Die Schule auf dem Baum. Gunter Preuß

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Die Schule auf dem Baum - Gunter Preuß

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Verlangen, mich zu ihnen zu setzen, einmal aus allem raus zu sein und doch mittendrin, mein drittes Auge einmal in alle Himmelsrichtungen blicken zu lassen, über alle Grenzen hinweg. Aber ich fürchtete mich, Sonja, vor dem Steigen, vor dem Fallen, dem Wippen, dem Grün, in dem schon Bunt war, der Weite, vor mir selbst, ich hatte Angst vor allem, Sonja, sie steckt in mir, sie ist mir anerzogen, denke ich, Entschuldigungen fand ich schnell und genug: verboten, gefährlich, verpflichtet, verantwortlich, unmöglich ... Mir war, als hörte ich unsere Lehrer sprechen, im Chor.

      Verrückt, Schön - Aber, Sonja, was weiß denn ich, weißt du es, dann sage es mir, oder sage es mir nicht, wenn du es weißt, tu doch was du willst.

      Ich ahne es, es wird Winter sein, der Baum ist kahl, sein Stamm schwarz, von seinen Zweigen tropft es, er lässt Grau durchblicken. Die Angelegenheit wird erledigt sein, der Junge wird nicht mehr auf dem Baum sitzen, und Hausmann kommt mir nicht zu nahe, ich denke, er wird nur noch auf sein Ausscheiden aus dem Schuldienst warten.

      Kann sein, dass ich mich täusche, Sonja, ich hoffe es sogar, das ist das Verrückte. Es ist kein Verlass mehr auf mich, mein drittes Auge lässt sich nicht schließen, es schießt Bilder wie ein Fotoapparat und hält sie mir vor die Augen, und eines davon zeigt den Jungen und den Alten auf dem Baum im Grün.

      Ich habe noch am gleichen Morgen mit dem Schulrat gesprochen, habe ihm gesagt, dass ich als Direktorin abgelöst und in eine andere Schule versetzt werden möchte. Palm fragte nicht warum, ich war froh, was hätte ich ihm auch antworten sollen, er sagte, er wisse Bescheid, so etwas machten wir alle mal durch; aber danach sei man gehärtet und so schnell würfe einem dann nichts mehr um. "Also", hat er gesagt und mir fest die Hand gedrückt. "Sie enttäuschen mich doch nicht, "mein Mädchen". Sie doch nicht."

      "Ja. Nein", habe ich gesagt, ich wusste nicht, welche Antwort grammatikalisch richtig ist, die Regel wollte mir einfach nicht einfallen.

      "Schon gut", sagte Palm. "Wir kriegen das schon hin. Also dann."

      Also dann, Sonja, aber was und wie? Weißt du noch? Was weißt du noch? Und was, Sonja, was sollten wir wissen, und vor allem, Sonja, woran können wir glauben?

      Ich wünsche mir, dass sich mein drittes Auge nicht wieder schließt, und ich habe mir fest vorgenommen, den alten Hausmann bald, noch in diesen milden Herbsttagen, vielleicht schon morgen zu besuchen. Warum? Frage mich nicht, ich kann es dir nicht sagen

      Deine Ina

      DER SCHÜLER

      "Fünf - vier - drei - zwei - eins - null. Aufnahme!

      Wir fuhren am Freitag, dem dritten August vierzehnhundertzweiundneunzig, um acht Uhr morgens von der Saltersbank ab; wir segelten bei starkem Seewind bis zum Sonnenuntergang sechzig Meilen nach Süden; dann weiter in Richtung Südwest und Süd - zu - West, also auf die Kanarischen Inseln zu.

      Im Chor, Jungs!

      So öffneten wir die Meere,

      die nie zuvor Geschlechtern aufgetan,

      erblickend neue Inseln und Himmelstriche,

      die einst erschloss Henriques kühner Plan.

      Es ist Nacht. Der Mond ist da. Die Sterne leuchten. Mein Name ist Hans Schorn. Ich bin Schiffsjunge auf der Pinta. Sie ist eine Karavelle, sechzig Tonnen groß, sie hat sechsundzwanzig Mann Besatzung. Und sie ist noch schneller als die Nina. Der Admiral ist auf der Santa Maria, dem Flaggschiff. Ich weiß, auch er ist wach. Und er sieht, was ich sehe.

      Wasser. Weit und breit nur Wasser. Ein leichter Südwind. Aber wir kommen voran.

      Endlich bin ich wo die Erde aufhört und die Wellen schlagen. Keiner holt mich vom Mast herunter. Ich sitze im Ausguck. Ich werde mit dem Admiral rufen: Mein Indien!

