Mutterschmerz. J.P. Conrad

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Mutterschmerz - J.P. Conrad

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aus den Augenwinkeln. Falten der Verärgerung standen ihr im Gesicht. Es war fast so, als wäre ihr das eigene Kind peinlich. »Und jetzt setz dich neben mich und zeig, dass du ein Mann bist!«, wies sie ihn mit ihrer leicht tiefen Stimme an.

      »Ja, Mama.« Der Junge stand sofort auf.

      »Ein groß gewachsener, blonder junger Mann bist du geworden«, stellte Frau Metzger angetan fest, als sie ihn musterte. Und an die Mutter gewandt lobte sie: »Sie müssen sehr stolz sein. Genau das verlangt der Führer. Wirklich schade, dass er noch zu jung ist, ihm zu dienen.«

      Adolf sagte nichts, auch wenn ihm dieses nationalistische Gewäsch gehörig auf die Nerven fiel. Im Grunde war es ihm egal, wer letztendlich das Land regierte, solange es ihm gut ging und die Geschäfte liefen. Er hatte auch nie wirklich daran geglaubt, dass ein Sieg über die Welt Deutschland irgendwelche Vorteile bringen würde; nur sicher noch mehr Entbehrungen für das gemeine Volk. Er beobachtete den Jungen, der sich nun neben Frau Metzger auf den Boden setzte und kerzengerade gegen die Wand lehnte. Irgendwie tat er Adolf leid. Er musste sich für sein Alter viel zu erwachsen benehmen; weniger wegen des Krieges, so schätzte er, als aufgrund der Strenge seiner Mutter. Das äußerte sich auch in seiner Kleidung: Er trug ein weißes, bis zum Hals zugeknöpftes Hemd, eine graue Hose mit Hosenträgern und polierte schwarze Schnürschuhe. Adolf vermisste den Lausbuben in ihm, so wie er selbst in diesem Alter einer gewesen war; mit zerschlissenen Hosen, aufgeschürften Knien und ordentlich Dreck unter den Nägeln.

      »Noch hat er wenig getan, das mich stolz macht«, sagte die Mutter trocken, beinahe enttäuscht, ohne ihren Sohn anzusehen.

      Adolf schnalzte verächtlich mit der Zunge, was aber niemand mitbekam, da in diesem Moment die Druckwelle einer weiteren Detonation den Raum erschütterte. Der Boden vibrierte. Wieder fiel etwas Staub von der Decke. Die Einmachgläser im Regal neben der Tür klirrten, als sie aneinanderschlugen. Und unaufhörlich dröhnten die Sirenen des Fliegeralarms dumpf durch die dicken Mauern. Inzwischen durfte wohl jede Maus in Frankfurt mitbekommen haben, dass ein Angriff stattfand.

      »Wenn der Nationalsozialismus fällt, fällt Deutschland!«, verkündete Frau Metzger prophetisch. Sie schien zu spüren, dass die Luft dünner wurde; im übertragenen, wie im buchstäblichen Sinn.

      »Wir müssen zuversichtlich sein!«, entgegnete die Mutter nachdrücklich. »Unsere Männer kämpfen da draußen für uns. Sie werden den Feind vernichten!«

      Sie erntete ein kurzes, heiseres Lachen der Zigarette rauchenden Frau. Es war ihre erste Äußerung überhaupt, seit sie in dem Keller festsaßen. Alle sahen nun zu ihr.

      »Das sagen ausgerechnet Sie?«, fragte sie, leicht amüsiert, ohne aufzusehen. Sie hatte eine buchstäbliche Reibeisenstimme; zweifellos hervorgerufen durch jahrzehntelangen Nikotinkonsum.

      Die Stirn der Mutter legte sich in Falten. »Wieso? Was meinen Sie damit?«

      Die Alte zuckte mit den Schultern und zog genüsslich an ihrer Zigarettenspitze, bevor sie antwortete: »Man hört so manches.«

      »Was hört man, Frau Vogel?« Der Ton der Mutter wurde schärfer.

      Ihre Nachbarin ließ sich Zeit mit einer Antwort, blies erst wieder ein wenig Rauch in die ohnehin schon dicke Kellerluft. »Dass ihr Mann mit dem Feind kollaboriert«, sagte sie dann unzweideutig.

      Die Mutter bekam große Augen, war gleichermaßen perplex und entrüstet. »Wie kommen Sie dazu, so etwas zu behaupten?«

      »Weil es mir jemand erzählt hat. Er soll ein Deserteur und Verräter sein.« Wieder nahm sie einen tiefen Lungenzug und fachte damit nicht nur die Glut erneut an.

