Brand und Mord. Die Britannien-Saga. Sven R. Kantelhardt

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Brand und Mord. Die Britannien-Saga - Sven R. Kantelhardt

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Entsetzen in den Augen der beiden Männer ließ das schlechte Gewissen die Oberhand über Ceretics Verstimmung gewinnen. Als sie sich am Vortag handelseinig geworden waren, hatte er den Fischern nicht die ganze Wahrheit gesagt. Freilich konnte sich ein kluger Mann den Rest zusammenreimen, aber ein einfacher Fischer? Ceretic bemühte sich daher nun um einen beruhigenden Ton.

      „Ihr habt ja mich“, behauptete er und ein etwas selbstgefälliges Grinsen schlich sich in seine Züge. „Und der König hat gute Gründe, warum er gerade mich, Ceretic ap Ruohim, für diese Fahrt ausgewählt hat.“

      Das stimmte tatsächlich. Gemessen an seiner niederen Herkunft als verwaister Sohn einer Ruohimer Fischerfamilie hatte er es weit gebracht. Ganz allein hatte er sich am Hofe des Hochkönigs bewährt und den Respekt der anderen Krieger erworben. Dazu kannte er das Mündungsgebiet der Thamesa von klein auf, was für den heiklen Auftrag von großer Bedeutung war. Was ihn aber vor allem auszeichnete, waren seine Kenntnisse der barbarischen Sprache. Es war also nur folgerichtig, dass Vortigern gerade ihm diese heikle Mission anvertraute, die das Schicksal Britanniens für immer wenden sollte.

      „Doch jetzt ist vor allem eins geboten“, fuhr er belehrend fort. „Eile. Denn genauso sicher, wie die ersten Schwalben zuhause bereits das Kommen des Sommers ankündigen, zeigen sie auch, dass die piktischen Horden in Kürze wieder über unser armes Britannien herfallen werden.“

      Damit beendete Ceretic seine kleine Ansprache und die beiden Männer nickten wissend. Die Piktenüberfälle bedrohten auch ihre eigenen Familien und Dörfer. Ceretic atmete tief die schneidend kalte Seeluft ein und konzentrierte sich wieder ganz auf das Steuern des Bootes. Es handelte sich um eine Curach, wie sie auch von Pikten und scotischen Piraten genutzt wurde. Ein leichtes, aus Eschenleisten gezimmertes Gerippe, überspannt von einer harzgetränkten Ochsenhaut. Damit war die Curach nicht so fest und stabil, aber auch nicht so schwer wie ein Holzboot. Sie bog sich in den Wellen und wich den Kräften des Meeres aus, anstatt zu zerbersten. Das kleine quadratische Ledersegel stand voll im Westwind und trieb das leichte Fahrzeug rasch über die See. Gischt wehte Ceretic ins Gesicht und langsam ließ er die schweren Gedanken an die Heimat und die unsichere Zukunft hinter sich. Wenn der Wind durchhielt, würden sie den fretum gallicum bald überquert haben und die belgische Küste erreichen.

      Und tatsächlich, als die Sonne im Westen den Horizont berührte, machte Ceretic einen breiten grünen Streifen aus. Davor mischte sich das Weiß von Dünensand und Gischt.

      „Die morinische Küste“, stellte er zufrieden fest.

      Seine Begleiter, die auf den Ruderbänken nach achtern schauten, drehten sich neugierig um. Für sie war es das erste Mal, dass sie die fremde Küste zu Gesicht bekamen. Doch außer dem Strand gab es nichts zu sehen. Portus Itius hatte Ceretic im Westen gelassen und den günstigen Wind genutzt, um möglichst weit Richtung Germania inferior und der friesischen Küste zu gelangen. Mit dem letzten Licht der Dämmerung setzte Ceretic die Curach auf den fremden Strand.

      „Los, an die Arbeit! Oder habt ihr geglaubt, ihr könntet die ganze Zeit faul im Boot hocken bleiben?“, trieb er seine dösenden Gefährten an.

      Beide kletterten steif und ausgekühlt ins flache Wasser. Im Boot konnte man sich nicht gut aufrichten und durch die dünne Außenhaut drang die Kälte des Meeres in alle Glieder. Umständlich wuchtete sich Ceretic aus seinem Sitz im Heck und packte mit an. Nachdem sie das kleine Segel und den Mast im Boot verstaut hatten, mussten sie das Fahrzeug aus der Brandungszone schleppen. Ceretic packte das Heck, während seine beiden Begleiter den Bug trugen. Er musste gut aufpassen, damit ihm die Curach nicht entglitt, denn das Meerwasser hatte die Oberfläche der geharzten Lederhaut aufgeweicht und sie glitschig und schmierig gemacht.