      Ich spreche ins Mikrofon meines Kassettenrekorders. Nur ein Blödmann denkt, dass ich noch immer im Schulhof auf der alten Kastanie sitze. Ein paar Leute sollen von meiner Reise erfahren, bevor es die ganze Welt weiß. Mein bemooster Lehrer Hausmann soll es als erster wissen. Dann die Wendisch, Schulzirkusdirektorin. Meine beiden einbalsamierten Alten, die den Berechtigungsschein haben, an mir herumzuerziehen. Auch Panzer aus meiner Klasse soll es erfahren. Und eine gewisse Christa Mällmann, vielleicht. Wenn sie es hören will. Sie sollen von meiner großen Reise wissen. Und wie es dazu kam, dass ich auf der Pinta anheuerte und die Schiffe unter dem Oberkommando des Admirals bei starkem Seewind ausliefen. Mein Schiffstagebuch führte ich schon lange vor der großen Fahrt. Eigentlich seit ich schreiben kann. Es weiß mehr von mir als jeder Mensch. Ich brauche es jetzt nur berichten lassen.

      Eigentlich fing alles zu Beginn des neuen Schuljahres an. Mir ist, als wäre ich da erst geboren worden. Es hat wehgetan. Plötzlich saß ich auf dem Baum und getraute mich nicht, die Augen aufzumachen.

      Sie fuhren den ganzen Tag und die Nacht über, in der gleichen Richtung mehr als vierzig Meilen.

      Also wer mich hören will.

      Drei - zwei - eins - null. Aufnahme!

      Fünfter September. Fünf Uhr.

      Endlich sind die Ferien zu Ende. Die Ostsee stinkt. Nach Sonnenöl und Bratwürsten. Vierzehn Tage lang war sie platt wie ein Dorfteich. Kein Kahn ist gestrandet. Keine Seele wollte gerettet werden. Meine beiden Alten waren nicht vom Strand wegzulocken. Ruhe und Sonne, mehr brauchen sie nicht, sagten sie. Jetzt zerreißt sie der Sonnenbrand. Aber sie sind total zufrieden. Ein Tag länger, und ich hätte mich beerdigen können.

      Ich muss losgehen. In die neue Schule. Ein neues Schuljahr beginnt. Großer Neptun, lass endlich Wind aufkommen! Sturm! Es kann doch nicht ewig Flaute sein.

      An diesem Tag fuhr er, die Nacht mitgerechnet, sechzig Meilen, zehn Meilen pro Stunde, was zweieinhalb Meilen entspricht; aber er zählte im ganzen nur achtundvierzig Meilen, damit die Leute nicht Angst bekämen, falls die Reise lange dauerte.

      Einundzwanzig Uhr. Ich liege im Bett und versuche zu lesen. Im Schiffstagebuch des Admirals. Aber es klappt nicht. Aus dem Wohnzimmer plärrt der Zauberkasten. Irgendeine Tante heult ihrem Onkel ein Lied vor. Das stinkt gewaltig nach Rosen und Vergissmeinnicht. Meine beiden Alten sind in ihren Sesseln versunken. Der Mann ist längst hinüber. Er schnarcht, als wollte er ins Guinnessbuch der Rekorde. Die Frau redet über den Film, als bekäme sie es bezahlt. Wenn der Mann kurz zu sich kommt, sagt die Frau: 'Trink nicht soviel Bier, Werner.' Der Mann sagt: `Ist in Ordnung, Ines.'

      Der erste Tag im neuen Schuljahr ist gelaufen. Der große Neptun hat mich erhört. Er hat Sturm geschickt. Aber es ist ein eiskalter Sturm. Und er stemmt sich gegen mich. Mir wird nicht wieder warm, obwohl der Tag heiß war und es jetzt noch über fünfundzwanzig Grad sind.

      Es ist was passiert heute, tatsächlich gleich am ersten Schultag. Ich weiß nicht, wem ich es erzählen könnte. Dem Mann nicht. Und der Frau nicht. Nicht den Jungs. Nicht den Mädchen. Niemandem also. Aber es muss raus.

      Dietmar Sänger, den wir Panzer nennen, kenne ich seit dem vierten Schuljahr. Panzer will später einmal Panzerfahrer bei der Bundeswehr werden, sagt er. Sein Erzeuger, der schon seit NVA-Zeiten in einer Kaserne den Staub von den Akten bläst, meint, das wäre was Solides. Da könnte ihn keiner überfahren. Panzer würden immer gebraucht. Und das Geld stimmte auch.

      Also Panzer gehört zu den Klassenstärksten. Er sieht aus wie so ein Knabe vom Film. Das sagen jedenfalls ein paar Mädchen. Panzer

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