Die Schule auf dem Baum. Gunter Preuß

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Die Schule auf dem Baum - Gunter Preuß

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Die meisten Leute stinken danach. Es bringt mich um. Der alte Hausmann stinkt jedenfalls nicht mehr so stark.

      Auch ich habe mich an ihn herangepirscht. Er hat auch einen Garten. Darin läuft er hin und her. Manchmal quer durch die Beete. Dann immer am Zaun entlang.

      Er segelte an diesem Tag in Richtung West - zu - Nord und einen halben Strich darüber, dann bei der vorherrschenden Windstille schlugen die kurzzeitigen Brisen häufig um. Am frühen Morgen kamen zwei oder drei kleine Landvögel zum Schiff und sangen; später verschwanden sie wieder, noch vor Sonnenaufgang; danach kam ein Pelikan herbei, diese Vögel schlafen an Land und fliegen morgens aufs Meer hinaus, um Nahrung zu suchen, sie entfernen sich keine zwanzig Meilen von der Küste.

      Die Frau ruft. Mir wird schlecht. Ich muss die Katzen füttern.

      Dreiundzwanzigster September. Zehn Uhr.

      Er segelte in Richtung Nordwest und manchmal Nordwest - zu - Nord. Weil das Meer still und glatt war, murrten die Leute und sagten, da es in diesem Meer keinen hohen Seegang gäbe, würden sie niemals ausreichend Wind haben, um nach Spanien zurückzukehren; dann aber erhob sich ein ziemlich starker Wellengang, obwohl es windstill blieb, darüber wunderten sie sich. Der Admiral sagte an dieser Stelle: 'Der hohe Seegang war mir unendlich wichtig, keiner brauchte ihn vielleicht so sehr seit der Zeit der Juden, als jene Ägypten verließen, mit Moses an der Spitze, der sie aus der Knechtschaft führte.'

      Drei - zwei - eins - null. Aufnahme!

      Vierundzwanzigster September. Elf Uhr.

      Ich sitze wieder auf dem Baum! Neptun hätte mich auf Grund gehen lassen, wenn ich heute nicht auf die Kastanie geklettert wäre.

      Ich habe es da unten nicht mehr ausgehalten. Es ist wieder Freitag. Das Wochenende auf dem Grundstück steht bevor. Das Klassenzimmer war wie ein Schraubstock. Es stank grausam nach Sonnenöl und Bratwürsten. Man geht kaputt daran.

      Ich musste auf den Baum steigen. Der alte Hausmann hat es gewusst. Wir haben uns angesehen. Zum ersten Mal so richtig in die Augen gesehen. Da erschien mir der Mann gar nicht so krank oder gar tot. Seine Augen haben mir gesagt: Dann tu es doch endlich! Und ich bin mitten im Unterricht aus dem Klassenzimmer gegangen. Bin auf den Schulhof gerannt. Panzer kam hinter mir her. Aber anders als neulich. 'Tu's nicht!', hat er gerufen. 'Warte! Ich muss mit dir reden!' Aber ich bin auf den Baum geklettert. So schnell war ich noch nie oben.

      Nun stehen sie wieder da unten. Mein Lehrer Hausmann. Die Schulzirkusdirektorin Wendisch. Eine gewisse Christa Mällmann. Der alte Knabe Horst Rappke. Wie Figuren stehen sie. Als hätte sie jemand hingestellt. Um in die Luft zu starren.

      Ich kann endlich wieder durchatmen. Ich sehe ins Blau. Ins Grün sehe ich. Dahin, wo die Erde aufhört und die Wellen schlagen. Von weit her höre ich die Mannschaft singen. Von der Santa Maria. Von der Nina. Und von der Pinta. Sie singen: 'So öffneten wir die Meere, die nie zuvor Geschlechtern aufgetan, erblickend neue Inseln und Himmelstriche, die einst erschloss Henriques kühner Plan.'

      Die Wendisch schimpft. Sie verlangt, dass ich sofort auf die Erde zurückkehre. Ich darf nicht auf sie hören. Das Kommando hat der Admiral. Ich trage in mein Schiffstagebuch ein, was ich sehe.

      Er segelte auf dem üblichen Kurs, sie kamen siebenundvierzig Meilen voran, er sagte den Leuten aber vierzig Meilen. An dieser Stelle sagte der Admiral, er habe sich in der vergangenen Woche nicht mit Herumkreuzen aufhalten wollen und auch in den letzten Tagen nicht, wo es so viele Anzeichen der Nähe von Land gegeben, obwohl er Kunde von mehreren Inseln in dieser Gegend hätte; denn er wolle sich nicht aufhalten, da es sein Ziel sei, nach Indien zu kommen; und wenn er sich aufhielte, sagte er, wäre dies nicht vernünftig.