      »Zügeln Sie Ihre Zunge oder es passiert ein Unglück!«, drohte die Mutter aufgebracht und stand auf. Mit in die Hüften gestemmten Armen sah sie auf die beiden Frauen herab. »Wer verbreitet solche widerlichen Lügen?«

      »Meine Damen, bitte!«, versuchte Adolf erneut, die Streithähne zu beschwichtigen, und kam ebenfalls auf die Beine. »Auf Gerüchte sollte man nichts geben!« Inzwischen empfand er die Situation dort in dem Keller fast gefährlicher, als den Fliegerangriff.

      »Ich könnte nie mit einem Verräter verheiratet sein!«, verteidigte sich die Mutter angewidert. »Ebenso wenig, wie mit einem Juden. Eher möchte ich sterben.«

      Die Alte schielte zu Frau Metzger, die direkt neben ihr saß. »So?«

      »Ich habe das aber auch gehört«, mischte sich diese nun überraschend in den Disput ein und schaute die Mutter mit herablassendem Blick an.

      »Wer hat das behauptet?«

      Adolf fasste die Mutter sanft am Arm. Er hatte die Befürchtung, dass sich die Frauen gleich gegenseitig die Köpfe einschlugen.

      Frau Metzger verschränkte die Arme und grinste ihr von unten herauf triumphierend ins Gesicht. »Ihr Sohn!«

      Der Mutter fiel die Kinnlade herunter. Sie befreite sich mit einem Ruck aus Adolfs leichtem Griff und stellte sich vor ihn. Ihr Schatten lag unheilvoll über dem Kind, das regungslos und blass an der Wand hockte.

      »Ist das wahr?«, fragte sie scharf und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Als der Junge nicht antwortete und ihrem Blick auswich, zog sie ihn am Oberarm unsanft auf die Beine. Sie drückte ihn mit einem Ruck gegen die Mauer. Fast zeitgleich ertönte wieder ein Bombenschlag; diesmal etwas weiter entfernt.

      »Stimmt das? Hast du es jemandem erzählt?« Sie schüttelte ihn durch, presste ihn mehrfach fest gegen die Wand. Er verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Adolf versuchte, die Mutter von ihm wegzuziehen, als Frau Metzger trocken auflachte.

      »Kindermund tut Wahrheit kund!«

      Und Frau Vogel nickte nur, ohne eine Miene zu verziehen.

      »Dafür sollte ich dich tot prügeln!«, knurrte die Mutter voller Zorn. »Du kleiner Verräter! Du Nichtsnutz!« Sie holte mit ihrer Hand aus, doch Adolf hielt sie fest. Sie fuhr herum. Unbändige Wut glänzte in ihren blauen Augen.

      »Nein, tun Sie es nicht!«, sagte er kopfschüttelnd.

      Abermals riss sie sich los; sie verfügte über erstaunlich viel Körperkraft. »Was fällt Ihnen ein? Mischen Sie sich nicht in meine Angelegenheiten!«

      »Er ist ein Kind. Er kann nichts dafür. Und mir ist egal, ob es stimmt, oder nicht!«, sagte Adolf und versuchte, mit seiner Stimme beruhigend auf sie einzuwirken, was angesichts seiner eigenen Verfassung alles andere als leicht war.

      »Mir ist es nicht egal!«, fauchte sie zurück. »Verräter erschießt man! So wird das gemacht! Und ich würde keine Sekunde zögern, ihn zu erschießen!«

      Adolf hielt sie an den Schultern und sah ihr in die Augen. »Ihr eigenes Kind?«, flüsterte er ungläubig.

      »Seinen Vater«, antwortete sie und Tränen standen ihr mit einem Mal in den Augen, die sie sofort wegwischte. War es Scham? Oder Trauer? Adolf war sich nicht sicher.

      »Ich will ihn für dich erschießen, Mama!«, rief ihr Sohn nun aufgeregt und sprang auf seine Mutter zu. Er umklammerte schluchzend ihre Hüfte. »Ich tue das für dich, ich verspreche es! Es tut mir so leid!«

      Nach einem kurzen Moment hatte sich die Frau wieder etwas gefangen. Adolf spürte, wie sich ihre Körperspannung löste und er ließ sie los. Sie rang sich ein Lächeln ab.

      »Schon

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