Die Colonie. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Colonie - Gerstäcker Friedrich страница 7
„Den gebildeten Mann zieht gewöhnlich das zurück," sagte Könnern, „daß er in dem fremden und überseeischen Lande selten eine passende oder ihm wenigstens zusagende Beschäftigung findet, die ihn hinreichend ernährt. Kaufleute natürlich ausgenommen, die überall daheim sind und auch herüber und hinüber ziehen, steht sich der, der daheim gewohnt war, mehr mit seinem Kopfe als mit seinen Fäusten zu arbeiten, in nur zu häufigen Fällen allein auf die letzteren angewiesen. Das gefällt ihm nicht, eine Quantität Gemüth kommt dazu, und das Heimweh ist fix und fertig."
„Sie haben wohl Recht," nickte der Director, „und nicht allein das Heimweh, sondern auch zugleich die Unzufriedenheit mit allen sie umgebenden Dingen, die, der Meinung jener Leute nach, für sie nicht passen, während sie selber es sind, die sich nicht hineinfinden können oder wollen. Davon weiß ein armer Director am besten zu erzählen, denn gerade in meiner Colonie bin ich mit einer Klasse von Menschen geplagt, die fast alle das Jahr 1848 von Deutschland herüber gescheucht hat, und die jetzt auf Gottes Welt nicht wissen, was sie mit sich angeben sollen."
„Sie scheinen hier wirklich eine Art von haute volée zu haben," lächelte Könnern, „denn außer jener Frau Gräfin sah ich heute Morgen auch noch eine reizende junge Dame, die in Carriere vorüberflog."
„Sie wird nächstens einmal ihren reizenden Hals brechen," meinte der Director trocken; „jene Beiden gehören aber zusammen, denn die junge Dame ist die Comtesse, die Tochter der Gräfin. Da haben Sie also gleich die Spitze der Gesellschaft, den sogenannten crème gesehen. Außerdem aber sind wir noch mit einer Anzahl von Titular-Honoratioren geplagt, die voller Ansprüche stecken und, wie der Engländer ganz passend sagt: „neither for use nor ornament, weder zum Nutzen noch zur Verzierung der Colonie dienen. Doch mit diesen Herrschaften werden Sie selber wohl näher bekannt werden, wenn Sie sich länger in unserer Colonie aufhalten, und nur einen Rath muß ich Ihnen schon jetzt /30/ geben, ehe er zu spät kommt: Borgen Sie Niemandem Geld."
Könnern lachte gerade heraus.
„Fällt Ihnen die Warnung bei den Honoratioren ein?" sagte er.
„Allerdings," erwiderte der Director ganz ernsthaft; „der Bauer, wenn er Geld braucht, wendet sich einfach an die Regierung um Subsidien, die ihm nur in Ausnahmefällen abgeschlagen werden und für deren Rückzahlung er mit seinem Lande haftet. Unsere haute volée dagegen ist viel zu stolz, an etwas Derartiges nur zu denken, hat auch in leider sehr vielen Fällen entweder kein Land, oder doch schon eine Menge von stillschweigenden Hypotheken darauf aufgenommen."
„Aber sie werden doch wahrhaftig keinen wildfremden Menschen anborgen?"
„Es giebt dafür verschiedene Auswege," meinte der Director, „und Menschen, die sich sonst in den einfachsten Verhältnissen nicht zu helfen wissen, entwickeln gerade in dieser Branche eine erstaunliche Mannigfaltigkeit."
„Aber weshalb wandern solche Menschen," sagte Könnern, „die doch von vornherein wissen sollten, daß sie für derartige Arbeit und Beschäftigung nicht passen, eigentlich nach einem wilden Lande aus? An Büchern fehlt es wahrlich nicht, die ihnen ziemlich deutlich sagen, was sie in der neuen Welt - ob sie nun Amerika, Australien oder sonstwie heiße - zu erwarten haben. Sie können sich darüber nicht täuschen, wenn sie überhaupt Deutsch verstehen."
„Und doch thun sie es," sagte der Director, „und zwar meist aus dem ganz einfachen und in jedem andern Falle schätzenswerthen Grunde, daß sie eine sehr gute Meinung von sich selber haben. Ich kann Alles, was ich will, sagen sie, bedenken aber dabei gar nicht, daß sie nicht Alles wollen, was sie können, denn es kann natürlich ein Jeder, wenn er nicht gerade einen überschwächlichen Körper mitbringt, Handarbeit verrichten; aber wie die Vorsätze auch daheim gewesen sein mögen, hier machen sie nicht einmal den Versuch dazu, und wenn sie ihn machen, bleibt es auch gewiß immer bei dem Versuche. Es ist und bleibt ein wun-/31/derliches Volk, und wenn ich erst einmal nicht mehr Director bin, was, wie ich hoffe, nicht mehr lange dauern wird, so glaub' ich, daß ich mich sogar prächtig dabei amüsiren werde, sie in ihrem eigenthümlichen Treiben und Wirthschaften zu beobachten. Jetzt aber halten sie mir die Galle fortwährend in Gährung, und dabei kann natürlich der beste Humor nicht aufkommen, ohne seine bestimmte Partie Gift mit anzunehmen. Sehen Sie, da kommt gleich Einer davon; sieht der Mensch aus, wie ein brasilianischer Pflanzer?"