      „Nur noch ein kleines Stück“, grunzte er, dann ließen sie das Boot in den trockenen Dünensand fallen. Treibholz und verrottender Tang kennzeichneten die Flutwasserlinie ein ganzes Stück hinter der Curach.

      „Mal sehen, was sich uns hier für ein Empfang bietet.“

      Ceretic schnaufte noch von der Anstrengung, stapfte aber gleich weiter durch den losen Sand, in dem sich nur vereinzelt dürre Halme des Strandhafers festkrallten. Oben auf der Düne ließ er seinen Blick schweifen. Etwa zwei Meilen im Süden sah er eine dünne Rauchsäule in den purpurnen Abendhimmel steigen. Im Westen, wo die Sonne vor ein paar Augenblicken im Meer versunken war, blitzte der Abendstern. Gedankenverloren strich Ceretic sich mit Daumen und Zeigefinger über den mächtigen roten Schnurrbart, der ihm beidseits fast bis zum Kinn herabhing. Sicherlich war die Siedlung aus Furcht vor friesischen und sächsischen Piraten so weit im Landesinneren errichtet worden. Die Menschen, die dort lebten, waren vermutlich Belgier. Bauern jedenfalls, keine Piraten. An der Küste konnte Ceretic niemanden entdecken. Das kam ihm gelegen, in der nun hereinbrechenden Dämmerung würde sie kein Mensch mehr stören. Zufrieden stapfte Ceretic zu seinen Gefährten zurück, die bereits das wenige Treibholz sammelten, das die letzte Flut an Land gespült hatte. Malo blickte fragend zu ihm auf.

      Ceretic nickte. „Ich denke, wir können heute Nacht Feuer machen. Ich habe nichts Beunruhigendes entdeckt und hier in der Provinz Belgica sollten wir noch sicher vor den Barbaren sein.“

      Malo und Tavish machten sich zufrieden an ihre Aufgabe. Bald zischte das feuchte Treibholz und das Salz knackte in einer gespenstisch flackernden bläulichen Flamme.

      „Ob wir morgen schon auf Barbaren treffen?“, fragte Tavish neugierig.

      „Bete zu Gott, dass nicht“, antwortete Ceretic ohne die Augen von den Flammen abzuwenden. „Die großen Ströme der Sachsen erreichen wir erst in zwei oder drei Tagen und wenn wir vorher auf Schiffe treffen, dann sind das wahrscheinlich Friesen.“ Eine Weile saßen sie schweigend. „Aber dafür ist es eigentlich noch zu früh im Jahr“, fügte er hinzu, als hätte er dieses Wissen gerade erst in den Flammen gelesen.

      Am nächsten Morgen war der Wind aufgefrischt und der Himmel hing voll grauer Wolken. Ceretic stieg erneut auf die Düne, doch diesmal richtete er seinen Blick prüfend aufs Meer. Dann nickte er langsam. Sie könnten es wagen in See zu stechen.

      „Mit diesem Wind erreichen wir die Mündung der Wirraha in zwei Tagen“, wandte er sich an seine Gefährten. Von dort aus richteten die Sachsen ihre gefürchteten Steven Richtung Meer und Britannien, dachte er schaudernd. Und ausgerechnet dorthin führt unsere Reise.

      Doch vorerst lief alles nach Plan und Ceretics Vorhersage schien sich zu bestätigen. Den Tag über sichteten die drei Britannier lediglich zwei kleine Fischerboote, aber beide hielten einen gebührenden Abstand zu ihrem Fahrzeug. Warum sollte auch ein einzelner Fischer eine Begegnung mit drei Fremden riskieren?

      „Wie willst du es eigentlich anstellen, den besten Heerführer unter den Sachsen ausfindig zu machen?“, riss Tavish seinen Steuermann am Abend aus den Gedanken. Sie saßen auf einer der zahllosen, lediglich von Seehunden und Vögeln bevölkerten Sandbänke und Inseln, aus denen ganz Friesland zu bestehen schien. Vor ihnen lag das Meer schwarz und schweigend bis an den fernen Horizont, während einige wenige Sterne das flackernde Licht des schwelenden Treibholzes am trüben Himmel spiegelten. Ceretic hoffte inständig, dass die Dünen in ihrem Rücken sie vor den Bewohnern dieser ungastlichen Küste verbargen. Er roch verrottenden Tang und das nasse Leder der Curach hinter ihnen.

      „Erst einmal müssen wir bis dorthin gelangen“, erwiderte er eindringlich und sah seinen beiden Begleitern nacheinander einen Moment lang in die Augen. „Wir sind hier vor der friesischen Küste. Betet darum, dass wir keinem größeren Schiff begegnen. Als Piraten sind die Friesen nicht besser als die Sachsen. Wenn sie uns erwischen, murksen sie uns ab oder verkaufen uns als Sklaven in die Barbarei.“

      „Wirklich gute Aussichten“, brummte Malo und legte einen

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