den Zeigefinger und gegen den Konsumterror, die Exoten. Bingo.

      Er wackelte mit dem Schädel und hatte dabei augenscheinlich den dunkelhäutigen Mann bemerkt.

      »Ach der Leroy«, schrie Wenzel los, »schau an, der Leroy, bist du auch mal wieder da, hier, du Neger du, was macht die Alte, Leroy, sag, was macht die Alte, noch gut bei Schuss, was, das freut mich ja, der Leroy, geht´s gut, ja, sag, geht´s gut?«

      Dem Rattenschwanzschwager ging die Puste aus. Sein Köpfchen drehte zu mir.

      »Der Leroy ist ein feiner Mensch«, grummelte er mir, für seine Verhältnisse gedämpft zu, ein ganz feiner Mensch, »so vornehm in seiner Art«, erneut suchte Wenzel nach Worten, »ein richtiger Adokrat«, oh Gott, das Bier, aber unverdrossen ging es weiter,

      »Aristat, nein, jetzt: Aristokrat«, verbesserte er sich im dritten Anlauf, »edel, ehrlich. Gibt´s nicht oft. Und so stolz. Tuareg. Ein ganz feiner Neger.«

      Es schauderte mir den Rücken runter. Edel sei der Leroy und vornehm und stolz. Halleluja.

      Indes schien Wenzel den Leroy sofort wieder vergessen zu haben, denn er drehte sich erneut zu mir und nachdem er ein wenig am Bier genuckelt hatte, schaute er mich mit treuem Blick an.

      »Darf ich dich was fragen, Morbi? Bitte, ich muss dich was fragen, gib mir eine ehrliche Antwort Schwager, gib mir eine faire Chance, ein Stück weit, mein Freund.«

      »Klar Wenzel«, erwiderte ich ohne Begeisterung, denn ich kannte die wienersche Fragenpalette in seinem jetzigen Stadium der fortgeschrittenen Alkoholisierung. Meist drückte er eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel und wollte dann von mir wissen, ob er ein Weichei sei oder ähnlichen Unsinn mehr. Der Ritter von der traurigen Gestalt.

      »Du hast ein Recht auf eine ehrliche Antwort, Wenzel. Und von mir bekommst du sie. Garantiert.« Natürlich war ich ein vermaledeiter Lügner. Ich spürte, noch während ich diesen dämlichen Satz vor mich hinsagte, es grausam in Magen und Gedärm zwicken und ziehen. Warum war ich nur so meineidig? Vor dem, der so viel Vertrauen in mich setzte, Sancho Pansa und Dulcinea in einer Person. Sonst hatte ich derartige Bedenken, zumindest Wenzel gegenüber, nicht. Mehrere Liter Bier hatten mich empfindsam und dünnhäutig gemacht. Ich schämte mich ob meiner moralischen Verkommenheit nicht wenig, aber auch nicht so stark, dass ich eine Umkehr, Beichte gar, ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Wenzel hätte es eh nicht verstanden. So ist das Leben, mein liebes Schwagerschweinchen. Grausam und doch irgendwie gerecht. Wie du mir, so ich euch. Ehrlich.

      »Morbi«, er rang offensichtlich mit den richtigen Worten, »Morbi, was hältst du von der Idee mit der Natur da, dem Aquarium, mit den Fischen, den Dings, den Exoten, ehrlich. Was hältst du davon? Pass auf, ich sag dir was.«

      Wenzel hielt kurz inne und nahm einen tiefen Schluck aus dem Bierglas. Eigentlich hatte ich verstanden, ihm die Frage zu beantworten, jetzt wollte er mir was sagen. Auch gut, mir war alles recht, ich schwelgte noch selbstmitleidig in meiner moralischen Vierteldepression. Der Schnäuzelschwager wuchtete seinen Körper in eine Drehung, um dem Schankkellner Fred lauthals eine neue Order von zwei Halben zuzubrüllen. Dabei fiel ihm der popelnde Leroy wieder ins Blickfeld.

      »Ach der Leroy«, krakeelte Wenzel sofort los, »schau an, der Leroy«, stutzte dann aber und machte ein ausgesprochen blödes Gesicht.

      »Der Leroy«, murmelte er selbstvergessen jetzt vor sich hin. Anscheinend hatte er seine Begrüßungstirade wenige Minuten zuvor nicht mehr parat und versuchte sich nun zu erinnern, wann er den dunkelhäutigen Herrn zuletzt gesehen hatte. Und ob das eventuell heute gewesen sein könnte. Leroy selbst schien das Dilemma seines Duzfreunds kalt zu lassen, er popelte ungerührt weiter. Mit Schwung dreht Wenzel sich zurück. Er hatte sich entschieden, den schwarzen Gast erst vor Kurzem begrüßt zu haben, war aber noch nicht so stark betrunken, meinen skeptischen Blick zu übersehen. Indem er mit dem Daumen der rechten Hand über seine linke Schulter Richtung Leroy deutete, versuchte er seufzend seinen faux-pas galant zu überspielen.

      »Ja ja, der Leroy, ein feiner Kerl. Ehrlich. Wo war ich stehen geblieben? Jawohl, ich sag dir was Schwagerherz, bitte hör zu, hör nur einmal zu. Du hilfst mir bei der ganzen Sache, ja, du hilfst mir, komm, sag schon ja, kostet dich doch nichts, was? Nur ein bisschen Überwindung.«

      »Helfen, Wenzel, helfen wobei?« Jetzt hatte er mich überrascht. Statt, wie üblich, weinerlich über seine eigene Situation zu heulen, versuchte er mit geänderter Taktik, mich in irgendetwas hineinzuziehen. Äußerste Achtsamkeit war angesagt, was sich angesichts meines Bierkonsums als durchaus nicht einfach ausnahm.

      »Schau Morbi, du sprichst mit der Katharina, dass sie´s erlaubt, das Aquarium, die Fische, dass sie zustimmt, du verstehst. Auf dich hört sie, sicher,

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