Das Verschwundene Tal. Dietmar Preuß

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Das Verschwundene Tal - Dietmar Preuß

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Hinterher verdiene ich vielleicht noch den einen oder anderen Rachni für ein Nachtlager, dachte er. Und wenn nicht, dann werde ich eben im Schein des Tengrissohns schlafen. Es ist warm, es wird wieder einmal nicht regnen. Wulfiard vermisste den Regen, den weichen Landregen seiner Heimat.

      Die Händler auf dem Bazar von Fayum, farbenfroh aber nicht besonders reinlich gekleidete Männer, beobachteten ihn voller Misstrauen, während er neben den andern Leuten aus aller Herren Länder vorbei ging. In der Sommerhitze tummelten sich Söldner, Händler und Abenteurer - Männer, Weiber und Bachabazis zweifelhafter Herkunft zwischen den Ständen und Auslagen. Aber Wulfiard war der einzige der hochgewachsenen Nordmänner, die meist ihre Waffenkraft in einem der Kleinkriege der Emire oder Khane anboten, der ohne Kettenhemd oder ledernen Harnisch daherkam. Also musste er in den Augen der Händler ein Dieb oder Falschmünzer sein, oder gar einer der Ssadesti, die immer offener Raub und Mord im Nordwesten Bual-Bators verbreiteten. Wulfiard hatte gehört, dass manch einer ihr Tun als Freiheitskampf pries, dass sie ihr Raubgut unter den Armen verteilten. Gesehen hatte er noch keinen, aber an ihren Natterzähnen sollten sie leicht zu erkennen sein.

      Dennoch waren die Handwerker und Kaufleute unschlüssig, ob sie ihn von ihren Ständen fortjagen sollten. Er wusste, dass er ihnen mit den wildledernen Hosen und Stiefeln, dem Hemd aus grobem Leinen, das schon bessere Zeiten gesehen hatte, und der schwarzen Weste aus ungewöhnlich steifem Stoff, barbarisch vorkommen musste. Aus der Ledertasche, die er über der Schulter trug, ragten Pergamentrollen und die Spitzen von Gänsekielen hervor. Trotz dieser Zeichen von Gelehrsamkeit, und obwohl er weniger muskulös war als die Söldner aus dem Norden, konnte auch er nur aus den Greiflanden stammen. Seine Haut war heller als die der Scimmier um ihn herum, und er überragte die Bualis und Batorianer mindestens um eine Handbreit. Und dass aus seinen verträumten Zügen trotz der Armut weder Unterwürfigkeit noch Verzweiflung sprach, unterschied ihn von den wimmernden Bettlern der städtischen Zunft.

      Während ihn die intensiven Düfte und die Fülle der Farben des Bazars von Fayum, einer Kleistadt nördlich des Khoramgebirges, umgaben, sah Wulfiard immer wieder zu der üppigen Schönheit am Ende der Gasse hinüber. Was den Lärm betraf, musste sich der Markt hinter dem größerer Städte wie Nauris und Chasar nicht verstecken, soviel Mühe gaben sich die Händler beim Anpreisen ihrer Waren. Zum ersten Mal seit dem Tod Cid Cadafs, kurz nachdem Wulfiard den Unsteten Pfad vor siebzehn Monaten bewältigt hatte, herrschte so etwas wie Frieden im Zentrum Scimmiens. Die weitverzweigte Familie der Shahim hatte nach langen und blutigen Wirren die Khanate unter sich aufgeteilt und neu geordnet. Anders noch als vor wenigen Monden eilten Männer und Frauen in bunten Kaftanen und Dschellabahs geschäftig hin und her. Riesige Turbane, manche mit einer goldenen Brosche besetzt, wippten über hakennasigen Gesichtern mit dunklen Augen. Die Frauen waren meist verschleiert, aber ihre Schönheit dennoch unverkennbar, sodass die Fremden aus allen Teilen Greiflands die Blicke nicht von ihnen lassen konnten.

      „Verschwinde!“ Wulfiard gab dem halbnackten Sumpfzwerg aus dem Taufi, der sich hinter ein paar hochgewachsenen, in Leder und Metall gekleideten Weißmarkern an ihn herangeschlichen hatte, einen Stoß. Der dreckige Kerl schloss sich einer der Scharen von schmutzigen Kindern, die zwischen den Ständen hin und her rannten und versuchten, süßes Obst oder Backwerk zu stehlen. Kamele, schwer beladen mit Stoffballen, schritten mit scheinbarer Arroganz vorüber. Das Gewirr der Stimmen war unfassbar, am lautesten aber riefen die Händler hinter den bunten Ständen.