      Von unten ruft die Direktorin. Sie schimpft. Sie befiehlt. Ich entferne mich immer weiter von ihr und den anderen. Ich sehe noch, wie sie über den Schulhof rennt. Ins Schulgebäude hinein. Der alte Hausmann läuft ihr hinterher. Aber er geht nicht mehr so geduckt wie früher.

      Ich sehe in die Weite. Das Blau ist ruhig. Das Grün treibt darin. Gras, das vom Land abgerissen ist. Und darüber die vielen Sturmschwalben.

      Aufnahme! Drei - zwei - eins - null. Aufnahme!

      Wer mich hören will!

      Sechsundzwanzigster September. Dreiundzwanzig Uhr zehn.

      Ich kann mich nicht erinnern, aber der Traum war gut. Ich habe darin lachen müssen. Der Stift aus dem Erdgeschoß hat mich geweckt. Karlchen. Er ist gerade erst in die Schule gekommen. Wenn er nachts munter wird, und seine Mutter ist nicht in der Wohnung, fängt er an zu trommeln. Manchmal trommelt er die ganze Nacht durch. Bis selbst die Tauben ihn hören. Sein Vater ist Musiker. Schlagzeuger. Vor einem Jahr ist er mit einer Madame auf und davon.

      Es ist immer noch Montag. Und so was vergeht nicht so schnell. Er ist wie das Wochenende auf dem Grundstück. Es hat wieder mal mächtig gestunken. Der Mann und die Frau haben bis spät in die Nacht vor der Laube gesessen und den Mond angeheult. Das ist grausam. Dann erzählen sie sich, was sie alles noch zu überstehen haben. Einmal ganz weit weg wollen sie fahren. Fliegen wollen sie. Bis ans Ende der Welt. Und darüber hinaus. Vielleicht sogar bis dorthin, wo die Erde aufhört und die Wellen schlagen. Aber ich denke, selbst wenn sie es sich leisten könnten, sie würden aus ihrem alten Mief nicht raus wollen. Wegen ihnen hätte die Mauer nicht fallen müssen. Wir hatten einmal einen Wellensittich. Der blieb im Käfig auf seiner Stange hocken. Obwohl die Tür manchmal weit geöffnet war. Einmal habe ich ihn rausgenommen und auf das Fensterbrett gesetzt. Da ist er sofort in den Käfig zurückgeflogen. Seitdem hat er sich die Federn ausgerissen. Der Mann sagt: 'Besser, es bleibt, wie es ist, als dass es nur noch schlechter wird.' Die Frau nickt, dass sie sich fast den Hals bricht. Für des Admirals Besatzung sind meine beiden Alten jedenfalls untauglich.

      Heute haben Panzer und ich uns zum ersten Mal richtig unterhalten. Er hat mich nach dem Unterricht in die Eisdiele vom Rothaarigen, der sich Italiener nennt, eingeladen. Wenn es nach Panzer ginge, würde er nur von Eis leben, hat er gesagt. Ohne vernünftiges Eis würde er längst nicht mehr richtig ticken. Ob ich denn noch richtig ticken würde, hat er wissen wollen. 'Keine Ahnung', habe ich geantwortet. 'Es interessiert mich auch kein bisschen.' Da hat Panzer gesagt: 'Jedenfalls kannst du schweigen, Hans. Und das kann außer mir sonst keiner.'

      Wir haben beim Rothaarigen in der Schlange gestanden. Als wir dran waren, gab es nur noch Fruchteis. Das schmeckt nach dem, aus was es gemacht ist. Aus Wasser. Und davon haben wir uns jeder acht Kugeln geben lassen. Panzer hat darauf bestanden. Wegen dem richtigen Ticken.

      Als das Eis nur noch rote Soße war, haben wir an einem Tisch Platz gefunden. 'Hier kann man es aushalten', hat Panzer gesagt. 'Hier steht einem keiner die großen Zehen ab.' Panzer hat erzählt, dass er am Freitag die Direktorin und den alten Hausmann belauscht hat. Als ich wieder auf der Kastanie saß. Die beiden hätten im Direktorenzimmer gestritten. Wegen mir. Und dem Baum. Den alten Hausmann hat es dabei fast zerrissen.

      'Warum steigst du eigentlich auf diesen blöden Baum?' hat Panzer gefragt. 'Etwa wegen der dürren Mällmann?'

      'Die Mällmann ist nicht dürr', habe ich gesagt.

      'Ich will nur nicht, dass du dich unglücklich machst', hat Panzer gesagt.

      Das hat ganz nach meinen beiden Alten geklungen. Und all den Onkels und Tanten.

      'Ist ja schon gut', hat Panzer gemeint. 'Was ist denn da oben so Besonderes? Kannst du mir das vielleicht sagen?'

      Ich habe vorgelesen: 'Er fuhr weiter auf seinem Weg nach Westen, und sie legten am Tag und in der Nacht dreiundsechzig

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