Um die eine Ecke bog in diesem Augenblicke ein Herr, der - wenn die Sommerbeinkleider nicht ein klein wenig zu kurz gewesen wären - in dem Anzuge recht gut hätte an einem schönen Nachmittage unter den Linden in Berlin spazieren gehen können. Er trug vollkommen moderne Tuchkleidung, einen Cylinder, einen Regenschirm, der hier auch besonders gegen die Sonne benutzt wurde, und im Knopfloch den Rothen Adlerorden vierter Klasse.
Als er den beiden Herren begegnete, lüftete er den Hut mit einer sehr förmlichen, aber auch sehr vornehmen Verbeugung, und ging dann, ohne Miene zu einem weiteren Gruße zu machen, stolz vorüber.
„Und wer war das?"
„Der Baron Jeorgy, seinem Berichte nach aus einer sehr alten Familie, der mit der Idee herüberkam, brasilianischer Pflanzer zu werden. Er übernahm eine allerliebst gelegene Colonie - Sie müssen heute Morgen daran vorbei gekommen sein."
„Ah, das Haus da oben auf dem Berge, wo ein reizendes junges Paar von brasilianischer Abstammung wohnt?"
„Ganz recht, Köhler's Chagra, wie der Platz jetzt heißt - und er v e r wirthschaftete das Gut in unglaublich kurzer Zeit dermaßen, daß es zuletzt wenig mehr als eine Wildniß war. Er mußte es endlich verkaufen, denn es trug ihm nicht einmal mehr die Kosten, und natürlich konnte Niemand weiter daran schuld sein, als der Director, da ihm dieser noch dazu nicht einmal mehr Geld darauf vorstrecken wollte. Er ist seit der Zeit wüthend auf mich, nach Art solcher Leute aber auch um so viel höflicher geworden, und ärgert /32/ sich nur, daß ich von seinen Verleumdungen gegen mich nicht die geringste Notiz nehme."
„Guten Morgen, Herr Director!" unterbrach in diesem Augenblick ein junger Mann das Gespräch, der sie überholt hatte und rasch an ihnen vorüberschritt. Er grüßte dabei sehr ehrfurchtsvoll, schien sich aber nicht lange in seines Vorgesetzten Nähe aufhalten zu wollen, dem er vielleicht unerwartet in den Wurf gelaufen, denn er bog rasch in die nächste Querstraße ein und verschwand in einem der Gärten.
„Der junge Herr," sagte Könnern, „scheint stark gefrühstückt zu haben. Sein ganzes Aeußere sah wenigstens danach aus."
„Ein anderer Fluch unserer Colonie," seufzte Sarno, „das war unser Schullehrer."
„Der Schullehrer? Er kann höchstens zweiundzwanzig Jahre alt sein."
„Und nicht einmal ist er trotzdem, sondern gerade deshalb Schullehrer," sagte der Director; „unser deutscher Bauer ist nämlich von Haus aus und von klein auf so daran gewöhnt worden, den „Schulmeister" als ganz untergeordnete Persönlichkeit zu betrachten und danach natürlich auch die Erziehung seiner Kinder zu bemessen, daß ihn für diese jeder Milreis reut, den er ausgeben soll, und er förmlich gezwungen werden muß, die Kinder in die Schule zu schicken. Das Loos eines Schullehrers ist aber in keinem Lande der Welt beneidenswerth, und nur daheim, wo Leute von Jugend auf dazu erzogen werden und dann später keine andere Laufbahn mehr einschlagen können, finden sich immer genügende Kräfte. Hier dagegen, wo Jeder sein Brod weit besser und sorgenfreier verdienen kann, der nur irgend seine Knochen gebrauchen will, denkt gar Niemand daran, sich zu dem fatalen und außerdem noch schlecht gelohnten Amte eines Schullehrers herzugeben, der nicht nothgedrungen muß. Das aber sind dann meist junge Leute, Studenten oder Handlungsdiencr, die einen angeborenen Abscheu vor Hacke und Schaufel