      „Emaille aus Runland, Bronze aus dem Tengriswall, alles was das Herz begehrt!“

      „Seht her, Leute, Stoffe, so fein wie am Hofe des Ilkhans von Gidda! Seht euch diese Seide an, das Farbenspiel im Licht!“

      „Gewürze aus aller Herren Länder, Essenzen und Rosenwasser!“

      „Ja, tretet näher, edle Dame, ihr seid von Stand, das sehe ich, ihr wisst gute Qualität zu erkennen!“

      „Dieses Lamm wurde heute geschlachtet, guter Mann, das schwöre ich beim Alten Tengris!“

      „Amulette, Herr!“, wurde Wulfiard von einem der schwarzhaarigen Batorier angesprochen. „Die Locke einer rothaarigen Soma. So selten, dass sie einfach Glück bringen muss. Oder eine getrocknete Dattel, die einst von Tengris Teller gefallen ist. Nie wieder werdet Ihr Hunger leiden!“

      Wulfiard lächelte den Händler an, schüttelte aber den Kopf.

      „Ich verkaufe Gedichte und Geschichten. Steht Euch der Wunsch nach Kurzweil?“

      Der Amuletthändler winkte ab. „Nichts für ungut, Fremder, aber das ist das Letzte, was ich brauche.“

      Wulfiard hatte bereits den ganzen Tag über versucht, seine Kunst an den Mann zu bringen. Immer, wenn er abgewiesen wurde, hatte er ein paar freundliche Worte übrig. „Natürlich, Ihr habt ehrliche Arbeit im Sinn. Aber sagt, edler Herr, wer ist das dort am letzten Stand dieser Gasse?“

      Der Amuletthändler schaute über die Schulter. „Das ist Aguilar ibn Golg. Er und sein Weib Medeme verkaufen Shishar, vergorene Stutenmilch und jede andere bekannte Droge.“ Der Gesichtsausdruck des Händlers wurde verächtlich. „Ihn kümmert es nicht einmal, an wen er seine verfluchte Ware verkauft. Heute Morgen waren es kaum vierzehn Jahre alte Mädchen, die sich wohl als Houris verdingen – vielleicht sogar bei diesen Ssadesti im Verschwundenen Tal.“

      „Habt Dank!“ Dem Amuletthändler musste er so fremd vorkommen, wie ein Spindelkatapult einem Sumpfzwerg. Mit einem Blick über die Schulter erkannte er, dass die schöne Medeme ihn mit bebenden Nasenflügeln beobachtete. Sie wartet darauf, dass ich zu ihrem Stand komme, ahnte Wulfiard, denn er hatte die Batorianerinnen bereits kennengelernt. Der beleibte Mann in dem seidenen Kaften neben ihr drehte sich zu ihr um, und sie senkte den Blick und ordnete die Ware.

      „Sieh dir diesen halb verhungerten Bettler an, Medeme! Zu stolz das Haupt zu beugen, aber im Bauch nichts als Hunger“, hörte Wulfiard, denn er er war keine fünf Schritt mehr entfernt. Der fette Händler wischte sich den Schweiß aus dem glänzenden Gesicht.

      „Aguilar ist stolz auf sein junges Weib“, flüsterte der Amuletthändler, der Wulfiards Blick gefolgt war, „ist sie doch der lebende Beweis für seine Tüchtigkeit. Sie ist die Tochter eines Nachbarn, den er mit einem hinterhältigen Kontrakt in den Ruin getrieben hat.“ Er legte einen Finger an den Nasenflügel und rotzte auf den Boden. „Nur dadurch, dass er ihm seine Tochter gab, das schönste Mädchen des Dorfs, hat er sein Geschäft retten können. Aguilar ist reich und imstande, ihr alles zu bieten, was sie begehrt.“

      Dass sie sich nichts weniger wünschte, als einen alten, fetten Mann mit schlechtem Atem, und ihn mit Leichtigkeit um den Finger wickelte, war für Wulfiard nicht schwer zu erraten. Sie beobachtete ihn eingehender, als es einem tugendhaften Weib zugestanden hätte. Wulfiard rückte die Ledertasche über der Schulter zurecht, damit sie das Pergament und die Federn sah und ihn als Haimamud erkannte, als Geschichtenerzähler, wie man hier sagte, und ihn nicht für einen Bettler hielt.

      Sie lächelte über die anderen Stände hinweg und sah ihm in die Augen, deren Blau so strahlend war wie der Himmel, wenn der seltene Regen die Luft vom Staub befreit hatte. Vielleicht erfüllte sie sich in Gedanken gerade Wünsche, die ihren Gatten in entrüstetes Staunen versetzen würden. Wulfiard ging weiter zu dem Kupferschmied, der den Laden neben dem Stand Aguilar ibn Golgs betrieb. Er würde diesem Pfeffersack Aguilar wohl anbieten müssen, für ihn zu arbeiten. Wohlgemerkt: nur anbieten!

      Der Kupferschmied in der brandfleckigen Dschellabah folgte seinem Blick. „Ja, frag den dicken Aguilar. Er hat erst vor wenigen Wochen die schöne Medeme geheiratet. Vielleicht steht ihm der Sinn nach Poesie und Gedichten, ich kann mit dergleichen nichts anfangen. Aber wahrscheinlich wirst du auch bei ihm Pech haben, denn für ihn zählt nur bare Münze. Und die kann der Hundesohn sich mit Rauschmitteln

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