Das Verschwundene Tal. Dietmar Preuß

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Das Verschwundene Tal - Dietmar Preuß

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      Dietmar Preuß

      Das Verschwundene Tal

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Impressum neobooks

      Kapitel 1

      „So schmal, dass eine alte Vettel ihn mit einer Mistgabel verteidigen könnte!“, sagte der Führer des Handelstreks zu dem Skalden an seiner Seite. Mit seinem breiten Gesicht und dem selbstgefälligen Grinsen konnte der Händler nur Kronländer sein. Er deutete nach vorne, wo der Unstete Pfad hinter den Dolmen Wodans begann. Hunderte von Ruten hoch erhob sich ein schmaler Felsarm aus dem Meer. Die Götter, die die Welt in zwei Kontinente geteilt hatten, hatten auch diese einzige Landbrücke zwischen Nord und Süd geschaffen. Aus der Ferne wirkte der Felsarm wie die Klinge einer Axt, die jemand mit der Schneide nach oben auf einen Silberspiegel gelegt hatte.

      „Scheint heute breit genug für Packpferde zu sein.“ Der Trekführer kratzte sich den Schmerbauch, über den sich ein speckiges, graues Leinenhemd spannte. Der hochgewachsene Skalde neben ihm legte die Hand über die Augen und betrachtete den Weg, der von ungeheuren Kräften auf halber Höhe in die Flanke der Axtklinge geschnitten worden war. Der Pfad war etwa fünfhundert Ruten lang, ein winziges Stück verglichen mit den Entfernungen, die Karawanen und Handelstreks davor und danach zurücklegten. Und dennoch flößte der plötzliche Anblick dem Skalden Respekt ein. Unbewusst griff er nach dem Langdolch an seinem Gürtel und murmelte ein paar Worte, mit denen er Donar um Mut bat.

      Erst vor wenigen Augenblicken hatte der Handelstrek des schmierigen Kronländers den Wald verlassen, der für die meisten Bewohner der Greiflande Schutz und Heimat bedeutete. Wie eine Mauer stieg das satte Grüne hinter ihnen empor. Und obwohl die Hitze des Südens vor ihnen schon zu ahnen war, hielt sich hinter ihnen noch der Nebel in den Baumwipfeln.

      Auf dem felsigen Dreieck vor ihnen, das sich zu der Landbrücke hin verengte, lagerten Hunderte von Packpferden, Treibern und bewaffneten Reisigen. Lagerfeuer verbreiteten den Duft nach brennendem Holz und gebratenem Fleisch. In dem Gewirr der Rufe und lautstarken Diskussionen, das bis an den Waldrand drang, waren Ungeduld, Nervosität und Angst deutlich zu erkennen. Händler und Treks wie der, den der Skalde begleitete, zogen auf der Suche nach einem Lagerplatz durch die engen Gassen des Lagers. Reisige und Glücksritter aller Herzogtümer der Greiflande brachen ihre Zelte ab, nur um sie ein paar Dutzend Ruten näher an den Dolmen vor dem Unsteten Pfad wieder aufzuschlagen. Wie mahnende Finger ragten sie an der engsten Stelle des Lagers in die Höhe. Hinter den Dolmen begann der schmale Pfad, zu dessen linker Seite sich der Fels in schwindelerregende Höhen auftürmte. Zur Rechten fiel der Fels etwa zweihundert Ruten unter dem Unsteten Pfad steil ab, wo das Meer im Licht der weißen Sonnenscheibe gleißte.

      Die klaren blauen Augen des Skalden wanderten nach oben, und er fand, was an den heimischen Feuern in Runland immer wieder erzählt worden war. Hoch über den Dolmen war der reich verzierte Eingang eines Tempels in der Felswand zu sehen. Weder Stufen noch Leitern führten zu dem verwitterten Heiligtum. Angeblich stand die in den Berg geschlagene heilige Stätte leer, andere erzählten, ein unsterblicher Zauberer hause darin. Er sorge dafür, dass der Pfad sich verenge, wenn ihm nicht gefalle, was er in den Herzen und Köpfen der Menschen las. Der Skalde hielt das für eine Geschichte, wie er selbst sie an fast jedem Abend erfand. Doch niemand, der zu den Dutzenden Karawanen, Pilgern und Abenteurern zweifelhafter Herkunft gehörte, hätte versucht dieses Heiligtum zu besuchen. Sie alle warteten nur auf einen günstigen Zeitpunkt, den Unsteten Pfad zu passieren.

      „Wann ist es das letzte Mal vorgekommen, dass der Pfad schmaler wurde?“, fragte der Skalde, der für einen Runländer eher sehnig als muskulös zu nennen war. Unbewusst fuhr er sich mit der Hand durch das blonde Haar, das ihm vor die Augen gefallen war.

      „Bekommst du es mit der Angst zu tun, Geschichtenerzähler?“ Der Trekführer schwang sich in den Sattel und sah abfällig auf ihn herab. Kronland lag mit den Sippen Runlands seit Ewigkeiten im Krieg, und der Skalde hatte sich gewundert, dass ihm die Händler im Herzen des weiter südlich liegenden Quellreichs angeboten hatten, sich ihnen anzuschließen. Er hatte den Grund während der vierzehn Reisetage herausgefunden und sah sich nun nach den geduldig wartenden Männern und Frauen um. Es waren kräftige, untersetzte Leute, die sich mit ihren breiten Gesichtern und blassen Augen neben ihm, dem hochgewachsenen Runländer, ausnahmen, als hätten Wodan und Baldr sie beim Verteilen körperlicher Vorzüge vergessen.

      „Du solltest Angst haben, Beutelschneider“, knurrte der Skalde. „Glaubst du, ich habe nicht gesehen, was ihr in den Pelzballen versteckt haltet?“

      Sie waren bald in der Mitte des Lagers der Zaudernden angekommen, in dem unentschlossene Bogenweiber aus den Klingensteppen, zögerliche Goden aus den Schimmelhainen und mit Turbanen und Dschellabahs vermummte Händler aus Scimmien auf ein günstiges Zeichen warteten. Die Angst und Nervosität waren nun für Wulfiard, so hieß der Skalde, körperlich spürbar.

      „Ach, beim Flammenhaarigen! Wodan und al-Lat können ihre Augen nicht überall haben“, fluchte der Trekführer.

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